Tarife

Zu den Voraussetzungen, unter denen dem Nachforderungsanspruch des Güternahverkehrsunternehmers auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem tarifmäßigen und dem vereinbarten Entgelt ausnahmsweise der Einwand der Arglist entgegengehalten werden kann.

Zum Sachverhalt: Die Kläger betreibt ein Unternehmen für Erdbewegungen und Transporte. Sie nimmt die Beklagte auf Nachzahlung von Frachtbeträgen nach dem Tarif für den Güternahverkehr in Anspruch. Die Klägerin hatte in der Zeit vom 6. 1. bis 28. 2. 1975 im Rahmen des Neubaus der Ortsumgehung einer Bundesstraße Erdbewegungsarbeiten durchgeführt. Sie war aufgrund eines von ihr am 10. 12. 1974 bestätigten Auftragsschreibens der Firma B vom 4. 12. 1974 tätig geworden; nach dem Inhalt des Auftrages war vorgesehen, ca. 240000 Kubikmeter feste Bodenmasse aus einer Sandgrube zu lösen, zu laden, zur Baustelle zu transportieren und dort lagenweise einzuplanieren. Träger der Straßenbaumaßnahmen war die Bundesrepublik, vertreten durch das örtliche Straßenbauamt, das die Beklagte - ein Bauunternehmen - mit der Durchführung der Erdarbeiten beauftragt hatte. Die Beklagte hatte ihrerseits für einen Teil der Arbeiten die Firma B eingeschaltet. Die Firma B wiederum hat die Arbeiten mit dem genannten Auftragsschreiben an die Kläger weitergegeben. Die Parteien streiten darüber, ob die Firma B im eigenen Namen oder für die Beklagte tätig geworden ist. Am 28. 2. 1975 beendete die Kläger ihre Tätigkeit vorzeitig wegen Differenzen über die Bezahlung. In einem von ihr beantragten Beweissicherungsverfahren stellte der Sachverständige unter Bezug auf ein von der Beklagte ohne Beteiligung der Kläger vorgenommenes Aufmass fest, dass die Kläger 120893 Kubikmeter Boden bewegt habe. Auf der Grundlage dieser Feststellungen und des vereinbarten Preises von 1,90 DM/Kubikmeter erteilte die Firma B der Beklagte am 30. 9. 1975 eine Rechnung, die von der Beklagte bezahlt wurde.

Die Kläger macht nunmehr gegen die Beklagte eine nach dem GNT berechnete Nachforderung geltend, über die sie der Beklagte am 3. 12. 1976 Rechnungen erteilt hat. Sie hat behauptet, sie habe den Auftrag von der Beklagte erhalten; die Firma B habe lediglich vermittelt. Im übrigen habe aber auch die Firma B ihre Forderung an sie abgetreten. Die Feststellungen des Sachverständigen im Beweissicherungsverfahren seien unrichtig; sie habe 169413 Kubikmeter nassen Sand auf einer mittleren Laststrecke von 1300 m transportiert und die in der Rechnung genannten Lade- und Planierarbeiten vorgenommen. Sie verlangt mit der Klage Zahlung von 355 003,30 DM. Die Beklagte hat behauptet, den Auftrag nicht der Kläger, sondern der Firma B erteilt zu haben; dabei seien ein Abtretungsverbot und außerdem die Geltung der VOB vereinbart worden. Der GNT sei nicht anwendbar, da es sich bei den Transportarbeiten im Verhältnis zu den weiter vorgenommenen Arbeiten nur um eine Nebenleistung gehandelt habe. Die Beklagte hat weiter die Höhe der Klageforderung bestritten. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen und ausgeführt, die Kläger sei nicht von der Beklagte, sondern von der Firma B beauftragt worden. Ein Anspruch aus abgetretenem Recht der Firma B bestehe nicht, weil die Firma B die Schlusszahlung der Beklagten auf die Rechnung vom 30. 9. 1975 vorbehaltlos entgegengenommen habe. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Nach Ansicht des Berufsgericht scheitern Ansprüche der Kläger aus eigenem Recht daran, dass - wie das Berufsgericht näher dargelegt hat - nicht die Beklagte, sondern die Firma B Vertragspartnerin der Kläger geworden sei. Gegenüber den Ansprüchen der Kläger aus abgetretenem Recht der Firma B hat das Berufsgericht den Einwand der Arglist durchgreifen lassen; dabei hat es offen gelassen, ob das von der Beklagte geltend gemachte Abtretungsverbot besteht und ob das GiiKG und damit der GNT überhaupt anwendbar ist. Nach Auffassung des Berufsgericht ist die Berufung auf den GNT arglistig, wenn zum einen für den Auftragnehmer erkennbar ist, dass die ihm übertragenen Arbeiten nur eine vergleichsweise untergeordnete Teilleistung einer insgesamt nicht dem GiiKG unterliegenden schuldrechtlichen Verpflichtung des Auftraggebers darstellt und dieser selbst nicht nach dem GNT abrechnen kann und wenn zum anderen der Auftragnehmer erst dann mit weitergehenden Forderungen auf der Grundlage des GNT an den Auftraggeber herantritt, nachdem er eine Schlussrechnung i. S. von § 16 Nr. 3 II VOB/Teil B ohne Vorbehalt entgegengenommen hat. Das Berufsgericht hat dazu im Einzelnen ausgeführt, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind. Es hat weiter gemeint, dass der Auftraggeber beim Zusammentreffen dieser Umstände darauf vertrauen könne, dass es mit der geleisteten Zahlung sein Bewenden habe und weitere Forderungen, die sich aus der Anwendung des GNT oder aber aus der Behauptung umfangreicherer Arbeiten ergeben könnten, nicht mehr gestellt würden. Das Streben des GiiKG und des GNT nach Tarifsicherung müsse in einem solchen Fall hinter dem Schutz des beim Auftraggeber erzeugten Vertrauens zurücktreten.

Die Angriffe der Revision, die sich allein gegen die Ablehnung eines Anspruchs der Kläger aus abgetretenem Recht der Firma B richten, haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufsgericht. Die Beurteilung des Berufsgericht, der Nachforderung nach dem Tarif für den Güternahverkehr, dessen Anwendbarkeit für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, stehe im Streitfall der Einwand der Arglist entgegen, begegnet rechtlichen Bedenken.

Das Berufsgericht hat nicht verkannt, dass auch im Güternahverkehr dem Nachforderungsanspruch des Unternehmers regelmäßig nicht der Einwand der Arglist entgegengehalten werden kann. Denn dem Gesichtspunkt der Tarifsicherung kommt auch hier - insbesondere wegen des Interesses der Allgemeinheit an der Erhaltung eines leistungsfähigen Güternahverkehrs - eine maßgebliche Bedeutung zu. Der Einwand der Arglist ist daher in der Regel dann ausgeschlossen, wenn beide Teile das tarifwidrige Entgelt in Kenntnis der Tarifwidrigkeit vereinbart haben. Die insoweit vom Berufsgericht getroffene Feststellung, es seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Vertragsparteien bewußt ein tarifwidriges Entgelt vereinbart haben, ist nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden. Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, worauf das Berufsgericht seine Feststellung stützt. Es hätte beachten müssen, dass nach der Lebenserfahrung ein Unternehmer, der in größerem Umfange mit Güternahverkehrstransporten zu tun hat, die Tarife auch kennt; zumindest muss er sich in einem solchen Falle von den Tarifvorschriften Kenntnis verschaffen, so dass er sich in jedem Falle so behandeln lassen muss, als ob er die Tarife gekannt hätte. Dies trifft im Streitfall sowohl auf die Firma B als auch auf die Beklagte zu. Denn nach den vom Berufsgericht in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen ist die Firma B ein auf die Ausführung von Erdarbeiten und Transportvermittlung spezialisiertes Unternehmen und hat daher ständig mit Transporten im Güternahverkehr zu tun. Der Auftrag der Beklagte umfasste eine Summe von mehr als 4 Mio. DM und erstreckte sich auf die Durchführung von Erdarbeiten im Rahmen des Neubaus einer Umgehungsstraße in einer Länge von über 5 km sowie der Herstellung von Wirtschaftswegen und Gemeindestraßen von zusammen ebenfalls 5 km Länge. Schon allein angesichts dieses Auftragsvolumens und der Tatsache, dass die Beklagte für die Erd- und Transportarbeiten Subunternehmer hinzugezogen hat, muss auch bei der Beklagte von einer Kenntnis der Tarife ausgegangen werden. Dies hat das Berufsgericht rechtsfehlerhaft nicht beachtet.