Sterilisationseingriff - Versagerquote

Beweisgrundsätze hinsichtlich der Frage, ob eine Frau anlässlich eines Sterilisationseingriffs auf eine bei dieser Maßnahme eigentümlichen Versagerquote hingewiesen worden ist.

Zum Sachverhalt: Die Kläger Eheleute fordern von den Beklagten Schadensersatz, weil die Ehefrau trotz einer zum Zwecke der Unfruchtbarmachung durchgeführten Tubenligatur am 4. 9. 1977 ein weiteres Kind geboren hat. Die im Jahre 1941 geborene Kläger hatte bis zum Jahre 1974 bei drei Geburten vier eheliche Kinder zur Welt gebracht, von denen eines wieder verstorben war. Sie unterzog sich am 22. 5. 1974 wegen einer Lageveränderung der Gebärmutter einem operativen Ei- griff durch den Zweitbeklagte im Krankenhaus der Erstbekl., wobei jener persönlich liquidierte. Bei dieser Gelegenheit sollte auch die Sterilisation erfolgen. Die Kläger behaupten, der Zweitbeklagte habe den Sterilisationseingriff fehlerhaft durchgeführt. Außerdem seien sie nicht darüber aufgeklärt worden, dass trotz des Eingriffs noch die Möglichkeit einer Schwangerschaft bestanden habe. Die Kläger fordern von beiden Beklagten als Gesamtschuldner Zahlung des bis Ende 1978 von ihnen getragenen Unterhaltsaufwandes für das Kind sowie für die Zukunft Freistellung vom Unterhaltsaufwand, die Kläger ferner ein Schmerzensgeld wegen der ungewollten Schwangerschaft, die nach ihrer Behauptung zu behandlungsbedürftigen Depressionen geführt hatte. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der vom Senat angenommenen Revision sind gegeben, doch könnten teilweise Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage in ihrer jetzigen Form bestehen. Soweit die Kläger Freistellung von Unterhaltsansprüchen des Kindes begehren, erfüllt der Antrag nicht das Erfordernis der Bestimmtheit, das bei einer Leistungsklage auch Vollstreckungsfähigkeit voraussetzt. Indessen bietet sich insoweit die Umdeutung in einen zulässigen Feststellungsantrag an.

Das Berufsgericht dürfte, da es in eine tatsächliche Prüfung eingetreten ist, davon ausgehen, dass ein Arzt, der die Geburt eines der Familienplanung widersprechenden Kindes schuldhaft verursacht hat, wegen des dadurch ausgelösten Unterhaltsaufwandes schadensersatzpflichtig sein kann.

Das ist zutreffend. Dort ist allerdings auch ausgeführt, dass der Schadensersatz nicht immer den gesamten Unterhaltsaufwand umfasst; das kann jedenfalls in gehobenen wirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie bei den Kläger vorzuliegen scheinen, von Bedeutung sein. Ferner ist dort klargestellt, dass der Ersatzanspruch nur gegeben ist, wo ein weiteres Kind aus Gründen der Familienplanung hatte vermieden werden sollen. Das ist wenigstens dann nicht selbstverständlich, wenn der Sterilisationseingriff, wie hier, in erster Linie die Gefährdung der Frau durch eine weitere Schwangerschaft verhüten sollte. Damit wird das Berufsgericht, soweit es darauf ankommen sollte, entsprechende Feststellungen noch nachzuholen haben.

Der Senat hat ferner ausgesprochen, dass die Herbeiführung einer ungewollten Schwangerschaft selbst dann, wenn diese ohne pathologische Begleiterscheinungen verläuft, einen Schmerzensgeldanspruch der Frau auslösen kann.

Demnach kommt es zweifelsfrei in Frage, dass der zweitbeklagte Chefarzt, soweit ihm ein Fehler zur Last fällt, der Kläger Ehefrau ein Schmerzensgeld schuldet. Unter den gleichen Voraussetzungen kann ihn auch eine vertragliche Schadensersatzpflicht gegenüber beiden Ehegatten wegen der diesen erwachsenen Unterhaltsbelastung treffen. Zwar waren im Zeitpunkt des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sterilisationseingriffes die vertraglichen Beziehungen bei einer klinischen Behandlung durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz vom 29. 6. 1972 und die Bundespflegesatzverordnung vom 25. 4. 1973, die schon in Kraft getreten waren, wenn auch nicht neu geregelt, wohl aber geprägt. Der Senat hat aber keine

Bedenken, soweit nach dem neuen System ein zur Privatliquidation berechtigter Krankenhausarzt dieses Recht auf Wunsch des Patienten ausübt, weiterhin von einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen Arzt und Patient auszugehen, wie dies bei dem hergebrachten gespaltenen Arzt/Krankenhaus-Vertrag der Fall war. Ein anderes bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen oder vertraglichen Regelung. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob weiterhin ein gespaltener Vertrag vorliegen kann, denn jedenfalls wäre sonst ein zu einem totalen Krankenhausvertrag hinzutretender Arztzusatzvertrag anzunehmen. Von einer unmittelbaren vertraglichen Verpflichtung des privatliquidierenden Klinikarztes gegenüber dem Patienten geht auch die wohl herrschende Meinung aus. Dagegen bleibt die Frage, inwieweit im vorliegenden Fall neben der Haftung des selbstliquidierenden Chefarztes auch noch eine solche des erstbeklagte Krankenhausträgers für von jenem selbst begangene Fehler in Frage kommt, gegebenenfalls der anderweiten Entscheidung des Berufsgericht überlassen. Diese Frage lässt sich, da von den erwähnten neuen Krankenhausnormen die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten in dem hier interessierenden Bereich nicht unmittelbar berührt werden, nur aufgrund der im vorliegenden Fall konkret getroffenen Vereinbarungen zwischen den Kläger und dem mitverklagten Krankenhaus beantworten. Insoweit ist bisher zu wenig festgestellt.

Das Berufsgericht hat indessen den Klaganspruch aus tatsächlichen Gründen abgewiesen.

Unter Bezugnahme auf die vom Landgericht in Anspruch genommene sachverständige Beratung vermag sich das Berufsgericht nicht davon zu überzeugen, dass die Erfolglosigkeit des Sterilisationseingriffs auf einer nicht sachgemäß durchgeführten Tubenligatur beruhe. Bei allen Sterilisationsmethoden bestehe vielmehr eine, wenn auch geringere, Versagerquote. Auch eine Haftung der Beklagten deshalb, weil die Kläger nicht auf die Möglichkeit eines Versagens hingewiesen worden wären, verneint das Berufsgericht Es meint zwar, hinsichtlich der den Eingriff rechtfertigenden Aufklärung, die hier auch den Hinweis auf die Versagerquote habe umfassen müssen, treffe grundsätzlich den Arzt die Beweislast. Diesen Beweis erachtet das Berufsgericht angesichts der sich widersprechenden Darstellungen der Parteien als nicht geführt. Indessen will es sich in freier Beweiswürdigung überzeugen, dass die Kläger auch bei entsprechendem Hinweis den Eingriff hätte durchführen lassen. Die Verwendung zusätzlicher Verhütungsmittel, die die Kläger angedeutet hätten, würde nach der Überzeugung des Senats keine entscheidend größere Sicherheit geboten haben.

Mit dieser Begründung hält das angefochtene Urteil dem Revisionsangriff nicht stand. Der Senat vermag auch derzeit nicht zu beurteilen, ob die von den Vorderrichtern gewonnene Entscheidung wenigstens im Ergebnis Bestand haben wird, so dass es der Zurückverweisung an das Berufsgericht bedarf.

Die Ausführungen des Berufsgericht zu der Frage, ob die Kläger über das Bestehen einer Versagerquote angemessen unterrichtet worden sind, sind in mehrfacher Hinsicht von Rechtsirrtum beeinflusst, wobei allerdings derzeit nicht gesagt werden kann, ob sich dies im Ergebnis zum Nachteil der revisionsführenden Kläger ausgewirkt hat.

Sicher zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufsgericht, wonach den Zweitbeklagte als Operateur die Pflicht traf, auf eine aus der Literatur bekannte, wenn auch geringe Versagerquote bei dem beabsichtigten Sterilisationseingriff hinzuweisen. Das Interesse der Kläger an dieser Belehrung war offensichtlich, und irgendwelche Gründe, die es rechtfertigen konnten, sie ihnen - insbesondere etwa aus therapeutischen Gründen der Kläger - vorzuenthalten, sind nicht ersichtlich. Auch die Beklagten stellen das nicht in Frage, behaupten vielmehr, ein entsprechender Hinweis sei tatsächlich gegeben worden.

Unrichtig ist es dagegen, wenn das Berufsgericht die Verpflichtung zu diesem Hinweis den Grundsätzen unterstellen will, die dann gelten, wenn der Patient eine ärztliche Aufklärung über Wesen und Risiko einer geplanten Behandlung erhalten muss, damit dieser Eingriff in seine körperliche Integrität durch eine auf hinreichendem Wissen beruhende Einwilligung gerechtfertigt wird. Indessen würde es hier darum nur gehen, wenn etwa in Frage stünde, dass die Kläger mit Rücksicht auf eine gewisse Unsicherheit des beabsichtigten Erfolgs unmittelbar gesundheitliche Risiken des Sterilisationseingriffes gescheut haben würde.