Sparversicherung

Erträgnisse einer dem Unterhaltsberechtigten ausgezahlten Summe einer Lebensversicherung auf den Erlebens- und Todesfall (sog. Sparversicherung) sind nicht auf den ihm nach § 844 II BGB zu ersetzenden Schaden anzurechnen (Aufgabe von BGHZ 39, 249 = LM vorstehend Nr. 26).

Anmerkung: Der BGH befasst sich nur noch in seltenen Fällen mit den Unterhaltsersatzansprüchen der Hinterbliebenen gemäß § 844 II BGB. Das beruht einmal darauf, dass der Tatrichter den Unterhalt, der den Hinterbliebenen entgangen ist, unter Heranziehung der seine Schätzung erleichternden Vorschrift des § 287 ZPO ermitteln kann. Zum anderen wirkt sich das Entlastungsgesetz 1975 aus; nur selten sind in derartigen Prozessen rechtsgrundsätzliche Fragen zu entscheiden, kaum einmal ist das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis so untragbar, dass die Revision angenommen werden müsste (§ 554b ZPO). Im hier zu besprechenden Urteil hatte der BGH die Revision der Witwe und Tochter ihres bei einem vom Beklagten verschuldeten Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Ehemanns bzw. Vaters deshalb angenommen, weil er von seinem Urteil BGHZ 39, 249 = LM vorstehend Nr. 26 m. Anm. Hauß abgehen wollte: die Hinterbliebenen brauchen sich die Zinsen einer ihnen infolge des Todes ihres Ernährers angefallenen Versicherungssumme einer Sparversicherung nicht anrechnen zu lassen.

I. Ausgangspunkt des Problems ist die generelle Frage der Vorteilsausgleichung -eine Frage, die bei Schaffung des BGB angesichts ihrer Komplexität und Diffizilität bewusst der Lösung durch die Rechtsprechung überlassen worden ist (BGHZ 30, 29 [31] = LM § 249 [Ha] BGB Nr. 9 m. Anm. Hauß). Die Bestimmung des § 249 BGB - ohnehin Art und Weise der Ersatzpflicht eines Schädigers nur in groben Zügen regelnd - sagt darüber nichts, so dass man in den Kommentaren zu dieser Bestimmung nach den Ergebnissen der Rechtsprechung suchen muß, hier dann aber viel dogmatischen Streit und auch verwirrende Kasuistik findet. Zum Verständnis des neuen BGH-Urteils empfiehlt es sich, nicht nur das zu lesen, was er in BGHZ 73, 109 veröffentlicht hat, sondern auch das, was er in seinem Urteil einleitend grundsätzlich und allgemein zur Vorteilsausgleichung gesagt hat, also die vollständige Veröffentlichung in NJW 1979, 760ff. nachzulesen. Dies Gesamtbild läßt erkennen, dass der BGH die Vorteilsanrechnung eher verengt statt erweitert, nämlich lieber den Hinterbliebenen einen ihnen mit dem schadensstiftenden Ereignis zugewachsenen Vorteil (zusätzlich) belässt als ihn dem Schädiger zugutekommen zu lassen (vgl. zu dieser Tendenz auch das Urteil BGH, LM § 249 [Cb] BGB Nr. 22).

1. Bereits das RG hatte es für die Bejahung der Frage, ob sich der Geschädigte einen Vorteil anrechnen lassen müsse, nicht als genügend angesehen, dass der Vorteil durch dasselbe Ereignis verursacht worden war, sondern insofern (wenigstens!) eine adäquate Verursachung gefordert (.RGZ 146, 275 [278]). Demgegenüber hat der BGH schon in BGHZ 8, 325 [328] (= LM vorstehend Nr. 8 m. Anm. Delbrück) diesen Filter der Adäquanz als nicht genügend bezeichnet, sondern als das entscheidende Kriterium eine wertende Betrachtung verlangt: die Anrechnung müsse dem Geschädigten in seinem konkreten Schadensfall sowohl nach dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts (also des ihm vom Gesetz zugesprochenen konkreten Ersatzanspruchs) wie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der gesamten Interessenlage der Beteiligten zugemutet werden können (ähnlich BGHZ 54, 269 [272] = LM § 10 StVG Nr. 6 m. Anm. Pehle und zuletzt wieder der VII. Zivilsenat, BGHZ 60, 353 [358] = LM Allgemeine Geschäftsbedingungen Nr. 45 m. Anm. Rietschel und in BGHZ 74, 103 [114] = LM §676 BGB Nr. 20 m. Anm. Girisch). Der BGH wirft daher in seinem obigen Urteil die Frage auf, ob nicht überhaupt auf das (bei der Kausalitätsprüfung bekanntlich ohnehin nahezu überholte) Merkmal der Adäquanz auch bei der Vorteilsausgleichung verzichtet werden sollte - ein Gedanke, für den (mit Recht!) schon von Caemmerer, DAR 1970, 284 bei Fn. 11 eingetreten ist und für den sich jetzt wieder Rudioff in seiner Besprechung des neuen BGH-Urt., in: VersR 1979, 1153 mit Entschiedenheit einsetzt.

2. Jedenfalls, so sagt der BGH für den in seinem Urteil allein zur Entscheidung stehende Bereich der Anrechnung von Vorteilen der Hinterbliebenen auf ihren Unterhaltsersatzanspruch aus § 844 II BGB (selbstverständlich ebenso aus § 10 II StVG oder § 5 II HaftpflG 1978 oder § 35 II LuftVG usw.), ihnen könne nur bei solchen Vorteilen eine Anrechnung zugemutet werden, die mit ihrem Anspruch wegen Verlustes ihres Rechts auf Unterhalt so in Zusammenhang stehen, dass sie gewissermaßen zu einer Rechnungseinheit verbunden seien (so schon Thiele, in: AcP 1967, 193 [202]). In dieser letzteren Formulierung kommt ein wenig wieder der dogmatische Streit zum Vorschein, ob es sich bei der Vorteilsanrechnung nicht in Wahrheit bloß um eine Frage der Schadensberechnung handele (vgl. RGZ 103, 406 [408]), also Darlegungs- und Beweislast beim Gläubiger, und nicht um den Einwand der Vorteilsausgleichung, also Beweislast beim Schuldner - auch zu dieser Frage sagt das Urteil, wenn man es in NJW 1979, 760 (761) vollständig nachliest, für die Praxis Nützliches.

II. Bei der Vorteilsanrechnung auf Unterhaltsersatzansprüche spielt vor allem die Frage eine Rolle, ob und inwieweit Hinterbliebene, die mit seinem Tode zugleich seine Erben geworden sind (was nicht immer der Fall sein muß!), sich die ihnen angefallene Erbschaft anrechnen lassen müssen. Hier ist, wie schon BGHZ 8, 325 = LM vorstehend Nr. 8 klar gemacht hat, zu unterscheiden zwischen dem Stamm der Erbschaft und deren Erträgnissen. Aber auch hier kommt es auf den gegebenen Fall an; der oft zu lesende Satz, den Stamm der Erbschaft brauchten sich die Hinterbliebenen nicht anrechnen zu lassen, wohl aber die Erträgnisse, vereinfacht allzu sehr und ist, wird nach dem oben angeführten Grundsatz die Frage, ob dieser Vorteil angerechnet wird oder nicht, aufgrund einer Wertung beantwortet, für den jeweilig zu entscheidenden Fall ungerecht, daher nicht richtig.

In dem hier zu besprechenden BGH-Urteil ging es vor allem darum, ob sich die Hinterbliebenen die Erträgnisse anrechnen lassen mussten, die ihnen zum einen aus dem Wertpapier-Depot des Getöteten (Erblassers) zuflössen und zum anderen aus dem Kapital einer über rd. 90000 DM vom Getöteten abgeschlossenen Versicherung dass sie sich weder das Depot selbst noch die Versicherungssumme anrechnen lassen mussten, war außer Streit.

1. Hinsichtlich der Erträgnisse (Zinsen) aus den Wertpapieren hat der BGH an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass diese den Hinterbliebenen dann (ausnahmsweise) nicht anzurechnen sind, wenn sie der Erblasser zu seinen Lebzeiten nicht zur Bestreitung des Unterhalts verzehrt hatte, sie also, wäre er nicht getötet worden, den Vermögensstamm vermehrt haben würden (BGH, LM vorstehend Nr. 50). Da dies in jenem Rechtsstreit der Fall gewesen war - der Erblasser hatte sehr gut verdient -, durften die Hinterbliebenen sowohl den Stamm des Depots wie dessen Zinsen behalten.

2. Dasselbe hat der BGH - unter Aufgabe von BGHZ 39, 249 = LM vorstehend Nr. 26 m. Anm. Hauß- für die Zinsen aus der Lebensversicherung ausgesprochen. Bei ihr hatte es sich um eine sog. Sparversicherung gehandelt: sie war nicht nur auf den Todesfall (geschweige denn, was selten ist, auf Unfalltod) abgestellt, sondern auch auf den Erlebensfall; der BGH spricht daher von einer gemischten Lebensversicherung.

In BGHZ 39, 249 = LM vorstehend Nr. 26 hatte der Senat, gestützt auf versicherungstechnische Überlegungen, unterschieden zwischen der Risikoversicherung, bei welcher der Versicherer auch dann das vereinbarte Kapital auszahlen muss, wenn er, da der Versicherte unerwartet früh starb, nur sehr wenig an Prämien bezogen hat, und der „Sparversicherung, bei der der Versicherte selbst das Kapital ausgezahlt erhält, wenn er einen bestimmten vereinbarten Zeitpunkt erlebt, weil er auch auf diesen Versicherungsfall hin mit seinen Prämien gespart hatte. Insofern stellt diese Versicherung in der Tat eine durch laufendes Sparen angesammelte Kapitalbildung dar, weshalb sie im Todesfall nicht anders zu behandeln sein würde wie an die Hinterbliebenen vererbtes sonstiges Vermögen. Ersichtlich ist aber das Wagnis, das der Versicherer übernimmt, bei beiden Versicherungsarten nur teilweise verschieden, im Kern aber gleich; daher erschien es dem BGH bei erneuter Prüfung nicht gerechtfertigt, sie verschieden zu behandeln. Denn bei beiden stellt der Todesfall das Risiko dar, das der Versicherer (zu Lasten der Versichertengemeinschaft) übernimmt; im wesentlichen wird er diesem Risiko entsprechend seine Prämien kalkulieren und wird der Versicherte diese Prämien zahlen; dass er daneben mittels eines Teils seiner Prämien auch für seinen Erlebensfall spart, dürfte für beide Teile nicht ausschlaggebend sein. Im Hinblick auf den Erlebensfall muss der Versicherte freilich höhere Prämien aufwenden, als er sie für eine bloße Unfall-Lebensversicherung aufbringen müsste. Mit Recht weist aber der BGH darauf hin, dass es nicht befriedigend sein würde, wenn dem Schädiger wohl versagt werde, den Hinterbliebenen gemäß BGHZ 39, 251 [252] = LM vorstehend Nr. 26 die Zinsen aus der Risiko-Versicherung anzurechnen, für welche der Erblasser doch nur wenig hatte abzweigen müssen, er aber bei der weitaus teureren Sparversicherung den Hinterbliebenen die Zinsen anrechnen dürfe (dem zustimmend Emmerich in seiner Rezension des Urt., in: JuS 1979, 588 [589]).

Ebenso entscheidend für die Abkehr des Senats von BGHZ 39, 249 war die Einsicht, dass es bei der Streitfrage nicht um das versicherungstechnische Verhältnis zwischen Getötetem und seinem Versicherer geht, sondern um das Verhältnis zwischen den Hinterbliebenen und dem Schädiger. Und hier kommt es, wie oben dargestellt, nach der Rechtsprechung darauf an, ob der Schädiger daraus Nutzen für seine Ersatzpflicht ziehen soll, dass der Erblasser mit nicht unerheblichem finanziellen Aufwand gerade für den Fall seines Todes zur Sicherung seiner Hinterbliebenen Vorsorge getroffen hatte. Das aber hatte er offensichtlich nicht deshalb getan, um den für seinen Tod verantwortlichen Dritten zu entlasten! Der BGH kehrt damit zur Rechtsprechung des RG zurück, dem es zutreffend sinnwidrig erschienen war, wenn die Leistungen des Versicherers dem Schädiger zugutekämen, im Ergebnis also die Wirkungen einer Haftpflichtversicherung zugunsten des Schädigers einträten, bei der ein anderer (ohne dies zu wollen) die Prämien für den Schädiger bezahlt hätte (so RGZ 146 [289]; auch RG, DR 1944, 29 [30] und 1941, 275 = RdK 1941, 32; ähnlich auch schon RG, WarnRspr. 1917, 266). dass dies ausnahmsweise auch einmal anders sein kann, hat Rudioff in VersR 1979, 1152 (1153) dargetan.