Teillieferungen

Zur Frage der Anwendbarkeit des § 326 I BGB bei Sukzessivlieferungsverträgen, wenn der Schuldner zwar die abgerufenen Teillieferungen leistet, aber erklärt, zur fristgerechten Leistung der noch nicht fälligen Teillieferungen nicht in der Lage zu sein.

Zum Sachverhalt: Die kl. Firma bestellte im Herbst 1967 bei der beklagten OHG, mit der sie in laufender Geschäftsverbindung stand, für die Saison 1967/1968 4 Millionen Blumentöpfe. Die Beklagte teilte ab Dezember 1967 in mehreren Schreiben der Kläger mit, dass ihr die fristgerechte Lieferung der 4 Millionen Blumentöpfe nicht möglich sei. Obwohl die Kläger auf der Einhaltung der fristgerechten Lieferung bestand, nahm die Beklagte eigenmächtig eine Rationierung vor. Sie lieferte insgesamt nur 600000 Blumentöpfe. Mit der Klage macht die Kläger den Schaden geltend, der ihr durch die Nichteinhaltung der Lieferungsbedingungen entstanden ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Beklagte führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Gründen: . . . III. Die Rüge der Revision, es liege entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Fall vor, in dem ohne Fristsetzung gemäß § 326 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung beansprucht werden könne, ist berechtigt.

1. Bei dem Vertrag vom September 1967 handelt es sich um einen Sukzessiv- oder Teillieferungsvertrag. Nach der Vereinbarung waren nämlich vertretbare Sachen gegen Entgelt, und zwar mit der Besonderheit zu liefern, dass die ihrer Art wie ihrem Umfang nach festgelegte Leistung in Teillieferungen erfolgen sollte. Ein derartiger Vertrag ist ein einheitlicher Vertrag, wenn die Parteien trotz der vereinbarten Erfüllung in zeitlich getrennten Teilleistungen ein einheitliches Ganzes gewollte hatten (Staudinger-Kaduk, BGB, 10./11. Aufl., Vorb. § 305 Rdnr. 52 m. w. Nachw.), was das Berufungsgericht ersichtlich angenommen hat.

2. Das Berufungsgericht hat in Erwägung gezogen, ob eine Fristsetzung gemäß § 326 BGB infolge der Handelsbräuche im Blumentopfgeschäft entbehrlich gewesen sei. Wer sich indessen auf einen Handelsbrauch beruft, muss sein Bestehen und seinen Inhalt behaupten und beweisen (BGH, Nr. 1 zu § 346 [F] HGB). Ein hier in Betracht kommender Handelsbrauch ist von der Klägernicht einmal behauptet worden. Die Kläger hatte lediglich vorgetragen, im Handel mit Blumentöpfen sei es üblich, dass ein Gärtner, der vom Großhändler nicht fristgerecht beliefert werde, ohne Fristsetzung vom Vertrage zurücktrete und seinen Bedarf anderweitig decke. Diese Behauptung der Kläger betrifft das Verhältnis zwischen Großhändler und Gärtner und nicht, wie hier, dasjenige zwischen Hersteller und Großhändler.

3. a) Nach Auffassung des erkennenden Senats kann bei einem auf längere Dauer abgeschlossenen und von einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis abhängigen Sukzessivlieferungsvertrag, sofern der Verkäufer durch schuldhaftes Verhalten den Zweck des Vertrages und seine reibungslose Durchführung ernsthaft gefährdet, der Käufer unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung von der weiteren Vertragserfüllung Abstand nehmen und Schadensersatz hinsichtlich der noch ausstehenden Lieferungen verlangen (Senat, NJW 1972, 246 [247] = WM 1972, 161 m. w. Nachw. = Nr. 15 zu § 477 BGB).

b) In einem Fall, in dem zwei Verträge geschlossen worden waren und der Schuldner alsbald nach Vertragsschluss erklärt hatte, er könne den zweiten nicht fristgerecht erfüllen, hat der erkennende Senat entschieden, dass ein Gläubiger in rechtsähnlicher Anwendung des § 326 BGB eine Frist zur Abgabe einer Erklärung, ob der Schuldner fristgerecht erfüllen werden, setzen muss, wenn dieser bereits vor Fälligkeit der Leistung erklärt, infolge unvorhergesehener Umstände nicht zu der vereinbarten Zeit liefern zu können, wobei er den Schuldner darauf hinzuweisen hat, dass er die Annahme der Leistung nach Ablauf der Frist ablehne. Wenn der Schuldner daraufhin eine entsprechende Erklärung nicht abgibt, kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz fordern (Senat, NJW 1976, 326 L = WM 1976, 75 m. w. Nachw.) .

c) Das gilt auch für einen Sukzessiv- oder Teillieferungsvertrag. Auch bei einem derartigen Vertrag kann und muss der Gläubiger dem Schuldner in der Regel hinsichtlich der noch nicht fälligen Leistungen in rechtsähnlicher Anwendung des § 326 BGB unter Ablehnungsandrohung Frist zur Erklärung setzen, ob er den Vertrag vereinbarungsgemäß erfüllen werde. Das gebietet, wie bereits im Urteil NJW 1976, 326 L = WM 1976, 75 ausgeführt ist, Treu und Glauben. Es stellt zwar eine positive Vertragsverletzung dar, wenn der Schuldner erklärt, er werde sich bei Fälligkeit nicht an seine vertraglichen Verpflichtungen halten und könne die Lieferzeiten nicht einhalten. Dennoch muss in einem derartigen Fall § 326 BGB rechtsähnlich angewendet werden. Denn dem Gläubiger kann, wenn der Schuldner vor Fälligkeit erklärt, nicht vertragsgemäß, insbesondere nicht fristgemäß leisten zu können, nicht zugemutet werden, bis zur Fälligkeit der Leistung zuzuwarten und dann erst nach § 326 BGB vorzugehen. Falls der Schuldner ernstlich und endgültig die rechtzeitige Leistung ablehnt, muss der Gläubiger vielmehr die Möglichkeit haben, sich um Deckungsgeschäfte zu bemühen, was übrigens auch im Interesse des Schuldners liegt. Der Schuldner, der seine Leistung nicht endgültig verweigert hatte, darf andererseits nicht durch den Rücktritt des Gläubigers bzw. das Verlangen auf Schadenersatz überrascht werden.

d) Eine Fristsetzung gemäß § 326 BGB hätte sich hier nur dann erübrigt, wenn die Beklagte bereits ohne Fristsetzung eindeutig und endgültig erklärt hätte, sie werde auf keinen Fall der Kläger 4 Millionen Blumentöpfe in der vereinbarten Zeit liefern, und wenn ein Versuch, die Beklagte umzustimmen, völlig aussichtslos gewesen wäre.

aa) An eine derartige Erklärung des Schuldners ist nach allgemeiner Meinung ein strenger Maßstab anzulegen. Denn die Fristsetzung soll den Schuldner vor die Frage stellen, ob er die Folgen des § 326 BGB auf sich nehmen oder durch Erfüllung von sich abwenden will. Die Fristsetzung ist daher nur dann entbehrlich, wenn der Schuldner zuvor eindeutig und endgültig zu erkennen gegeben hat, dass er weder eine Frist zur Erfüllung begehre noch von einer ihm gesetzten Frist Gebrauch machen werde, eine Änderung dieser Einstellung nicht zu erwarten ist und eine Erklärung nach § 326 BGB nur als leere und überflüssige Form zu betrachten wäre (Ballhaus, in: RGRK, 12. Aufl., § 326 Rdnrn. 46, 47 m. Nachw. aus der Rspr. des BGH).

bb) Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht verkannt. Es hat gemeint, eine Fristsetzung sei hier deshalb entbehrlich gewesen, weil die Beklagte wiederholt zum Ausdruck gebracht habe, dass sie zu größeren und schnelleren Lieferungen nicht in der Lage sei und deshalb sogar eine Rationierung vorgenommen habe. dass die Beklagte das zum Ausdruck gebracht hatte, ist zwar richtig. Doch hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht, dass die .Beklagte gewissermaßen ihr letztes Wort gesprochen hatte und dass eine Fristsetzung lediglich eine unnützige Förmelei gewesen wäre. Das lässt sich aus dem vom Berufungsgericht angeführten Schriftwechsel der Parteien nicht entnehmen. (Wird näher ausgeführt.) Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass die Beklagte, wenn die Kläger rechtzeitig auf die Lieferzusage vom September 1967 hingewiesen hätte und wenn sie der Beklagte gemäß § 326 BGB unter Ablehnungsandrohung Frist zur Erklärung, ob sie vereinbarungsgemäß liefern werde, gesetzt hätte, der Kläger die zugesagte Menge von Blumentöpfen vertragsgemäß geliefert hätte. Da die Kläger dak nicht tat, sondern trotz laufender Beanstandungen die geringeren Lieferungen der Beklagte entgegennahm, kann sie wegen der nicht erfolgten Lieferurigen..nicht Schadensersatz gemäß § 326 BGB beanspruchen.