Sozialversicherungsleistungen

Steht ein Erwerbsloser, der Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezieht, infolge einer Körperverletzung dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung und verliert er dadurch seinen Anspruch auf die Arbeitslosenunterstützung, so entsteht ihm auch dann ein Erwerbsschaden, wenn er auf Grund seiner verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankengeld aus der Sozialversicherung in gleicher Höhe erwirbt. In diesem Umfang geht der dem Arbeitslosen gegen den Schädiger zustehende Ersatzanspruch auf den Sozialversicherungsträger über.

Anmerkung: Ein bei einem Verkehrsunfall verletzter Arbeitsloser hatte für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit anstelle der zuvor bezogenen Arbeitslosenhilfe in gleicher Höhe Krankengeld von der kl. Betriebskrankenkasse erhalten. Diese verlangte nun von dem Haftpflichtversicherer des Schädigers aus übergegangenem Recht nach der im Zeitpunkt des Unfalls noch geltenden Vorschrift des § 1542 RVO im Rahmen eines Teilungsabkommens die Erstattung ihrer Aufwendungen in Höhe des dort vereinbarten Prozentsatzes. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der BGH hat auf die Sprungrevision der Kläger den beklagte Versicherer antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.

I. Der VI. Zivilsenat legt zunächst dar, dass dem Verletzten durch den Unfall ein gemäß §§ 823 1 BGB, 7 I StVG zu ersetzender Vermögensschaden entstanden ist.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kommt allerdings der Arbeitskraft als solcher kein Vermögenswert zu; ihr Wegfall allein stellt deshalb auch bei normativer Betrachtung keinen Schaden im haftungs- rechtlichen Sinne dar (Senatsurteil BGHZ 54, 45 [49ff.] = NJW 1970, 1411 = LM § 249 [A] BGB Nr. 26 m. Anm. Weber und LM § 1278 RVO Nr. 1 = VersR 1977, 130 [131] m.w. Nachw.). Aus diesem Grunde entsteht demjenigen, der nur von seinem Vermögen oder seiner Rente lebt, arbeitsunwillig oder ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erwerbslos ist, allein durch den Verlust seiner Arbeitsfähigkeit noch kein ersatzpflichtiger Schaden (BGHZ 54, 45 [52] = LM § 249 [A] BGB Nr. 26 = NJW 1970, 1411).

2. Die Ersatzpflicht greift jedoch ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist (Senatsurteil BGHZ 54, 45 [50] und LM § 1278 RVO Nr. 1 = VersR 1977, 282 m. w. Nachw.). Ein solcher liegt nicht nur in dem Verlust von Arbeitseinkommen; der Erwerbsschaden i. S. der §§ 842, 843 BGB, 11 StVG umfasst vielmehr alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann, die also der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit seiner Person mit sich bringt. Ein derartiger Vermögensschaden entsteht auch einem Erwerbslosen, der Arbeitslosengeld (§§ 100ff. AFG) oder Arbeitslosenhilfe (§§ 134 ff. AFG) erhält, weil das Gesetz ihn wegen seiner Arbeitsfähigkeit und Bereitschaft zur Arbeitsleistung als weiterhin in den Arbeitsmarkt eingegliedert ansieht, und der diesen der Existenzsicherung zugrunde gelegten Status und die damit verbundenen sozialen Leistungsansprüche verliert, wenn er unfallbedingt arbeitsunfähig wird.

a) Der Rechtsanspruch auf Arbeitslosenunterstützung findet seine Grundlage nicht schon in der bloßen Tatsache der Arbeitslosigkeit. Er setzt voraus, dass der Arbeitslose arbeitsfähig ist und sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt (§§ 1001, 1341 Nr. 1 AFG), seine Arbeitskraft also dem Arbeitsmarkt anbietet (§§ 120, 132, 134IV AFG). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wird dem Arbeitslosen in Grenzen das soziale und von ihm regelmäßig nicht beeinflussbare Risiko der Arbeitslosigkeit abgenommen; die ihm gezahlte Unterstützung soll ihm einen (teilweisen) Ausgleich für entgangenen Arbeitsverdienst verschaffen. Das zeigt sich auch darin, dass sie sich in ihrem Umfang an der Höhe des gewöhnlich erzielten Arbeitsentgelts ausrichtet (§§1111, 1361 AFG). Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe treten insoweit an die Stelle des Arbeitsverdienstes; ihnen kommt-so gesehen-eine Lohnersatzfunktion zu (BSGE 26, 293 [295]; BT-Dr 8/4022 S. 89f.; BVerfGE31, 185 [193 zu B III] = NJW 1971, 1691). Der Verlust der Arbeitslosenunterstützung ist daher im weiteren Sinne als Erwerbsschaden anzusehen.

b) Da im Streitfall der infolge des Unfalls arbeitsunfähig Gewordene unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes keine Beschäftigung mehr ausüben konnte und deshalb der Arbeitsvermittlung nicht länger zur Verfügung stand, hatte er seinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe verloren (BSGE 46, 89 [94]). Eine diese bewilligende Entscheidung war nach § 1511 AFG in der hier anzuwendenden Fassung vom 25. 6. 1969 (BGBl I, 582) aufzuheben (BSG, SozR 4100 § 118 AFG Nr. 10 S. 56). In diesem Anspruchsverlust ist, wie der Senat unter Anführung zahlreicher Rechtsprechungs- und Literaturnachweise darlegt, trotz des Umstandes, dass der Erwerbslose nach dem Verkehrsunfall gemäß §§ 1821 Nr. 2 RVO, 1581 AFG in gleicher Höhe Krankengeld bezogen hat, ein ersatzpflichtiger Vermögensschaden zu sehen.

c) Der VI. Zivilsenat verkennt nicht, dass dann, wenn eine Sozialleistung durch eine andere abgelöst wird, dies ausschließlich in dem System der Sozialversicherung, d. h. in dem Verhältnis der beiden Sozialversicherungsleistungen zueinander, mit der Folge begründet sein kann, dass dem Schädiger der Wegfall der zunächst erbrachten Leistung haftungsrechtlich nicht zuzurechnen ist. Mit dieser Begründung hat der Senat bereits in mehreren Fallgestaltungen einen ersatzpflichtigen Schaden verneint (VersR 1977, 130 = LM § 1278 RVO Nr. 1: Schmälerung des Altersruhegeldes durch eine seine Funktion mitübernehmende Unfallrente; BGHZ 54, 377 = LM § 1542 RVO Nr. 71 = NJW 1971, 286: Zusammentreffen einer [niedrigeren] Waisenrente aus der Angestelltenversicherung mit einer [höheren] Waisenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter; VersR 1978, 861 = LM BundeskindergeldG Nr. 3: Ablösung des Kindergeldanspruchs durch einen Anspruch auf gleichhohe Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung; VersR 1983, 52 = LM § 1542 RVO Nr. 120: Ersatz des Kindergeldanspruchs durch einen Anspruch auf entsprechende Kinderzuschüsse zur Berufsunfähigkeitsrente). In solchen Fällen sind die Voraussetzungen zum Bezug der entfallenen Sozialleistungen auf Seiten des Berechtigten auch nach dem Schadensereignis an sich weiter gegeben; dass die anfänglichen Leistungen nach Eintritt der Voraussetzungen für den Bezug gleichwertiger anderer sozialer Leistungen, die demselben Zweck der sozialen Versorgung dienen, nicht länger erbracht werden, hat seine Ursache allein in dem Gesamtsystem der sozialen Sicherung, durch das ein Doppelbezug von Leistungen vermieden werden soll, die jede für sich ihrer Art nach den Lebensunterhalt sicherstellen. Bei derartiger Sachgestaltung steht der Wegfall der ursprünglichen sozialen Leistung mit der vom Schädiger verursachten Verletzung des sozial Versicherten lediglich in einem äußeren Zusammenhang, hängt mit ihr aber haftungsrechtlich nicht zusammen.

Schadensrechtlich anders zu beurteilen ist es jedoch, wenn der Anspruch eines Erwerbslosen auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe infolge unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit entfällt. Zwar spricht das Gesetz auch in den Fällen des § 1181 Nr. 2 AFG lediglich von einem Ruhen des Anspruchs des Arbeitslosen während der Zeit, für die ihm Krankengeld zuerkannt wird. Das bedeutet aber nicht, dass neben dem Anspruch auf Krankengeld an sich auch ein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung weiterbesteht; dieser ist vielmehr durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Verletzten und die dadurch weggefallene Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung entfallen. Die Anordnung des Ruhens hat deshalb in solchen Fällen nicht den Zweck, den Doppelbezug zweier nebeneinander gewährter Sozialleistungen zu verhindern, sondern die Bedeutung, den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung nach dem Ende des Krankengeldbezuges wieder aufleben zu lassen, ohne dass es erneut einer Meldung, eines Antrags und einer Bewilligung bedarf (BSGE 21, 286 [287]). Aus diesem Grunde wird insoweit nicht lediglich eine Sozialleistung in eine andere umgeformt; die beiden Leistungen bilden also nicht kraft sozialrechtlicher Regelung einer Einheit, bei der das Ruhen der einen mit der Gewährung der anderen in einer vom Gesetz angeordneten Abhängigkeit steht.

d) Wie der Senat näher darlegt, wird eine der Annahme eines Schadens entgegenstehende sozialrechtliche Verknüpfung des Krankengeldes mit der Arbeitslosenhilfe auch nicht durch die am 1. 1. 1981 in Kraft getretene und deshalb auf den hier vorliegenden Unfall aus dem Jahre 1980 ohnehin noch nicht unmittelbar anwendbare Vorschrift des § 105b I AFG geschaffen.

II. Der VI. Zivilsenat bejaht entgegen der Vorinstanz auch einen Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger (SVT) gemäß § 1542 RVO.

1. Das an den Verletzten gezahlte Krankengeld ist mit seinem ersatzpflichtigen Schaden sowohl zeitlich als auch sachlich kongruent dass dem Krankengeld eine sogenannte Lohnersatzfunktion zukommt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (Senatsurt., LM § 1542 RVO Nr. 88 = VersR 1976, 756 m. w. Nachw. und VersR 1977, 768 [770]; s. auch BGHZ 79, 26 [32] = LM § 839 [E] BGB Nr. 39 = NJW 1981, 623). Dasselbe gilt auch für das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe dass der Anspruch auf letztere nicht allein von der Vermittlungsfähigkeit des Arbeitslosen abhängt, sondern zusätzlich dessen Bedürftigkeit voraussetzt, macht trotz des dahinterstehenden Gedankens der Fürsorge (BGH, VersR 1965, 1167 [1168]) die Arbeitslosenhilfe nicht zu einer Leistung der Sozialhilfe. Sie knüpft vielmehr ebenso wie das Arbeitslosengeld an die Eingliederung des Anspruchsberechtigten in das Arbeitsleben an, wird ebenfalls nach dem Arbeitsentgelt bemessen und setzt keine Bedürftigkeit im Sinne der Sozialhilfevorschriften voraus (BSG, FEVS 29, 35 [37]). Die zusätzliche Voraussetzung der Bedürftigkeit beschränkt im Verhältnis zum Arbeitslosengeld lediglich den Kreis der Berechtigten. Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sind Ausfluss eines einheitlichen Systems gestufter Leistungen zur Sicherung gegen die finanziellen Folgen der Arbeitslosigkeit (BT-Dr 9/846, S. 47). Der Rechtsanspruch auf ihre Gewährung gilt kraft gesetzlicher Einordnung (§ 134 IV AFG) grundsätzlich als einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosenhilfe.

Dem Rechtsübergang des Schadensersatzanspruchs des Verletzten steht auch, wie der Senat abschließend ausführt, nicht die Erwägung entgegen, dass der Gesamtheit der Leistungsträger durch die Zahlung des Krankengeldes anstelle der zuvor gezahlten Arbeitslosenhilfe kein Schaden entstanden ist. Zum einen sind die an den Zahlungen beteiligten sozialen Leistungsträger im Verhältnis zum Schädiger nicht als Einheit anzusehen; zum anderen ist es fiir den Rechtsübergang nach § 1542 RVO aber auch nicht erforderlich, dass dem SVT eine unfallbedingte Mehrbelastung entsteht (Senatsurteil BGHZ 70, 67 [68f.] = LM § 1542 RVO Nr. 97 = NJW 1978,640).