Sonderflugreise

Wird eine Reise unausführbar, weil der Reisende erst nach Abschluss des Reisevertrages erlassene verschärfte Gesundheitsbestimmungen schuldlos nicht zu erfüllen vermag, ohne deren Einhaltung das Reiseziel zu dem festgelegten Zeitpunkt nicht zu erreichen ist, so kann der Reiseunternehmer mir einen der bereits geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen.

Anmerkung: Der Beklagte buchte am 30. 1. 1970 bei der Kläger, einem Reisebüro, für seine 5köpfige Familie eine pauschale Sonderflugreise nach Teneriffa für die Zeit vom 5.-19. 2. 1970 zum Preis von 5 142 DM.

Am 31. 1. 1970 erfuhr er von einer Anordnung der, spanischen Behörden, wonach wegen in Deutschland aufgetretener Pockenfälle eine Einreise in spanisches Hoheitsgebiet nur mit einer Pockenschutzimpfung gestattet wurde. Da die 4jährige Tochter des Beklagten an Bronchitis litt und deshalb nach Auskunft des Arztes nicht geimpft werden durfte, widerrief der Beklagte die Buchung am 2. 2. 1970.

Am selben Tage stellte die T.-GmbH & Co, die die Flugreise veranstaltete, der Kläger eine sog. Stornogebühr von 3 945 DM in Rechnung, wobei sie sich auf eine in dem Reiseprospekt unter Wichtige Hinweise angeführte Klausel berief, dass in einem solchen Fall 75 % der Gebühr verfallen seien.

Die Kläger verlangte mit der Klage von dem Beklagten diesen Betrag. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht wies die Ber. des Beklagten zurück, soweit sie sich gegen den Grund des Anspruchs richtete. Die (zugelassene) Rev. des Beklagten hatte keine Erfolg.

Das Oberlandesgericht gründete sein Urteil auf die Bestimmung des § 324 BGB, wonach die Kläger ihren Anspruch behalten habe, da ihre Leistung infolge eines vom Beklagten zu vertretenden Umstands unmöglich geworden sei.

Der BGH ist im Ergebnis, aber nicht in der Begründung, dem Oberlandesgericht gefolgt. Mit Recht sieht das Oberlandesgericht in dem Vertrag einen Werkvertrag und zwar ein absolutes Fixgeschäft, das nicht mehr nachgeholt werden kann und dessen Erfüllung deshalb unmöglich geworden ist. Auf ein Verschulden des Klägers, das unstreitig nicht vorlag, komme es nicht an, da der Gläubiger auch dann für das Leistungshindernis einzustehen habe, wenn es wie hier in seinem Risikobereich liege.

Demgegenüber stützt der BGH sein Urteil auf den Rechtsgedanken des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach der Unternehmer nur seine effektiven Auslagen ersetzt verlangen kann, wenn das Werk infolge eines Mangels des vom Besteller gelieferten Stoffs unausführbar geworden ist.

Nach herrschender Meinung (vgl. die Nachweise bei Helmut Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei Zweckstörungen im Schuldverhältnis 1971 S. 36 Fußn. 80 und 85 und Volker Beuthin, Zweckstörung und Zweckerreichung im Schuldverhältnis, 1969, S. 128 Fußn. 221) enthält der § 645 Abs. 1 S. 1 BGB eine besondere Gefahrtragungsregelung, die zumindest auch die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit der Leistung umfasst und die für ihren Anwendungsbereich der allgemeinen Regelung der §§ 323ff. BGB vorgeht (vgl. auch Urteil des VII. ZS vom 11. 3. 1965 - VII ZR 174/63 -). Dabei ist die Vorschrift nicht, wie Beuthin (aaO S. 73, 89,128) und Palandt/Thomas (BGB, 31. Aufl. Anm. 4 zu §§ 644, 645 BGB) meinen, auf die Fälle zu beschränken, in denen die geschuldete Werkleistung nachhol bar bleibt. Das ergibt sich schon aus der Wortfassung des Gesetzes (unausführbar geworden). Anders als in den §§ 323 ff. BGB wird hier das Risiko In der Weise verteilt, dass der Unternehmer - unbeschadet eines Mehranspruchs bei einem etwaigen Verschuldens des Bestellers - lediglich einen Anspruch auf Ersatz seiner bereits aufgewendeten Kosten hat und sich damit zufrieden geben muss.

Nun mag es freilich etwas befremden, Menschen als Stoff anzusehen. Eine entsprechende Anwendung des § 645 BGB auf einen Fall wie den hier vorliegenden ist aber dennoch gerechtfertigt, denn von der Interessenlage aus gesehen kann es keinen Unterschied machen, ob der Transport einer Sache oder der eines Menschen unmöglich geworden ist.

Da die Kläger auf jeden Fall etwas zu fordern haben dürfte, ist das Grundurteil gerechtfertigt.

Über die Höhe des Anspruchs wird das Landgericht noch im Betragsverfahren zu entscheiden haben. Der BGH gibt aber hierzu einige Hinweise. Es ist natürlich nicht zu verkennen, dass die Vertragsparteien vertraglich eine andere Regelung treffen können, wie sich denn auch die Kläger auf die Wichtigen Hinweise (Geschäftsbedingungen) der T. GmbH & Co beruft. Dabei fragt es sich allerdings, ob diese Geschäftsbedingungen nur für das Rechtsverhältnis des Transportunternehmens zu dem Reisebüro oder auch für das Verhältnis der Prozessparteien gelten, wofür allerdings manches sprechen könnte. Gegebenenfalls wäre weiter zu prüfen, ob nicht unter den gegebenen Umständen (Feststellungen hierzu fehlen noch) die Ausbedingung einer Stornogebühr von 75 % ohne Rücksicht auf die effektiven Auslagen und Verluste der Kläger gegen § 242 BGB verstößt. Erwähnt sei auch noch, dass die Kläger für den Beklagten eine Reiseausfallkostenversicherung abgeschlossen hat, die Versicherungsgesellschaft sich aber weigert, Ersatz zu leisten, da der hier vorliegende Fall nicht unter den Versicherungsschutz falle, eine Frage, zu der man zumindest auch verschiedener Meinung sein kann.