Teilbürgschaft

Zur Auslegung einer vom Abnehmer des Käufers übernommenen Teilbürgschaft für dessen Kaufpreisschuld.

Zum Sachverhalt: Die Kläger - eine AG französischen Rechts - nimmt die Erstbeklagte als Bürgin und den Zweit- und den Drittbeklagte als deren persönlich haftende Gesellschafter in Anspruch. Seit 1972 vertrieb die Kläger die von ihr hergestellten Möbel in der Bundesrepublik Deutschland über eine Genossenschaft. Diese lieferte die Möbel namens ihrer Genossen unmittelbar an deren Kunden aus und zog auch die Kaufpreiszahlungen ein, die sie den vorher damit belasteten Konten der Genossen dann gutschrieb. An diesem ab April 1974 in den Modalitäten etwas abgeänderten Vertriebssystem nahm auch die Erstbeklagte teil, ohne selbst Genossin zu sein. Nur die Zweit- und Drittbeklagte (der Zweitbeklagte als Vorstandsmitglied) gehörten der Genossenschaft an, ohne aber ihrerseits Waren von der Genossenschaft zu beziehen. Nach Zahlungsschwierigkeiten der Genossenschaft schloß diese am 6. 7. 1973 mit der Kläger einen Vertragshändlervertrag ab, der u. a. einen verlängerten Eigentumsvorbehalt zugunsten der Kläger enthielt. Am selben Tage übergaben der Zweitbeklagte und ein weiteres Vorstandsmitglied der Genossenschaft der Kläger sieben gleichlautende Haftungserklärungen. Sechs davon waren von Genossen unterzeichnet, die siebente wies unter dem Text den Firmenstempel der Erstbeklagte auf, in den der Zweit- und der Drittbeklagte ihre Unterschrift gesetzt hatten. Die Haftungserklärungen lauten: Haftungserklärung. Die Firma ... (Kl.) verkauft ihre Erzeugnisse an die Firma ... (Genossenschaft), deren Genosse ich bin. Ich stehe der Firma. (Kl.) in dem Umfange für ihre Forderungen gegen die Firma ... (Genossenschaft) aus Lieferungen von der Ware der Firma ... (Kl.) ein, wie die Firma ... (Genossenschaft) in meinem Auftrage und auf meine Rechnung diese Ware der Firma ... (Kl.) vertreibt. Diese Haftungserklärung gilt nur im Zusammenhang mit dem Vertragshändlervertrag, der zwischen den Firmen .. (Kl.) und der ... (Genossenschaft) abgeschlossen wurde. Am 6. 11. 1974 wurde auf Antrag der Kläger das Konkursverfahren über das Vermögen der Genossenschaft eröffnet. Mit der Klage hat die Kläger aufgrund der von ihr als Bürgschaft angesehenen Haftungserklärung von der Erstbeklagte Forderungsbestands gefordert und den Zweit- und den Drittbeklagte als persönlich haftende Gesellschafter auf denselben Betrag in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: II. 1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Bürgschaft beschränkt auf Kaufpreisforderungen der Kläger für solche Möbel, die die Erstbeklagte von der Genossenschaft bezogen hat.

Nach der Haftungserklärung stehe die Erstbeklagte nämlich für Forderungen aus Warenlieferungen an die Genossenschaft nur in dem Umfange ein, wie die Genossenschaft diese Ware im Auftrag und auf Rechnung der Erstbeklagte vertreibe. Damit werde gesagt, dass die Bürgschaft nur die Kaufpreisforderung der Kläger für gerade die Waren betreffe, die der einzelne Bürge umsetze. Zu weit gehe die Ansicht der Kläger, dass die Erstbeklagte in Höhe des Gesamtumsatzes mit den von der Kläger gelieferten Waren hafte. Diese Auffassung höhle die Beschränkung der Haftung auf Umsätze mit von der Kläger gelieferten Waren weitgehend aus, weil bei steigendem Umsatz jeder Bürge nach gewisser Zeit für die gesamten Kaufpreisforderungen voll einstehen müsse. Im übrigen wäre, solange noch nicht jeder Bürge für die gesamten Forderungen hafte, ungeklärt, welcher Teil der Forderungen jeweils durch die einzelnen Bürgschaften der Genossen gesichert sei. Dagegen werde bei der Auslegung des Berufungsgerichts die Kläger - wirtschaftlich sinnvoll - so gestellt, als hätten die Genossen direkt bei ihr gekauft, während diesen die Vorteile gemeinsamen Einkaufs erhalten blieben. Im Ergebnis sei der Anspruch der Kläger allerdings unbegründet. Sie mache Bürgschaftsforderungen nur für Lieferungen aus der Zeit vom 28. 9. 1973 bis zum 13. 5. 1974 geltend, habe aber nicht im Einzelnen dargetan, welche von der Erstbeklagte umgesetzten Möbel aus welcher Lieferung der Kläger in dem obengenannten Zeitraum stammten. Würde die Erstbeklagte dennoch verurteilt, bliebe offen, welche Forderungen der Kläger gegen die Genossenschaft ganz oder teilweise gemäß § 774 I BGB auf sie übergingen. Auch würde den Beklagten der Einwand abgeschnitten, dass die geltend gemachte Forderung der Kläger bereits durch Zahlung oder durch Verrechnung mit unstreitig von der Genossenschaft zurückgegebenen Möbeln erloschen sei. Insgesamt habe die Kläger damit die für die Bürgschaft maßgebenden Hauptforderungen nicht schlüssig dargelegt.

2. Diese Ausführungen berücksichtigen nicht hinreichend die besonderen Umstände des Falles. Sie verletzen deshalb die §§ 133,157 BGB und können keinen Bestand haben.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, wenn das Oberlandesgericht die Haftung der Bürgen mit ihrem Gesamtumsatz ablehnt. Dass eine derartige, nach Ablauf einer gewissen Zeit die gesamten Forderungen der Kläger sichernde Haftung jedes einzelnen Bürgen nicht gewollt war und auch nicht dem Interesse beider Parteien entsprach, durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß aus den mindestens auch über eine Haftungsbeschränkung der Bürgen geführten Verhandlungen zwischen der Kläger und der Genossenschaft sowie aus dem Wortlaut der Bürgschaftserklärung entnehmen. Das Berufungsgericht hätte aber beachten müssen, dass bei seiner Auslegung die Interessen der Kläger offensichtlich nicht angemessen berücksichtigt werden.

aa) Müsste die Kläger - wie das Berufungsgericht meint - für jedes von der Erstbeklagte umgesetzte Möbelstück die nach dem 28.9.1973 an die Genossenschaft erfolgte Lieferung nachweisen, wäre ihre Forderung von vornherein nur ungenügend gesichert gewesen. Zwar wäre die Registrierung des Vertriebsweges aller Möbelstücke nicht unmöglich. Die Kläger war dazu aber auf die korrekte und vollständige Buch- und Rechnungsführung der Genossenschaft angewiesen. Dass sie darauf nicht vertrauen konnte, zeigt der unstreitig unaufklärbare Verlust von mehreren hunderttausend DM bei der Genossenschaft eingegangener Zahlungen. Unrichtige Buchungen hätten aber zum Verlust des Bürgschaftsanspruchs geführt, wenn die Kläger infolgedessen die Voraussetzungen dafür nicht mehr eindeutig hätte darlegen können. Soweit sich die Genossenschaft wegen Schlechterfüllung einer gegebenenfalls von ihr übernommenen Pflicht zur Sicherung der Identitätsfeststellung schadensersatzpflichtig gemacht hätte, würde sich die Bürgschaft jedenfalls nicht ohne weiteres auf diese Verpflichtung als Hauptschuld erstrecken, die Kläger also in ihrer Absicherung mindestens gefährdet sein.

bb) Die diese mangelnde Sicherung in Kauf nehmende Auslegung war nach dem Inhalt der Bürgschaftserklärung nicht zwingend geboten. Der Wortlaut der Erklärung (Haftung in dem Umfange, in dem ... die Genossenschaft in meinem Auftrag und auf meine Rechnung diese Ware vertreibt) lässt auch eine Deutung zu, die die Haftung des Bürgen der Höhe nach zwar grundsätzlich an den Wert der von ihm bezogenen Möbel aus bestimmten Lieferungen der Kläger knüpft, es aber für den Beweis der durch die Bürgschaft gesicherten Hauptschuld genügen lässt, wenn die Kläger die Übereinstimmung zwischen ihrer Lieferung und der vom Bürgen bezogenen Ware nach Stückzahl und gattungsmäßiger Artikelbezeichnung darlegt, während dem Bürgen der Nachweis überlassen bleibt, dass bestimmte von ihm bezogene Möbel aus früheren, von der Kläger nicht geltend gemachten Lieferungen stammen.

cc) Diese die Darlegung durch die Kläger erleichternde Auslegung drängt sich angesichts der besonderen Umstände dieses Falles als von den Parteien gewollt auf. Wirtschaftlicher Sinn der von den Genossen übernommenen Bürgschaft war nicht die Sicherung von Rechten an einzelnen Möbelstücken, sondern einerseits das Interesse der Kläger an der Bezahlung ihrer Lieferungen, andererseits die den Bürgen zugestandene Haftungsbegrenzung auf den Wert der von ihnen bezogenen Möbel. Das Interesse der Kläger konnte - wie aus den Ausführungen oben zu aa) folgt - praktisch nur bei Erleichterung ihrer Darlegungslast gewahrt werden. Zwar muss grundsätzlich der Bürgschaftsgläubiger das Bestehen der der Bürgschaft zugrunde liegenden Hauptforderung beweisen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Parteien eines Bürgschaftsvertrages eine Änderung oder Modifizierung dieser Darlegungs- oder Beweislast für den Einzelfall vereinbaren, um dem Sicherungsinteresse des Bürgschaftsgläubigers durch eine Vereinfachung seiner Darlegungslast Rechnung zu tragen (vgl. Senatsurt., BGHZ 74, 244 [247f.] = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1979, 1500). Das Gegeninteresse der Bürgen wird dadurch nicht sachwidrig oder unzumutbar beeinträchtigt. Die ganz ungewöhnliche Formulierung der Bürgschaftserklärung vom 6. 7. 1973 hatte zur Folge, dass Entstehung und Umfang der Bürgschaftsschuld nicht schon durch die Entstehung der Forderung gegen die Genossenschaft, sondern erst durch eine Handlung des Bürgen - den Bezug der Möbel von der Genossenschaft - festgelegt wurden. Der Bürge stand also den Vorgängen, die zur Begründung seiner Haftung führten, wesentlich näher als die Kläger. Das gilt in besonderem Maße für die Erstbekl., deren einer Gesellschafter (der Zweitbekl.) Vorstandsmitglied der Genossenschaft war und damit besonders einfachen Zugang zu deren Geschäftsunterlagen sowie Einfluss auf das geschäftliche Verhalten hatte. Auch die übrigen Bürgen konnten sich als Genossen den notwendigen Einblick in die Unterlagen verschaffen. Dann aber rechtfertigt sich möglicherweise die Annahme, die Kläger habe nach der Bürgschaftsvereinbarung nur darlegen und beweisen sollen, dass sie in genau bezeichneten Lieferungen noch unbezahlte Möbel an die Genossenschaft geliefert und der in Anspruch genommene Bürge anschließend Waren gleicher Art in bestimmter Menge bezogen habe, während der Bürge gegebenenfalls habe beweisen müssen, dass einzelne Möbelstücke aus Lieferungen stammten, die die Kläger ihrer Bürgschaftsforderung nicht zugrunde gelegt habe.

b) Die vom Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Erörterung der Darlegungslast für entscheidend erachteten Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage greifen gegenüber der oben erörterten möglichen Auslegung nicht durch.