Täuschung

In einer Massengesellschaft ist die Erklärung eines Konunanditisten, er fechte seinen Beitritt zur Gesellschaft wegen arglistiger Täuschung an, im Zweifel dahin aufzufassen, dass er - zumindest hilfsweise sein Gesellschaftsverhältnis aus wichtigem Grunde fristlos kündigen wolle.

1. Bei einem zwischen Altschuldner und Neuschuldner vereinbarten Schuldbeitritt kann der Neuschuldner dem Gläubiger in der Regel alle Einwendungen aus dem den Beitritt enthaltenden Vertrag entgegenhalten.

2. Hat ein Vertragspartner dem anderen vor Vertragsschluss vorsätzlich die eigene wirtschaftliche Bedrängnis verschwiegen,: obwohl er wusste, dass diese die Erreichung des Vertragszwecks vereiteln oder die Erfüllung wesentlicher Vertragspflichten ernsthaft gefährden konnte, so kann dies die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung rechtfertigen.

Zur Frage der Anfechtbarkeit eines Grundstückskaufvertrages wegen arglistiger Täuschung, wenn der Verkäufer ein Planungsvorhaben der Gemeinde verschwiegen hatte, zu dessen Verwirklichung das Grundstück herangezogen werden musste.

Zum Sachverhalt: Die Kläger kauften von dem Beklagten am 17. 10. 1972 ein Hausgrundstück in A. Auf den Kaufpreis zahlten sie bei Vertragsschluss 40000 DM. Der notarielle Vertrag enthält die Auflassung und entsprechende Eintragungsbewilligungen; zur Umschreibung im Grundbuch ist es nicht gekommen.

Nach Vertragsschluss erfuhren die Kläger, dass die Stadt A. beabsichtigte, das Kaufgrundstück für Straßenbauzwecke heranzuziehen. Sie haben daraufhin ihre Kauferklärungen wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Grundstücks und wegen arglistiger Täuschung angefochten. Sie berufen sich unter anderem auf eine Unterredung des geschäftsführenden Gesellschafters der Beklagte mit dem Stadtbaumeister vom 24. und ein Schreiben der Gemeinde vom 25. 5. 1972, in dem es u. a. heißt:

Das Ergebnis der heutigen Besprechung halten wir wie folgt fest: Zur verkehrsgerechten Einmündung der B.-Straße in die A.-Straße wird es in späterer Zeit erforderlich werden, dass die Stadt A. das Grundstück F1.Nr. 404/7 käuflich erwirbt. Die Verkaufsverhandlungen werden aufgenommen, sobald und soweit die Verkehrsbedeutung der B.-Straße eine Neugestaltung der Einmündung in die A.-Straße erfordert.

Auf den Antrag der Kläger hat das Landgericht festgestellt, dass der Kaufvertrag nichtig sei. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Zur Arglistanfechtung wird Berufungsurteil ausgeführt, eine Täuschung durch Verschweigen setze eine Pflicht zur Offenbarung voraus. Zwar habe der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagte gewusst, dass eine interne Planung des Stadtbauamts bestand, das Grundstück in späterer Zeit einmal käuflich zu erwerben, wenn die Verkehrsentwicklung das erfordere. Darin, dass die Kläger auf diese Planung nicht hingewiesen wurden, liege aber noch keine arglistige Täuschung. Die Aufklärungspflicht des Verkäufers dürfe nicht zu weit ausgedehnt werden; da beim Kauf beide Teile ihren Vorteil suchten, könne der Käufer nicht erwarten, dass der Verkäufer ungefragt alle Umstände offenbare, die für die Entschließung des Käufers von Bedeutung sein könnten. Jedenfalls gelte das für eine derart unverbindliche Planung des Stadtbauamtes. Anders wäre die Sache allenfalls zu beurteilen, wenn die Kläger erkennbar besonderen Wert darauf gelegt hätten, von Erwerbswünschen der Stadt auf alle Zeiten verschont zu bleiben

Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Zu Unrecht stellt der Berufungsrichter auf den Stand der Planung ab. Die Beklagte konnte die Kläger nur über die Umstände unterrichten, die ihr bekannt waren. Unter dem Gesichtspunkt der Offenbarungspflicht handelt es sich in erster Linie um die Bedeutung des nicht mitgeteilten Umstandes, dass die Gemeinde im Schreiben ihres Bürgermeisters sich auf eine Unterredung ihres Stadtbaumeisters bei der Beklagte bezogen und angekündigt hatte, sie werde an den Eigentümer des Grundstücks herantreten, sobald die Verkehrsentwicklung den Ankauf erfordere.

Dieses Schreiben der Gemeinde unterrichtete die Beklagte darüber, dass es sich nicht um unverbindliche Überlegungen des Stadtbauamts handelte. Vielmehr lag zutage, dass die Gemeinde mit der Ankündigung eigene Interessen verfolgte, indem sie der Beklagte nahe legte, wertsteigernde Verwendungen auf das Grundstück zu unterlassen oder in Grenzen zu halten. Vom Standpunkt des Eigentümers war die Ankündigung ein wesentlicher Umstand für alle Dispositionen auf lange Sicht. Das damalige Stadium der Planung, auf das der Berufungsrichter mit. der Feststellung abhebt, es habe noch kein entsprechender Bebauungsplan vorgelegen, aber auch andere von der Beklagte ins Feld geführte Umstände wie etwa die angebliche Finanzschwäche der Stadt oder die angeblich abweichende Auffassung höherer Planungs- und Aufsichtsbehörden musste der Eigentümer gegen die Ankündigung der Gemeinde abwägen, um sachgemäß disponieren zu können.

Da die Vorstellungen des Stadtbauamts ihren Niederschlag in einer inhaltlich bestimmten Ankündigung späteren Vorgehens der Gemeinde gefunden hatten und dieses Vorgehen den dauernden Besitz des Kaufgrundstücks gefährdete, gebot es die Redlichkeit im Rechtsverkehr, die Kläger auf die Unterredung und das Schreiben vom 24./25.,Mai hinzuweisen und, ihnen die Abwägung zu ermöglichen, die die Beklagte für sich in Anspruch nimmt und die nach ihrer Behauptung zu dem Urteil geführt hat, ernsthaft drohe kein Verlust des Grundstücks. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH besteht auch in Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte.

Zu Unrecht hat sich die Beklagte darauf berufen, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Kläger das Haus als Alterswohnsitz erwerben wollten und daher an einem dauernden ungestörten Besitz interessiert waren. Der Käufer eines Grundstücks hat ohne ausdrückliche und begründete Frage des Verkäufers keinen Anlass zu offenbaren, was er mit der Kaufsache zu tun gedenkt. Andererseits kann der Verkäufer nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Käufer mit der Absicht oder wenigstens in der Bereitschaft der Weiterveräußerung erwerbe und dass ihm des gegen an einem dauernden Besitz nicht liege. Ob die Beklagte die Ankündigung der Gemeinde in den Kaufverhandlungen dann hätte übergehen dürfen, wenn sie positive Anhaltspunkte dafür besaß, dass die Kläger eine Enteignung des Grundstücks oder einen Ankauf zur Vermeidung der Enteignung in Kauf nehmen würden, bedarf keiner Erörterung.

Von seinem Rechtsstandpunkt in der Frage der Offenbarungspflicht aus folgerichtig hat der Berufungsrichter nicht geprüft, aus welchen Gründen der Geschäftsführende Gesellschafter der Beklagte seine Verhandlungsbevollmächtigten nicht über die Ankündigung der Gemeinde unterrichtet und ihnen nicht aufgetragen hat, die Kläger darüber zu unterrichten. Arglistig i. S. des § 123 BGB war diese Unterlassung, falls er mit der Möglichkeit rechnete, dass die Kläger den Kaufvertrag überhaupt nicht oder nicht so, wie geschehen, abschließen würden, wenn dieser Umstand offenbart wurde. Folgerichtig fehlt es im Berufungsurteil auch an der Würdigung, wie sich die Kläger verhalten hätten, wenn ihnen der Inhalt der Ankündigung mitgeteilt worden wäre. Zur Klärung der hiernach offen gebliebenen Fragen war die Sache an den Tatrichter zurückzuverweisen.