Sterilisationseingriff

Führt das Fehlschlagen eines Sterilisationseingriffs zur Geburt eines aus Gründen der Familienplanung unerwünschten gesunden ehelichen Kindes, dann kann die daraus der Mutter erwachsende Unterhaltsbelastung zu einem Schadensersatzanspruch gegen den für die fehlerhafte Operation Verantwortlichen führen.

Führt ein Fehler des Arztes bei der aus Gründen der Familienplanung gewünschten Sterilisation einer Ehefrau zur Geburt eines Kindes, dann können sich daraus auch Ersatzansprüche des dadurch mit Unterhaltspflichten belasteten Ehemannes ohne Rücksicht darauf ergeben, ob er am Arztvertrag beteiligt war.

Grundsätze für Höhe und Dauer des Schadensersatzanspruches der Eltern wegen. Unterhaltsbelastung durch ein ungewolltes eheliches Kind.

Die Herbeiführung einer ungewollten Schwangerschaft bei einer Frau stellt eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar.

Anmerkung: In den beiden Urteilen hatte sich der VI. Zivilsenat erstmals mit dem bereits vieldiskutierten Problem zu befassen, dass mit der rethorischen Frage Kind als Schaden? mehr feulletonistisch als präzise umschrieben wird. Dabei handelt das Urteil I im Wesentlichen von der Frage, ob ein solcher Schadensersatzanspruch (wegen des wegen einer planwidrigen Geburt erwachsenen Unterhaltsaufwandes, um den es im wesentlichen geht) überhaupt denkbar ist, und bejaht sie entgegen einer verbreiteten Meinung in Literatur und auch Rechtsprechung. Das Urteil II befasst sich vor allem mit dem Problem der Bemessung des Schadensersatzes, die wegen der Umstände, die diesen Bereich überhaupt kontrovers machen, besondere Schwierigkeiten bietet, Dabei entscheidet sich der BGH für eine im Licht des allgemeinen Schadensrechts zunächst überraschende einschränkende Lösung, deren Rechtfertigung er aus der hier gegebenen Überschneidung von Schadens- recht und Familienrecht entnimmt.

Tatbestandlich ist festzuhalten, dass es in beiden Urteilen um einen objektiv fehlerhaften Sterilisationseingriff geht, der statt am Eileiter am. Mutterband vorgenommen worden ist. Auch die Schuldhaftigkeit des Fehlers stand für das Revisionsgericht bindend fest. Damit war nicht darüber zu entscheiden, inwieweit bei gewissen Sterilisationsmethoden mit einer unvermeidlichen Fehlerquote gerechnet werden muss.

Zum anderen handelte es sich in allen Fällen um gesunde eheliche Kinder: Auch dadurch wurde das Problem gewissermaßen auf den Modellfall reduziert, während sich die Rechtsprechung späterhin noch mit besonderen Schwierigkeiten zu befassen haben mag, die sich aus anderen Konstellationen ergeben können.

Die Frage, ob solchenfalls ein Schadensersatzanspruch ausgelöst werden kann, hat das Urteil I in eingehender Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegenmeinung, die das Berufungsurteil fast, vollständig zusammengefasst hatte, bejaht. Es erschien ausschlaggebend, dass eine Rechtsordnung, die die Familienplanung aus wirtschaftlich-sozialen Erwägungen billigt, dann, wenn diese Planung durch das Verschulden eines Dritten gestört wird, einen Ersatzanspruch nicht regelwidrig versagen kann. Gerade in den zu entscheidenden Fällen war der Verzicht auf weitere Kinder angesichts der besonderen Umstände ohne weiteres einsehbar, ja objektiv vernünftig; demgegenüber erwiesen sich die Argumente derer, die einen Ersatzanspruch grundsätzlich ablehnen wollen, als teils logisch nicht nachvollziehbar, teils auf einem allgemeinen Rechtskonsens nicht zugänglichen Erwägungen beruhend. - Inwieweit der Grundsatz bei ganz anders gelagerten Fällen noch gewisse Modifikationen zuläßt, wird vielleicht von der späteren Rechtsprechung zu klären sein.

Wichtig erscheint es auch, festzuhalten, dass sich die Entscheidungen ausdrücklich auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch beschränken. Damit wird die schwierige Frage, ob sich der Anspruch auch auf besondere, deliktisch geschützte Rechtsgüter stützen ließe, ausgeklammert. Ausdrückliche Zweifel äußert der Senat dagegen, dass es sachgemäß sei, den Schadensersatzanspruch an die Körperverletzung der Mutter anzuknüpfen, die er in der Tat in der Herbeiführung einer physiologisch ungestörten, aber ungewollten Schwangerschaft erblickt.

Der vertragliche Schadensersatzanspruch soll ohne Rücksicht auf die konkrete Vertragsgestaltung bei ehelichen Kindern im Zweifel beiden Eltern zustehen.

Vielleicht am wichtigsten sind die vor allem im Urteil II ausgeführten Grundsätze für eine Beschränkung der Ersatzfähigkeit.

Der BGH erblickt die Hauptschwierigkeiten, die die Einordnung des Unterhaltsaufwandes als Schaden bereitet, darin, dass dieser Aufwand andererseits in der familienrechtlichen Konstellation seine volle Rechtfertigung findet. Hier liegt eine Gegengesetzlichkeit zwischen der Sicht des jedem synallagmatischen Denken fremden Familienrechts, und den deliktsrechtlich relevanten schweren Nachteilen wirtschaftlich-sozialer Art, die von der Durchkreuzung der Familienplanung drohen können. Der erkennende Senat hätte hier lieber eine rechtsgestaltende Initiative des Gesetzgebers gesehen, glaubte sich aber wegen deren Ausbleibens nicht zur Rechtsverweigerung befugt.

Der Senat hat andere Möglichkeiten zur Überbrückung der Antinomie erwogen, sich aber dann für eine Lösung entschieden, die jedenfalls den Vorzug der Übersichtlichkeit und Praktikabilität besitzt: Die Eltern, deren Familienplanung widerrechtlich gestört worden ist, erhalten nur, aber auch immer, einen am Regelunterhalt orientierten Basisbetrag. Auf diese notwendig etwas schematische Weise wird eine Abgrenzung versucht gegenüber demjenigen Bereich, in dem der familienrechtliche Gedanke der Teilhabe des Kindes an einem gehobenen wirtschaftlichen Niveau der Familie in den Vordergrund tritt.

Damit sind wichtige Weichen gestellt. Weitere bleiben, wenn der Gesetzgeber erwartungsgemäß untätig bleibt, für die Rechtsprechung noch zu stellen. Sonderprobleme sind vor allem bei der Geburt geschädigter, etwa mongoloider Kinder zu erwarten, vor allem, wenn die Sterilisation gerade das hatte verhindern sollen. Allgemein schließen die bisher aufgestellten Grundsätze eine zeitliche und sachliche Ausdehnung des Ersatzumfanges nicht aus für Fälle, in denen die planwidrigen Kinder nicht erwerbsfähig oder pflegebedürftig sind.