Übergabevertrag

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein formnichtiger Grundstücksveräußerungsvertrag nach Treu und Glauben als wirksam zu behandeln ist.

Die Kläger ist die Mutter der Beklagte Beide lebten auf einem Hof, der einer Miteigentümergemeinschaft, bestehend aus fünf Geschwistern H, darunter der Kläger, gehörte. Der Hof geriet nach dem zweiten Weltkrieg in Schulden und musste saniert werden. Die Geschwister H wollten in den Genuss der Altersrente kommen. Im Zusammenhang hiermit nahmen sie und die Beklagte im Laufe des Jahres 1965 mehrere Rechtsgeschäfte vor. Am 25. 1. 1965 schlossen die Kläger und deren Brüder W und F H mit der Beklagte einen 15jährigen Pachtvertrag über den Hof ab. Am 5. 2. 1965 setzten die beiden Brüder die Beklagte testamentarisch als ihre Erbin ein. Durch Erbvertrag bestimmte die Kläger die Beklagte ebenfalls zu ihrer Erbin. Am 29. 3. 1965 schlossen die Kläger und ihre beiden Brüder mit der Beklagte einen notariell beurkundeten Übergabevertrag ab. Darin übertrugen die drei Geschwister - teilweise unter Auseinandersetzung der bestehenden Erbengemeinschaft - ihre Miteigentumsanteile am Hof auf die Beklagte Diese hatte dafür 60000 DM an die Kläger zu zahlen und räumte den Übergebern ein unentgeltliches Wohnrecht ein. Die Vertragspartner einigten sich ferner zu notariellem Protokoll über den Eigentumsübergang. Die Umschreibung im Grundbuch sollte erst nach dem Tode der Übergeber erfolgen. Die Beklagte bewilligte die Löschung des für sie eingetragenen Nacherbenvermerks. Am 23. 4. 1965 wurde für die Beklagte eine Auflassungsvormerkung eingetragen; der Nacherbenvermerk wurde gelöscht. Die Beklagte nahm ein hypothekarisch gesichertes Bankdarlehen von 60000 DM auf, das restlos zur Entschuldung des Hofes verwendet wurde.

Die noch lebenden Geschwister H und die Beklagte bewirtschafteten den Hof gemeinsam. Unter den Beteiligten entstand im Laufe der Zeit Streit. Die Beklagte hält sich nicht mehr auf dem Hof auf. Sie wohnt bei ihrem Verlobten.

Die Kläger hat beantragt festzustellen, dass der Übergabevertrag nichtig sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen. Die Revision führte zur Entscheidung im Sinne des Klageantrags.

Aus den Gründen: B. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Meinung des Oberlandesgerichts, die Berufung auf die Formnichtigkeit würde Treu und Glauben widersprechen (§§ 313, 242 BGB).

Dem Berufungsgericht ist zunächst insofern beizutreten, als es einen Verstoß gegen § 313 S. 1 BGB für gegeben erachtet und deshalb den ganzen Übergabevertrag (vgl. hierzu BGH, RdL 1964, 299, 300) für form- ungültig hält. Die drei Geschwister haben sich nach der rechtsirrtumsfreien Würdigung des Tatrichters am 29. 3. 1965 verpflichtet, ihre Miteigentumsanteile an die Beklagte zu übertragen. Dem Tatrichter ist ferner dahin zuzustimmen, dass der Form alle Abreden bei oder vor Vertragsschluss bedürfen, die die Partner als Teil des Vertrags angesehen haben und aus denen sich nach ihrem Willen das schuldrechtliche Geschäft zusammensetzt (vgl. Palandt, BGB, § 313 Anm. 8 a). Der Berufungsrichter hat darunter die von den Vertragsbeteiligten getroffene Abrede gezählt, dass ein nach Grundsätzen der Billigkeit bestimmbarer Unterhalt in Natur als Rechtspflicht der Beklagte (sofort) gewollt war. Der Tatrichter hat weiter festgestellt, dass diese Abrede in der notariellen Urkunde fehlt. Bei dieser Würdigung hat er ersichtlich nicht verkannt, + dass eine unvollständige Beurkundung unschädlich ist, wenn die Abrede in der Urkunde einen gewissen Niederschlag gefunden hat und im Wege der Auslegung ermittelt werden kann (vgl. BGH, NJW 1969, 131f. = vorstehend Nr. 35; WM 1974, 846f. = Nr. 3 zu § 43 WohnungseigentumsG). Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass er einen solchen Ansatz zur Auslegung bei Berücksichtigung aller Umstände im Vertragstext nicht gefunden hat. Wenn der Tatrichter die Überzeugung gewonnen hat, dass die Vertragspartner außerhalb des Notartextes Unterhaltsverpflichtungen der Beklagte als Rechtspflichten (sofort) gewollt und nur die Bezifferung der Einzelleistungen haben zurückstellen wollen, unterliegt diese Würdigung keinen rechtlichen Bedenken.

Zweifel erwecken aber die Ausführungen des Berufungsgerichts darüber, dass die Kläger sich auf die Formnichtigkeit des Übergabevertrags nach Treu und Glauben nicht berufen könne. Ob der Formmangel gegenüber § 242 BGB zurückzutreten hat, ist nach den Verhältnissen zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen. Die Umstände, die für die Aufrechterhaltung des Vertrags sprechen, sind von dem zu beweisen, der aus dem Vertrag Rechte herleiten will (BGH, Nr. 13 zu § 242 [Ca]).

Wie der Senat wiederholt dargelegt hat, dürfen gesetzliche Formvorschriften im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen I3illigkeitsgründen unbeachtet gelassen werden (BGHZ 29, 6 [10]; 45, 179 [182] = vorstehend Nr. 28; NJW 1973, 1455 [1456] = Nr. 32 zu § 242 [Ca] BGB). Ausnahmen sind lediglich in besonders gelagerten Fällen zuzulassen, sofern es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, die vertragliche Abrede am Formmangel scheitern zu lassen (BGH, NJW 1969, 1167 [1169] = vorstehend Nr. 37; WM 1974, 1223 [1224] = Nr. 64/65 zu § 313 BGB). Zur Kennzeichnung der dabei zu stellenden strengen Anforderungen hat der Senat wiederholt betont, dass das Ergebnis für die betroffene Partei nicht bloß hart, sondern schlechthin untragbar sein muss (BGHZ 48, 396 [398] = vorstehend Nr. 31; BGH, vorstehend Nr. 48; NJW 1972, 1189 = vorstehend Nr. 53).

Der Berufungsrichter hat seine Beurteilung nicht an diesen Grundsätzen ausgerichtet. Er hat insoweit die höferechtliche Rechtsprechung herangezogen und gemeint, sie biete einen guten Vergleichsmaßstab. Demgegenüber ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung über formlose Hofübergabeverträg für Höfe im Sinne der Höfeordnung gilt (vgl. BGHZ 47, 184 [186f] = Nr. 28 zu § 7 HöfeO; Urteil des Senats vom 17. 5. 1974 - V ZR 183/72 S. 11 ff.) und der BGH eine Erstreckung auf anderen landwirtschaftlichen Grundbesitz abgelehnt hat. Daran ist festzuhalten. Angesichts der Eigentumsverhältnisse am Grundbesitz der Geschwister H (Miteigentümergemeinschaft) handelt es sich vorliegenden Falls nicht um einen Hof (§ 1 HöfeO). Letzteres hat auch der Berufungsrichter erkannt.

Die Feststellungen des Tatrichters, die Beklagte habe ein Opfer erbracht, reichen aber nicht zur Annahme aus, die Ungültigkeit des Übergabevertrags stelle für die Beklagte ein schlechthin untragbares Ergebnis dar. Es ist schon zweifelhaft, ob die Vertragspartner nach der Aufklärung durch den Notar am 29. 3. 1965 sich des Formmangels nicht bewusst waren. Sofern eine Partei auf die Formgültigkeit nicht vertraut hat, ist § 242 BGB grundsätzlich unanwendbar und der Gegenpartei deshalb die Berufung auf die Formnichtigkeit nicht verwehrt (vgl. BGH, NJW 1969, 1167 [1170] = vorstehend Nr. 37). Allein damit, dass der Tatrichter auf das Alter der Beklagte beim Vertragsschluss (45 Jahre) und darauf hinweist, dass sie ledig ist (immerhin hat sie selbst ihre Heiratsabsicht bekräftigt), nur eine landwirtschaftliche Ausbildung besitzt und sich völlig dem Hof gewidmet hat, ohne ihren Lebensabend durch eine Sozialrente sicherzustellen, ist die Untragbarkeit nicht dargetan. Die Ansicht des Berufungsrichters, die Beklagte würde der Wohlfahrt anheimfallen, wenn nicht der Hof ihre Alterssicherung wäre, auf die sie sich fest verlassen habe, übersieht, dass der Beklagte ungeachtet der Übertragung vom 24. 3. 1965 der Hof (seit 1967) mit gehört, sie also bisher ihre Arbeitskraft auch im eigenen Interesse eingesetzt hat. Bei Nichtigkeit des Übergabevertrags erlangt die Beklagte ferner ihre volle Rechtsstellung als alleinige Nacherbin der verstorbenen F H wieder. Weiterhin hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass der Pachtvertrag bei Unwirksamkeit des Übergabevertrags gerade nach dem Verteidigungsvorbringen der Beklagte in Kraft geblieben ist und ihr danach noch bis 31. 12. 1979 - bei Verlängerung möglicherweise darüber hinaus - die Nutzung des Hofes als Pächterin zusteht. Schließlich ist zu bedenken, dass die Beklagte durch Erbvertrag als Alleinerbin der Kläger und durch Testament als Erbin ihres Onkels W H eingesetzt worden ist.

Alles, was die Beklagte sonst noch über Streit und Spannungen mit der Kläger und deren Bruder W vorgetragen hat, ist ebenfalls nicht geeignet, die Berücksichtigung der Formungültigkeit des Übergabevertrags als schlechthin untragbar und die Aufrechterhaltung als zwingendes Gebot der Gerechtigkeit erscheinen zu lassen. Somit ist für die Anwendung des § 242 BGB nach dem eigenen Vorbringen der Beklagte einschließlich des unstreitigen Sachverhalts kein Raum. Das Berufungsurteil kann daher nicht bei Bestand bleiben (§ 564 ZPO), ohne dass es noch darauf ankommt, ob die Klage nach § 326 BGB oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage Erfolg haben könnte.