Tierarzt

Unberührt davon bleibt die Verpflichtung des Tierarztes, nach Möglichkeit vorher seinen Auftraggeber von neuen Krankheitsentwicklungen bei dem Tier zu verständigen und ihn über weitere Maßnahmen zu beraten.

Zum Sachverhalt: Der Kläger war Eigentümer eines Reitpferdes. Wegen so genannter Gallen an den Vorderbeinen kam das Tier am 1. 12. 1976 auf Anraten des Beklagten in dessen Tierklinik. Nach Behandlung der Gallen, die der Beklagte u. a. punktierte, trat am 6. 12.1976 am linken Vorderbein eine Infektion auf. Am folgenden Tage entwickelte sich eine Kolik, die sich trotz verschiedener Behandlungsversuche durch den Beklagten verschlimmerte. Am frühen Morgen des B. 12. 1976 tötete der Beklagte das Tier, indem er es einschläferte. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Ersatz des ihm durch den Tod des Pferdes entstandenen Schadens. Er trägt vor, der Beklagte habe zumindest die Kolik falsch behandelt. Jedenfalls seien diese Behandlung und die spätere Tötung des Pferdes, so meint der Kläger rechtswidrig gewesen, weil seine dazu erforderlich gewesene Einwilligung gefehlt habe. Der Beklagten behauptet im Wesentlichen, er habe das Pferd ordnungsgemäß behandelt; die Infektion habe er nicht verhindern können. Die Einwilligung in die Tötung habe er in der Nacht nach einem vergeblichen Telefonanrufversuch bei den Eltern des Klägers nicht erreichen können. Im übrigen sei das Pferd ohnehin nicht mehr zu retten gewesen, so dass es sachgemäß gewesen sei, es von weiteren Leiden zu erlösen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die - zugelassene - Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht stellt fest, dass der Beklagten die Gallen nach den Regeln der Tiermedizin ordnungsgemäß behandelt hat und dass diese Behandlung sowie die aus ihr resultierende Infektion das Auftreten der Kolik nicht unmittelbar verursacht hat.

Es meint indessen, der Beklagten hätte, als sich die Kolik verschlimmerte, den Eigentümer von dieser Komplikation unterrichten und dessen Einwilligung zu weiteren Maßnahmen einholen müssen. Auch die Tötung des Tieres sei mit Rücksicht auf diese Unterlassung rechtswidrig. Danach sei es Sache des Beklagten gewesen zu beweisen, dass das Tier ohnehin an der Erkrankung eingegangen wäre; diesen Nachweis habe aber der Beklagten nicht erbringen können. Er hafte demgemäß für den Verlust des Pferdes nach § 823 I BGB. Seine Haftung ergebe sich aber auch aus der Verletzung des tierärztlichen Behandlungsvertrages. Er habe nämlich nicht nachgewiesen, dass er die Unmöglichkeit der - lebendigen - Herausgabe des Pferdes auch mit Rücksicht auf seine sonstigen Vertragspflichten nicht zu vertreten habe, etwa weil das Pferd verdorbenes Futter erhalten habe.

Die rechtlichen Erwägungen, mit denen das Berufsgericht eine Haftung des Beklagten bejaht hat, halten einer Nachprüfung nicht stand.

Die Entscheidung des Berufsgerichts wird schon durch seine unrichtige Sicht von den Rechtsgrundsätzen beeinflusst, die für den tierärztlichen Behandlungsvertrag gelten. Wie der Senat inzwischen ausgesprochen hat, schuldet der Tierarzt seinem Auftraggeber neben der eigentlichen Behandlung auch eine Beratung über deren Vor- und Nachteile und über etwaige Risiken für das Tier. Dabei geht es aber nur um wirtschaftliche Interessen des Auftraggebers, begrenzt durch die rechtlichen und sittlichen Gebote des Tierschutzes. Die Verletzung solcher Beratungspflichten für sich allein, die nicht schadensursächlich geworden ist, begründet aus dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den Organismus des Tieres oder des Unterlassens von Heilmaßnahmen keine Schadensersatzansprüche. Im Übrigen obliegt die Darlegungs- und Beweislast sowohl für eine objektive Pflichtverletzung als auch für deren Schadenursächlichkeit im Delikts- und Vertragsbereich dem Anspruchsgläubiger. Hierfür im Bereich des tierärztlichen Handelns etwa in Anlehnung an die Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärungspflicht im Bereich der Humanmedizin eine Ausnahme zu machen, besteht kein Anlass, eben weil das Selbstbestimmungsrecht des Patienten in der Tiermedizin keine Rolle spielt. Im Übrigen geht es im Streitfall nicht um den Vorwurf, die Einwilligung in den Eingriff bei dem Pferd sei mangels Aufklärung unwirksam gewesen, sondern um den Vorwurf, es habe überhaupt an einer Einwilligung gefehlt.

Entgegen der Ansicht des Berufsgericht lassen seine bisherigen Feststellungen nicht den Schluss zu, dass der Beklagten rechtswidrig handelte, als er das Pferd einschläferte. Einer Einwilligung des Kläger bzw. seiner Eltern dazu bedurfte es nicht in jedem Falle.

Gibt wie im Streitfall der Eigentümer eines Tieres dieses in die Behandlung eines Tierarztes, so schuldet der Tierarzt nach dem Willen der Vertragsparteien zunächst die nach seinem veterinärmedizinischen Wissen und Können gebotene Heilbehandlung des Tieres. In der Regel wird es um bestimmte Krankheiten oder Anomalien gehen, die mit den Mitteln der Tiermedizin bekämpft oder beseitigt werden sollen. Im Streitfall hatte der Beklagten versprochen, den Versuch zu machen, die Gallen an den Vorderbeinen zu beseitigen; diese Behandlung sollte stationär erfolgen, d. h. der Beklagten übernahm außerdem Pflege und Betreuung des Pferdes, solange er es behandelte. Darüber hinaus will der Eigentümer, auch ohne darüber ausdrücklich gesprochen zu haben, in der Regel für die Zeit, in der er das Pferd dem Tierarzt anvertraut, eine Pflege und Betreuung, wie gerade dieser sie leisten kann. Dieser hat daher etwa auftretende Krankheiten, gegen die sofort und ohne besonders hohen Aufwand etwas unternommen werden muss, im Rahmen seiner Betreuungspflichten über den eigentlichen Behandlungsauftrag hinaus zu behandeln. Deshalb ist es etwa selbstverständlich, dass der Beklagten nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet war, beim Auftreten einer Kolik des Pferdes sofort die üblichen tierärztlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diese nach Möglichkeit zu beheben.

Darüber hinaus ist aber ein Tierarzt, der im Rahmen des nach entsprechender Beratung vereinbarten Auftrages in seinen therapeutischen Entscheidungen frei ist, je nach den Umständen des Falles auch berechtigt und verpflichtet, das ihm anvertraute Tier zu töten, wenn eine dramatische Verschlechterung des Zustandes einen weiteren Behandlungserfolg nicht mehr erwarten lässt und es nur noch darum geht, dem Tier weitere Qualen zu ersparen. Auch diese Befugnis ist, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, Inhalt des tierärztlichen Behandlungsvertrages. Der Eigentümer des Tieres wird nämlich für einen solchen Fall die Tötung des Tieres durch den Tierarzt wünschen, zumal davon ausgegangen werden darf, dass er kein Interesse an einer Verlängerung unnötiger Leiden seines Tieres hat. Das ist auch mindestens ein sittliches Gebot richtig verstandenen Tierschutzes. Auf der anderen Seite dürfte es sogar eine Standespflicht des Tierarztes sein, so zu handeln. Beide Vertragsteile werden sich darüber in der Regel einig sein, ohne dass es zu diesem Punkte ausdrücklicher Vereinbarungen bedarf. Der von der Revision erwogenen Heranziehung der Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtfertigungsgrund für die Tötung des Tieres bedarf es in solchen Fällen nicht, weil der Tierarzt befugt und im Auftrage des Eigentümers handelt.

Die so verstandene vertragliche Pflicht und die Befugnis des Tierarztes, das in Behandlung genommene Tier notfalls zu töten, entbindet ihn allerdings nicht von der Verpflichtung, seinen Auftraggeber von einer bedrohlichen Entwicklung des Gesundheitszustandes des Tieres zu unterrichten und über mögliche Behandlungsmaßnahmen, deren Aussichten und Risiken sowie über etwaige zusätzlich entstehende Kosten zu beraten. Zum einen hat der Eigentümer und Halter des Tieres ein Recht darauf, von einer solchen Veränderung des Zustandes und von einer Gefahr für das Leben seines Tieres alsbald zu erfahren und nicht erst dann, wenn nichts mehr geholfen hat und das Tier ohne sein Wissen eingeschläfert worden ist. Zum anderen aber muss er vor allem dann Gelegenheit haben, eine eigene Entscheidung zu treffen, wenn alternative Behandlungsmethoden in Betracht kommen. So muss er sich darüber schlüssig werden können, ob er auch die nunmehr erforderlich gewordene Behandlung einer ganz anderen Krankheit dem von ihm beauftragten Tierarzt überlassen oder ob er einen anderen Tierarzt konsultieren will, und er muss entscheiden können, ob er etwaige kostspielige, unter Umständen, wie im Streitfall, nur mit begrenzten Erfolgschancen behaftete Behandlungen einleiten lassen will. Verletzt der Tierarzt diese seine Pflicht zur Unterrichtung des Auftraggebers, so kann er zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet sein, auch wenn ihm wegen der von ihm gewählten Weiterbehandlung und einer schließlich erforderlich gewordenen Tötung des Tieres kein Vorwurf gemacht werden kann, weil er aus veterinärmedizinischer Sicht kunstgerecht und pflichtgemäß vorgegangen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ergeben die bisherigen Feststellungen des Berufsgerichts nicht, dass dem Kläger ein deliktischer oder vertraglicher Schadensersatzanspruch zusteht.

Die Entscheidung des Berufsgerichts kann auch nicht aus anderen Rechtsgründen bestehen bleiben. Entgegen seiner Ansicht ist der Schadensersatzanspruch des Klägers nicht deswegen begründet, weil der Beklagten nicht nachgewiesen habe, dass er die Unmöglichkeit der - lebendigen - Herausgabe des Tieres auch mit Rücksicht auf seine über die eigentliche tierärztliche Behandlung hinausgehenden Vertragsaufgaben nicht zu vertreten habe. Der Fall des § 325 BGB, den das Berufsgericht offenbar im Auge gehabt hat, liegt nicht vor. Der Beklagten schuldete nicht die Herausgabe des Pferdes im lebendigen Zustand; er hatte es vielmehr tierärztlich zu behandeln und hatte es, wenn die Umstände das erforderten, auch zur Ersparung unnötiger Qualen zu töten. Im übrigen ist es Sache des Kläger, darzulegen und zu beweisen, dass dem Beklagten überhaupt ein objektiver Verstoß gegen Vertragspflichten, auch soweit es die Fütterung des Pferdes betrifft, zur Last fallt und dass ein solcher Verstoß schadensursächlich geworden ist. Es besteht kein Anlaß, die Darlegungs- und Beweislast deswegen auf den Beklagten zu verlagern, weil sich der Schaden in seinem Risikobereich ereignet hat. Weder durchgreifende Sachgründe noch Billigkeitserwägungen erfordern eine solche Umkehr der Beweislast. Es mag sein, dass es für den Geschädigten im Einzelfall schwierig sein kann aufzuklären, was sich in dem nur vom Beklagten und seinen Gehilfen überschaubaren Bereich ereignet hat. Jedoch indiziert schon angesichts der Eigengesetzlichkeit und weitgehenden Undurchschaubarkeit des lebendigen Organismus eine Erkrankung des in Pflege und Betreuung gegebenen Tieres nicht bereits ein Fehlverhalten oder Verschulden des Pflegers oder des Tierarztes; daher ist für eine Beweislastverteilung nach Gefahrenkreisen in diesem Bereich kein Raum.