Technischen Geräts
Zu den Anforderungen an das Wissen eines Arztes um die Funktionsweise eines von ihm zur Behandlung eingesetzten technischen Geräts.
Zum Sachverhalt: Der Ehemann und Rechtsvorgänger der Kläger, der während des Rechtsstreits verstorben ist unterzog sich in dem orthopädischen Krankenhaus H-Stiftung in M., dessen Träger das Beklagten Land ist, einer Hüftgelenksoperation. Infolge eines Narkosezwischenfalls erlitt er durch zeitweisen Sauerstoffmangel eine schwere Hirnschädigung. Sein Zustand einer fast völligen Lähmung wurde als apallisches Syndrom diagnostiziert, schloss aber nach Darstellung der Kläger seine Wahrnehmungs- und Leidensfähigkeit nicht aus. Der Kläger, der zuvor relaxiert intubiert und an ein anderes Narkosegerät angeschlossen war, wurde im Operationssaal an ein Narkosegerät S der Herstellerfirma D-Werk angeschlossen. Es handelte sich um eine Intubationsnarkose im halbgeschlossenen System. Dabei wird der Patient laufend mit einer Mischung aus Lachgas und Sauerstoff beatmet. Um das Frischgas mit einem zusätzlichen Narkosemittel - insbesondere Halothan versetzen zu können, war der S mit einem Vapor ausgerüstet, der schwenkbar auf einer Schiene auf der Vorderseite des Versorgungsteils des Geräts angebracht war. Der Vapor war mit dem Gerät durch zwei abschraubbare Weichgummischläuche für Zu- und Rückfluss verbunden. Diese Schläuche waren ursprünglich so kurz bemessen, dass sie auch bei einer extremen Schwenkung des Vapors nicht zwischen diesen und die Schiene eingeklemmt werden konnten. Bei einer im Juni 1969 stattgehabten Inspektion durch die Herstellerfirma waren die Schläuche, um ihre Verschleißanfälligkeit zu mindern, durch längere ersetzt worden, die eine Einklemmung nicht mehr ausgeschlossen; ein Hinweis an das Krankenhaus war nicht erfolgt. Der S war vor Anschluss des Kläger an ihn etwa 20 Minuten lang unbewacht auf einem dem internen Durchgangsverkehr dienenden Gang vor dem Operationssaal abgestellt worden, weil es infolge von Umbauarbeiten in der H-Stiftung zu beengten räumlichen Verhältnissen gekommen war. Bei der Narkose des Klägers wurde dem Frischgas Halothan nicht beigegeben. Gleichwohl wurde es entsprechend der ständigen Übung im Krankenhaus dabei belassen, den Frischgasstrom durch den Vapor zu leiten; das wäre indes durch eine Änderung der Montage zu vermeiden gewesen. Zur Unterversorgung des Klägers mit Sauerstoff kam es, weil infolge einer extremen Schwenkung des Vapor nach links einer oder beide Schläuche zwischen diesem und der Schiene eingeklemmt waren, so dass die Zufuhr von Frischgas zum Patienten mindestens weitgehend unterbunden war. Wann und wodurch dies geschehen war, ist nicht eindeutig geklärt. Der Kläger war von Dr. G, Facharzt für Anästhesie und Leiter der Anästhesieabteilung, sowie von Dr. L narkotisiert worden. Spätestens nach Anschluss des Klägers an den S entfernte sich Dr. G, um in einem nahe dem Operationssaal gelegenen Raume eine weitere Narkose einzuleiten. Dr. L betreute in der Folge den Kläger allein als Narkoseärztin. Sie stellte etwa 5 bis 10 Minuten nach Beginn der eigentlichen Operation beim Kläger eine Zyanose fest, die Sauerstoffmangel erkennen ließ. Sie kontrollierte deshalb zunächst durch Abhören die Lungenatmung, prüfte Blutdruck und Puls, und überzeugte sich, dass die Instrumente des Geräts auf normale Arbeitsweise hindeuteten. Das den Gasfluss im Gerät anzeigende so genannte Flowmeter war nämlich innerhalb des Geräts so angebracht, dass es vor einem Überdruckventil lag, durch das Frischgas gegebenenfalls aus dem Gerät entweichen konnte; daher konnte das Flowmeter keinen verlässlichen Anhalt dafür geben, welcher Gasfluss den Patienten tatsächlich erreichte. Dieser Umstand ergab sich jedoch, wie unstreitig ist, nicht aus der Gerätebeschreibung und war auch den Ärzten des H-Stifts nicht bekannt. Nachdem Dr. G hinzugekommen war, wiederholte er zunächst diese Untersuchungen, ohne den Anlass für die Zyanose feststellen zu können. Dann verstärkte er durch Betätigung eines Einstellknopfs die aus dem Vorratsbehälter abzugebende Sauerstoffmenge, woraufhin ein zischendes Geräusch hörbar wurde. Nunmehr veranlasste Dr. G den Austausch des Spiromaten gegen ein anderes Gerät, die Zyanose verschwand sofort.
Der Kläger hat noch zu seinen Lebzeiten das Land auf Schadensersatz verklagt. Die Kläger, die als Erbin ihres Mannes den Rechtsstreit fortführt, fordert ein Schmerzensgeld von nunmehr 80000 DM, ferner Ersatz von krankheitsbedingten Aufwendungen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen: Die Ausführungen des Berufsgerichts gehen - in kurzer Zusammenfassung des umfangreichen Urteils - dahin:
Dr. G und Dr. L hätten bei der Vorbereitung und Durchführung der Narkose mit aller gebotenen Sorgfalt gearbeitet. Das gelte zunächst für die angemessene Untersuchung des Geräts vor Ingebrauchnahme. Dabei könne unterstellt werden, dass die Einklemmung eines Schlauches schon vor Anschluss des Patienten vorgelegen habe, weil nämlich das vor der Operation auf dem Flur abgestellte Gerät von vorbei geschobenen Krankenbetten angestoßen worden sei, und dass auch eine bloße Verengung des Schlauchvolumens durch die Einklemmung zu einer Verlangsamung des Druckanstiegs geführt haben würde, die Dr. L am Beatmungsdruckmesser hätte erkennen können. Auch dann hätten die Ärzte davon ausgehen dürfen, dass das am S angebrachte Flowmeter den Gasfluss auf dem ganzen Weg zum Patienten anzeige; mit der unglücklichen Anordnung des Überdruckventils zwischen Flowmeter und Kreislaufteil hätten sie nicht zu rechnen brauchen. Zwar sei, so meint das Berufsgericht, auch eine äußerliche optische Kontrolle des Geräts vor seinem Anschluss geboten gewesen. Es stellt jedoch aufgrund der sowohl im ersten wie im zweiten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass nur ein Vaporschlauch und nicht beide, und auch dieser nur teilweise eingeklemmt und durch den anderen freihängenden Schlauch so verdeckt gewesen sei, dass die Einklemmung nicht sichtbar war. Eine nähere Untersuchung, vor allem eine Prüfung der Schlauchanschlüsse, sei nicht geboten gewesen, weil das Gerät keine Zeichen von Gewalteinwirkung aufgewiesen habe, der Vapor im Betrieb des H-Stifts nie ausgewechselt oder entfernt worden sei, und mit der für die Einklemmung ursächlichen Verlängerung der Schläuche durch den Monteur des Herstellerwerks nicht habe gerechnet werden müssen. Zwar habe infolge der Abklemmung die Flowanzeige etwas sinken müssen, doch müsse dann der Gasfluss durch irgendjemand nachreguliert worden sein, so dass dies Dr. L nicht habe auffallen müssen. Der Einsatz der als Anästhesistin fachlich noch nicht voll ausgebildeten Dr. L sei angesichts der Erreichbarkeit des Dr. G nicht pflichtwidrig gewesen. Sie habe übrigens die Zyanose im frühestmöglichen Zeitpunkt erkannt und auch anschließend nichts versäumt..
Eine Haftung des Beklagten Landes ergebe sich auch nicht aus Versäumnissen des Klinikleiters. Wenn er es geduldet habe, dass während des Umbaus Narkosegeräte auf dem Flur vor dem Operationssaal abgestellt worden seien, dann sei zwar eine Beschädigung des S am Operationstag durch den auf dem Flur herrschenden Verkehr nicht ganz auszuschließen gewesen. Er habe aber davon ausgehen dürfen, dass solche Schäden durch die anschließende Funktionsprüfung aufgedeckt würden. Dass dies an der unglücklichen Position des Überdruckventils scheitern würde, sei auch für ihn nicht voraussehbar gewesen. Aus dem gleichen Grunde habe kein Anlass bestanden, eine Aufklärung des Patienten über die Möglichkeit solcher unwahrscheinlicher Zufälle zu veranlassen. Diese Begründung hält den Angriffen der Revisionen nicht durchweg stand.
Ersichtlich geht das Berufsgericht davon aus, dass die Kläger das Verschulden der Bediensteten des Beklagten Landes... an dem ihrem Rechtsvorgänger zugestoßenen Zwischenfall durchweg beweisen müsse. Das trifft jedoch nicht uneingeschränkt zu. Der Klaganspruch ist zu einem wenn auch nur kleinen Teil auch auf Ersatz von Vermögensschaden gerichtet und kann sich daher insoweit auch auf den von der Krankenkasse des Kläger mit dem Beklagten Land geschlossenen Krankenhausvertrag stützen. Aus diesem Vertrag ergab sich für den Krankenhausträger u. a. die Pflicht, für die Operation ein funktionsfähiges Narkosegerät zur Verfügung zu stellen. Diese Pflicht wurde objektiv verletzt, und das hat zu dem geltend gemachten Schaden geführt Jedenfalls in solchen Fällen bestehen in der Regel keine Bedenken, die Beweislastgrundsätze des § 282 BGB auch auf eine so genannte positive Vertragsverletzung anzuwenden.
Dem steht nicht entgegen, dass im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags für die Anwendung des § 282 BGB nur beschränkt Raum ist. Der Arzt kann regelmäßig nur kunstgerechtes Bemühen, nicht aber den Heilerfolg zusagen. Dieser Grundsatz kann jedoch auf die Erfüllung voll beherrschbarer Nebenpflichten, insbesondere die Gewährleistung technischer Voraussetzungen für eine sachgemäße und gefahrlose Behandlung, keine Anwendung finden. Das Beklagten Land wird also zu beweisen haben, dass der ordnungswidrige Zustand des verwendeten Geräts nicht von einem seiner Erfüllungsgehilfen verschuldet ist. Das wird das Berufsgericht bei der anderweiten Verhandlung und Entscheidung zu beachten haben; denn jedenfalls in Einzelpunkten, so zu der Frage, ob es zu der Abklemmung nicht erst durch einen Anstoß im Operationssaal, sondern bereits auf dem Flur, gekommen ist, hat es bisher einen das Beklagten Land entlastenden Verlauf nicht positiv festgestellt.
Hinsichtlich der deliktischen Haftung des Beklagten lassen die Ausführungen des Berufungsurteils verschiedentlich Zweifel daran offen, ob es sich der sehr gesteigerten Sorgfaltspflichten bewusst gewesen ist, die gerade bei der in vieler Hinsicht gefahrvollen Intubationsnarkose die gänzliche Abhängigkeit vitaler Funktionen von dem technischen Gerät mit sich bringt.