Umgangsrecht

Zur Wirksamkeit einer Vereinbarung der Eltern, in der der nicht sorgeberechtigte Elternteil die Nichtausübung seines Umgangsrechts gegen Freistellung von seiner Unterhaltspflicht zusagt.

Zum Sachverhalt: Die Parteien waren miteinander verheiratet. Ihre Ehe wurde im Jahre 1970 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die elterliche Gewalt über den am 21. 3. 1969 geborenen Sohn U wurde durch Beschluss vom 2. 2. 1971 auf die Beklagte übertragen; dem Kläger wurde ein Besuchsrecht eingeräumt. In den folgenden Jahren kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über das Umgangsrecht des Klägers mit dem Kind. Schließlich wurde durch Beschluss vom 18. 5. 1976 der Sohn unter Vormundschaft gestellt und das Jugendamt zum Vormund bestellt. Nach Erlass dieser Entscheidung einigten sich die Parteien im Verlauf des Beschwerdeverfahrens über die zwischen ihnen streitigen Fragen und trafen am 6. 10. 1976 folgende - außergerichtliche - Vereinbarung: Frau E verpflichtet sich unwiderruflich, Herrn H Unterhaltsleistungen zu ersetzen, die dieser gegenüber U, geb. am 21. 3. 1969, für die Zeit ab 1. 6. 1976 erbringt. Herr Fischer ist unwiderruflich damit einverstanden, dass nunmehr die elterliche Gewalt über U ohne Einschränkung, also auch mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht, auf Frau E übertragen wird, dass U den Mädchennamen seiner Mutter, also E, erhalten soll. Herr H erklärt, dass er das ihm zustehende Besuchsrecht nicht ausüben wird. Die Vereinbarung ist gegenseitig. Verstößt eine der Parteien dagegen, so kann die andere wahlweise Erfüllung verlangen, oder die alten Rechte wieder geltend machen. In solchem Falle verzichtet Herr H auf die Einrede der Verjährung gegenüber Ausgleichs- oder Erstattungsansprüchen von Frau E für die Zeit, in der sie U allein Unterhalt gewährt hat. Aufgrund dieser Vereinbarung wurde die elterliche Gewalt auf die Beklagte übertragen. Der Kläger stellte daraufhin seine Unterhaltszahlungen für den Sohn ein und sah von der weiteren Ausübung des Besuchsrechts ab. Anfang 1981 forderte die Beklagte ihn auf, für die Zeit ab April 1981 monatlich 300 DM Unterhalt für den Sohn zu zahlen. Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, ließ die Beklagte aus einem Urteil vom 12. 3. 1976 vollstrecken, durch welches der Kläger zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeträge von 250 DM ab 1. 9. 1979 für den Sohn verurteilt worden war. Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Kläger den Freistellungsanspruch aus § 1 der Vereinbarung vom 6. 10. 1976 für die Zeit ab April 1981 geltend. Die Beklagte hält die Vereinbarung für sittenwidrig, da die von ihr eingegangene Freistellungsverpflichtung als Gegenleistung für den Verzicht des Klägers auf das Umgangsrecht mit dem Sohn habe dienen sollen. Eine Freistellung des Klägers sei sowohl aus damaliger wie aus heutiger Sicht wirtschaftlich nicht vertretbar. Im übrigen habe der Kläger ihre, der Beklagte, damalige nervliche Belastung bei Abschluss der Vereinbarung ausgenutzt. Der Kläger weist demgegenüber darauf hin, dass nicht er, sondern die Beklagte seinerzeit - bereits seit 1974 - für den Abschluss der Vereinbarung gedrängt habe. Das Landgericht, an das der Rechtsstreit im ersten Rechtszug vom AG verwiesen worden ist, hat die Vereinbarung der Parteien vom 6. 10. 1976 für wirksam gehalten und der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Revision ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat die Vereinbarung der Parteien vom 6. 10. 1976 für unwirksam gehalten, weil ein Verzicht auf die Ausübung des Umgangsrechts, wie ihn der Kläger in § 3 der Vereinbarung erklärt habe, nach ganz herrschender Meinung nicht möglich sei. Die hierauf gerichtete Vereinbarung sei daher gemäß § 134 BGB nichtig mit der Folge, dass die in § 1 der Vereinbarung niedergelegte Freistellungsverpflichtung der Beklagte über § 139 BGB ebenfalls unwirksam sei. Denn die Freistellungsverpflichtung habe, wie sich aus der Regelung der Gegenseitigkeit in § 4 ergebe, ohne den Verzicht auf die Ausübung des Umgangsrechts keinen Bestand haben sollen. Zu demselben Ergebnis führe im übrigen auch eine Umdeutung der unbedingten Freistellungsverpflichtung und des unbedingten Verzichts auf die Ausübung des Umgangsrechts in eine durch Ausübung des Umgangsrechts auflösend bedingte Freistellungsverpflichtung. In diesem Fall läge eine gemäß § 138 I BGB unzulässige Koppelung der Freistellung mit dem Umgangsrecht vor.

Auf die Nichtigkeit der Vereinbarung könne sich die Beklagte ohne Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und ohne Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten berufen, da mit der Nichtigkeit der Freistellungsverpflichtung den Bedürfnissen des Kindes, und nicht dem Interesse der Beklagte Rechnung getragen werde.

Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

Allerdings ist der Hauptbegründung des angefochtenen Urteils nicht ohne Einschränkung zu folgen. Es sind vielmehr Fälle denkbar, in denen die Zusage eines Elternteils, sein Recht zum Umgang mit einem ehelichen Kind für eine gewisse Zeitdauer nicht auszuüben, jedenfalls unter besonderen tatsächlichen Umständen rechtliche Auswirkungen haben kann. Das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern erwächst aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und es besteht daher als absolutes subjektives Recht auch nach der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil grundsätzlich bei dem anderen - nicht sorgeberechtigten - Elternteil fort. Es hat in erster Linie das Recht zur persönlichen Begegnung mit dem Kind - in der Regel in der Form von Besuchen - zum Inhalt; ergänzend kommen auch andere Kommunikationsmittel wie etwa Briefwechsel und Telefongespräche in Betracht. Das Umgangsrecht dient dem Zweck, dem nicht sorgeberechtigten Elternteil die Möglichkeit zu geben, sich von dem körperlichen und geistigen Befmden, dem Wohlergehen und der Entwicklung des Kindes zu überzeugen, den laufenden Kontakt zu dem Kind zu pflegen und einer gegenseitigen Entfremdung vorzubeugen. Dies entspricht der Wahrung des grundrechtlich geschützten Elternrechts nach Art. 6 II 1 GG sowie des Kindesinteresses an einer Aufrechterhaltung seiner Bindung zu beiden Eltern und erscheint im übrigen auch deshalb geboten, weil der nicht sorgeberechtigte Elternteil unter Umständen später seinerseits zur Übernahme der elterlichen Sorge verpflichtet sein kann, sei es dass der andere Elternteil stirbt oder dass er aus anderen Gründen an einer weiteren Ausübung der elterlichen Sorge gehindert ist. In einem solchen Fall wird ein in der Vergangenheit wahrgenommenes Umgangsrecht die Umstellung des Kindes auf die veränderten Verhältnisse in der Regel erleichtern.

Als Bestandteil des natürlichen Elternrechts ist das Umgangsrecht als solches unverzichtbar. Eine Verzichtserklärung des nicht sorgeberechtigten Elternteils auf sein Umgangsrecht ist daher unzulässig und rechtlich nicht verbindlich. Für den umgangsberechtigten Elternteil besteht jedoch andererseits keine Pflicht, das Umgangsrecht auszuüben. Er kann vielmehr von einer Geltendmachung seines Umgangsrechts absehen, wobei dies im Einzelfall durchaus dem Wohl des Kindes dienlich oder dazu sogar erforderlich sein kann.

Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es nicht grundsätzlich - ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles - unzulässig, sich zur Nichtausübung des Umgangsrechts zwar nicht unbefristet ohne Rücksicht auf die künftige Entwicklung, aber doch für eine gewisse Zeit, jedenfalls dann zu verpflichten, wenn dies dem Kindeswohl entspricht.

Bei der Ausgangslage kann auch einer unbefristeten Zusage, das Umgangsrecht nicht auszuüben, nicht von vornherein jede Rechtswirkung abgesprochen werden. Auch soweit daraus für die Zukunft keine Bindung des umgangsberechtigten Elternteils abzuleiten ist, könnte es unter besonderen Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sich der sorgeberechtigte Elternteil auf die Unwirksamkeit der Zusage berufen und daraus Rechte herleiten würde. Ein solcher Fall käme hier in Betracht, weil die Zusage nach dem nicht bestrittenen Vorbringen des Klägers auf Drängen der Beklagte zustande gekommen ist und sich der Kläger weiterhin daran hält, ohne dass Umstände festgestellt sind, wonach dies dem Wohl des Kindes widerspräche.