Steuerforderungen

Mitwirkendes Verschulden des Steuerpflichtigen an der Vollziehung eines unbegründeten Steuerarrests.

Zum Sachverhalt: Der Kläger befasste sich früher u. a. damit, Hausgrundstücke aufzukaufen und nach Umbau mit Gewinn weiterzuveräußern. Im Frühsommer 1968 führte das Finanzamt bei ihm eine Betriebsprüfung durch. Der Prüfer kam dabei zu dem Ergebnis, dass voraussichtlich 84000 DM an Einkommenssteuer und 8400 DM an Kirchensteuer nachzufordern seien. Bei Erörterung dessen erregte sich der Kläger sehr und erklärte, er werde eher alles kaputtschlagen, bevor das Finanzamt einen Pfennig bekomme. Daraufhin ordnete das Finanzamt im Juli 1968 gemäß § 378 AO den Arrest in das Vermögen des Klägers an. In Vollziehung dieses Arrests wurden zwei dem Kläger gehörige Grundstücke mit Sicherungshypotheken belastet. Auf seine Klage wurden die Arrestanordnung und eine sie bestätigende Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion durch Urteil des FG vom 22. 1. 1969 aufgehoben. Nach den Gründen des Urteils hatte ein Arrestanspruch nur in Höhe von 58800 DM bestanden. Einen Arrestgrund hat das FG verneint, weil die Äußerungen des Klägers, wie es nach Beweiserhebung feststellte, nicht ernst zu nehmen gewesen seien. Aufgrund der daraufhin im April 1969 vom Finanzamt erteilten Löschungsbewilligung wurden die Sicherungshypotheken gelöscht. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Ersatz des ihm aus der Vollziehung des Arrests angeblich entstandenen Schadens. Er behauptet, dass ihm durch die auf dem Arrestvollzug beruhende Schmälerung seiner Kreditmöglichkeiten ein gewinnbringendes Geschäft entgangen sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat den vom Kläger behaupteten Schaden nicht für erwiesen erachtet. Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das nunmehr angefochtene zweite Berufungsurteil hat den Klaganspruch für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Die Revision des beklagte Landes hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: Das angefochtene Urteil kann aber keinen Bestand haben, soweit es ein Mitverschulden des Klägers an dem ihm erwachsenen Schaden verneint.

Das Berufungsgericht führt insoweit aus:

Es erscheine schon zweifelhaft, ob der Kläger die Pflicht gehabt habe, die Drohungen gegenüber dem Betriebsprüfer zu unterlassen, und ob eine etwa dahin gehende Pflicht auf die Verhinderung des eingetretenen Schadens gerichtet gewesen wäre. Jedenfalls habe der Kläger im Zeitpunkt seiner in Erregung gemachten Äußerungen weder die Maßnahmen des Finanzamtes noch die späteren Entscheidungen der Kreditinstitute auch nur in groben Umrissen vorhersehen können.

Ein Mitverschulden des Klägers liege auch nicht darin, dass er nicht mit der gebotenen Intensität auf einem Rangrücktritt bei den Arresthypotheken hingewirkt habe. Denn nicht deren Rang, sondern ihre Eintragung schlechthin habe weiteren Kredit vereitelt.

Sodann liege kein Mitverschulden darin, dass der Kläger, statt gleich Klage zum Finanzamt einzureichen, zunächst den Beschwerdeweg zur Oberfinanzdirektion angetreten habe.

Die Erwägungen zu bb und cc lassen keinen Rechtsirrtum erkennen und werden auch von der Revision nicht angegriffen.

Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin gefolgt werden, dass es ein Mitverschulden des Klägers an dem Schaden, der ihm aus dem Arrest erwachsen ist, auch insoweit verneint, als er dem Betriebsprüfer gegenüber gedroht hat, er werde alles kaputtschlagen, bevor das Finanzamt einen Pfennig bekomme, d. h. durch Vernichtung seines für eine Vollstreckung von Steuerforderungen verfügbaren Vermögens deren Befriedigung vereiteln. Dass insoweit ein Mitverschulden des Klägers an dem ihm erwachsenen Schaden nahe liegt, hat der Senat schon in seinem früheren Revisionsurteil in dieser Sache abschließend bemerkt. Demgegenüber sind die Ausführungen des jetzt angefochtenen Urteils nicht stichhaltig.

Zunächst ist schon die Fragestellung verfehlt, ob der Kläger eine Pflicht gehabt habe, seine Drohung gegenüber dem Betriebsprüfer zu unterlassen. Soweit es um das in § 254 BGB als anspruchsmindernd vorausgesetzte Verschulden gegen sich selbst geht, kommt es nicht darauf an, ob das betreffende Verhalten von der die Beziehungen zu anderen regelnden Rechtsordnung missbilligt oder gar kriminalisiert wird. Es fragt sich nur, ob dem Geschädigten ein eigenes Verhalten zur Last zu legen ist, das den später eingetretenen Schaden - für ihn erkennbar - begünstigte und ihm vor allem deshalb auch von dem Schädiger billigerweise entgegengehalten werden kann. Denn die Regelung des § 254 BGB ist eine Ausprägung der in § 242 BGB verankerten Grundsätze.

Die letztere Frage ist hier entgegen dem angefochtenen Urteil zu bejahen. Die Äußerung gegenüber dem Betriebsprüfer hat der Kläger rechtlich zu verantworten, auch wenn er sie in einem Zustand der Erregung gemacht haben mag Dass er sich in einem Zustand krankhaft gestörter Geistestätigkeit befunden hätte, hat weder der Kläger selbst behauptet noch das Berufungsgericht festgestellt. Inhaltlich besagte seine Äußerung, dass sich der Kläger durch Vernichtung von für die Vollstreckung von als berechtigt befundenen Steuerforderungen verfügbaren Werten der Befriedigung dieser Forderungen entziehen wolle. Dass die Drohung - gleich ob sie ernst gemeint war oder nicht - nach dem Willen des Klägers in diesem Sinne und nicht nur als Kraftspruch oder Unmutsäußerung verstanden werden sollte, verdeutlicht sein anschließender Hinweis auf den Kaufmann P, dem es ebenfalls gelungen sei, sein Vermögen dem Zugriff des Finanzamts zu entziehen... Dieses angedrohte Verhalten hätte zwar, weil von Vernichtung und nicht von Beiseiteschaffen die Rede war, den Tatbestand des § 288 StGB nicht erfüllt. Darauf kommt es aber nach dem zuvor Bemerkten ebenso wenig an wie auf den Umstand, dass das angedrohte Verhalten gegenüber dem Gläubiger der Steuerforderung in der Tat analog den im Zivilrecht für die positive Forderungsverletzung geltenden Grundsätzen rechtswidrig gewesen wäre. Dass diese Rechtswidrigkeit nicht nur die Tat, sondern auch ihre ausdrückliche Androhung umfasst, liegt nahe, ist aber ebenfalls nicht entscheidend. Es genügt nämlich schon die Tatsache, dass sich der voll zurechnungsfähige Kläger nicht nur der Ungehörigkeit seiner Drohung bewusst sein musste, sondern auch ihrer Eignung, den Steuergläubiger zur Abwehr gegen die angedrohte. Vereitelung der Zwangsvollstreckung zu motivieren. Wie sich diese Reaktion dann im Einzelnen abspielen würde, davon brauchte er sich keine näheren Vorstellungen zu machen. Da er sich demnach sowohl der Ungehörigkeit als auch des provokativen Charakters seiner Drohung bewusst sein musste, verlangt es auch die Billigkeit, ihm diesen Verursachungsbeitrag gegenüber dem beklagte Land anzulasten.

Da zu der entscheidenden Frage weitere tatsächliche Erhebungen nicht erforderlich erscheinen, kann das Berufungsgericht die für die Bemessung des Verursachungsbeitrags des Klägers erforderliche Abwägung, die an sich Sache des Tatrichters ist, selbst vornehmen. Dabei gilt es aber in Betracht zu ziehen, dass einer Behörde in besonderem Maße die Pflicht zukommt, auch gegenüber unbesonnenen und selbst bösartigen Reaktionen des gewaltunterworfenen Bürgers die Objektivität ihrer Entscheidung zu wahren. Damit müssen ihr in gewissem Umfang auch Abwehrmaßnahmen zum Vorwurf gereichen, die bei einem Privatgläubiger noch hingenommen werden müssten. Diese Erwägungen, die im Rahmen der Abwägung nach § 254 BGB auch bei der an sich schuldunabhängigen Gefährdungshaftung des § 945 ZPO Bedeutung gewinnen, rechtfertigen es, den Kläger wegen seines selbstgefährdenden Verhaltens hier gegenüber dem beklagte Land nur mit einem Fünftel des Gesamtschadens zu belasten.