Stiftungsaufsicht

Einem Beamten, der mit der Wahrnehmung der staatlichen Stiftungsaufsicht betraut ist, obliegt diese Aufsicht als Amtspflicht auch gegenüber der Stiftung selbst.

Hat bei der Entstehung eines Schadens, der der Stiftung durch Verletzung der Aufsichtspflicht erwachsen ist, ein Verschulden des Stiftungsvorstandes mitgewirkt, so kommt eine Anwendung des § 254 BGB in Betracht.

Anmerkung: In dieser Sache hatte der BGH über einen Amtshaftungsanspruch zu entscheiden, den eine Stiftung daraus herleitete, dass der Träger der staatlichen Stiftungsaufsicht seine Aufsichtspflicht vernachlässigt habe. Soweit ersichtlich, hatte ein vergleichbarer Sachverhalt in der höchstrichterlichen Rechtssprechung zuvor nicht zur Entscheidung gestanden. Schon aus diesem Grunde ist die Entscheidung für die Entwicklung des Stiftungsrechts wichtig. Darüber hinaus spricht sie weitere Fragen an, deren Bedeutung über den entschiedenen Fall hinausreicht.

Eine Berliner Ärztin hatte einen eingetragenen Verein zu ihrem Erben eingesetzt und bestimmt, ihr Nachlass solle einer zu errichtenden Stiftung übertragen und für der Allgemeinheit zugute kommende, dem Alkoholismus vorbeugende Maßnahmen verwendet werden. Die Stiftung wurde im Jahre 1952 errichtet. Nach ihrer Satzung hat sie den Zweck, vorbeugende Maßnahmen zur Bekämpfung des Alkoholismus durchzuführen, insbesondere alkoholfreie Gaststätten einzurichten. In besonders notwendigen und geeigneten Fällen kann der Vorstand mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde das Stiftungskapital angreifen. Er ist nicht berechtigt, den Zweck der Stiftung zu ändern.

Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, den Stiftungszweck zu verwirklichen, richtete der Stiftungsvorstand im Jahre 1956 in einem Berliner Nachbarschaftsheim einen Mittagstisch für Rentner, Schüler und Studenten ein, der später um einen sog. fahrbaren Mittagstisch für Gehbehinderte erweitert wurde. Der Mittagstisch wurde von dem Frauenverein betrieben, im Wesentlichen aus Mitteln, die die Stiftung ihm dafür zur Verfügung stellte. Deren Vorstand beschaffte diese Mittel nicht nur aus den Erträgen des Stiftungsvermögens, sondern auch durch Verkauf von Wertpapieren, aus denen das Vermögen hauptsächlich bestand. Eine Rückzahlung dieser Mittel war weder vereinbart, noch war der selbst vermögenslose Frauenverein dazu imstande. Die staatliche Aufsichtsbehörde, der der Stiftungsvorstand jährlich über die Tätigkeit der Stiftung berichtete und Übersichten über Einnahmen und Ausgaben sowie Vermögensaufstellungen vorlegte, erhob zehn Jahre lang keine Beanstandungen. Als sie schließlich feststellte, dass die Stiftung mit dem Frauenverein keine Rückzahlung der ihm zur Verfügung gestellten Mittel vereinbart hatte, berief sie den Vorstand ab und bestellte einen Ersatzvorstand. Namens der Stiftung verklagte dieser die Mehrzahl der ehemaligen Vorstandsmitglieder auf Schadensersatz und erwirkte ein obsiegendes Urteil. Wegen des weitergehenden Schadens der Stiftung, für den nach seiner Behauptung von den ehemaligen Vorstandsmitgliedern Ersatz nicht zu erlangen war, nahm er Berlin als Dienstherrn der mit der Stiftungsaufsicht betrauten Beamten in Anspruch.

Ein Erfolg der auf Art. 34 GG, § 839 BGB gestützten Klage setzte zunächst voraus, dass die Stiftungsaufsicht den damit betrauten Beamten als Amtspflicht gegenüber der Stiftung selbst obliegt. Diese bisher höchstrichterlich nicht entschiedene Frage hat der BGH bejaht. Ausgehend von seiner Rechtsprechung, wonach sich aus dem Zweck der jeweiligen Amtspflicht ergibt, ob sie nicht allein die Interessen der Allgemeinheit und des Staates zu wahren bestimmt ist, sondern dem Beamten gerade einem bestimmten Dritten gegenüber obliegt, hat der Senat dabei auf folgende Umstände Gewicht gelegt: In einer Stiftung als einer juristischen Person ohne Mitglieder ist regelmäßig niemand vorhanden, der die Stiftungsorgane zur Beachtung der Satzung und der sonstigen für die Stiftung geltenden Bestimmungen anhalten könnte. Diese durch ihre juristische Konstruktion bedingte Besonderheit der Stiftung schafft das Bedürfnis, sie vor ihren eigenen Organen zu schützen, und ist einer der Gründe dafür, dass Stiftungen einer allgemeinen Staatsaufsicht unterworfen werden. Aus dem sich hieraus ergebenden Zwecken der Staatsaufsicht, die Stiftung vor Schädigungen zu schützen, hat der Senat den Schluss gezogen, dass sie Amtspflichten gegenüber der Stiftung begründet.

Diese Amtspflicht konnte im vorliegenden Fall dadurch verletzt worden sein, dass die Aufsichtsbehörde gegen eine satzungswidrige Verwendung des Stiftungsvermögens durch den Vorstand nicht eingeschritten war. Entscheidungserheblich war daher, ob der Betrieb des Mittagstisches überhaupt der Satzung entsprach und - wenn ja - ob dazu außer den Erträgnissen auch der Stamm des Stiftungsvermögens angegriffen werden durfte. In der Auslegung der Satzung war der BGH nach seiner Rechtsprechung an die tatrichterliche Auslegung nicht gebunden. In eingehenden Ausführungen hat der Senat den Betrieb des Mittagstisches allenfalls zu einem Teil als durch den Stiftungszweck gedeckt angesehen; die satzungsmäßigen Voraussetzungen, unter denen das Stiftungskapital angegriffen werden durfte, hätten keinesfalls vorgelegen. Da der Stiftungsvorstand seinerzeit Schwierigkeiten gehabt hatte, für die Mittel der Stiftung eine dem Willen der Erblasserin entsprechende Verwendung zu finden, hat der Senat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass solche Schwierigkeiten den Vorstand nicht berechtigen, den Stiftungszweck weniger genau zu beachten. Dessen Festlegung durch die Satzung soll den Stiftungsorgan einen eindeutigen und klar abgegrenzten Auftrag geben. Erweist er sich als undurchführbar, so dürfen keine anderen als die für diesen Fall durch Satzung oder Gesetz bestimmten Wege eingeschlagen werden. Das hatte das Berufungsgericht, das die Verwendung der Stiftungsmittel gebilligt hat, verkannt.

Aus den Hinweisen, die das aufhebende Urteil dem Berufungsgericht gibt, ist hervorzuheben:

Die Beurteilung des KG, Einrichtung und Betrieb des Mittagstisches sowie Verwendung des Stiftungskapitals zu diesem Zweck hätten der Satzung entsprochen, hindere es nicht, die Pflichtverletzung der Beamten als schuldhaft anzusehen. Die Richtlinie, ein Verschulden zu verneinen, wenn ein Kollegialgericht das Verhalten des Beamten als rechtmäßig angesehen hat, gelte hier nicht, weil es sich um Beamte einer zentralen Dienststelle handele, die mit dem von ihnen anzuwendenden Stiftungsrecht besonders vertraut sein müssten.

Jedoch komme die anspruchsmindernde Anrechnung eines mitwirkenden Verschuldens des Stiftungsvorstandes in Betracht. Die nicht ganz unproblematische Frage, ob der Träger der Stiftungsaufsicht, die - wie dargelegt - die Stiftung auch) vor ihren eigenen Organen schützen soll, - sich gegenüber einem Ersatzanspruch wegen Verletzung dieser Pflicht darauf berufen kann, dass zu dem Schaden eine Pflichtverletzung gerade eines solchen Organs beigetragen habe, hat der Senat nicht anders behandelt als die in der Rechtsprechung bereits entschiedenen Fälle eines mitwirkenden Verschuldens von gesetzlichen Vertretern wie Vormündern oder Pflegern.