Undank des Beschenkten BGB
1. Wenn gegenläufiges Handeln für den Beschenkten sittlich ge- boten ist, kann auch bei einer schweren Verfehlung eines Dritten gegenüber dem Schenker grober Undank des Beschenkten bejaht werden. In diesem Falle ist bei der erforderlichen Gesamtschau ins- besondere auch das spätere Verhalten des Beschenkten und des Schenkers zu berücksichtigen.
Anmerkung: In dieser Entscheidung hat der BGH erstmalig dazu Stellung genommen, ob der Schenker einen Widerruf seiner Schenkung auch mit dem Verhalten eines vom Beschenkten verschiedenen Dritten begrün- den kann. Der IVa-Zivilsenat hat die dazu vom RG entwickelte Rechtsprechung bestätigt. Danach kann im Rahmen des § 530 BGB das Verhalten eines Dritten dann Bedeutung erlangen, wenn der Beschenkte sittlich verpflichtet ist, die Verfehlung des Dritten zu verhindern (RGZ 158, 141; RG, Gruch 67, 562).
Die Verfehlung des Beschenkten selbst liegt demgemäß in seinem Unterlassen. Ist Voraussetzung für die Zurechenbarkeit der Verfehlung des Dritten die sittliche Verpflichtung des Beschenkten, dem Dritten entgegenzutreten, dann muss die in Rede stehende Verfehlung des Dritten ein ganz besonderes Gewicht haben. Sie muss die für § 530 BGB maßgebliche Grenze zwischen hinzunehmender leichter und beachtlicher schwerer Verfehlung, die Erheblichkeitsschwelle also, so deutlich überschritten haben, dass sich jedem die Wertung aufdrängt: Das durfte der Beschenkte nicht passiv einfach geschehen lassen, hier musste er aktiv tätig werden, hier war Handeln für ihn geradezu sittlich geboten. Zum letztgenannten Begriff sittlich geboten, hat sich der IVa-Zivilsenat auf sein Urteil vom 7. 3. 1984 - IV a ZR 152/82 - LM § 2330 BGB Nr. 5 bezogen. Mit dieser Bezugnahme wird der Hinweis der Entscheidung, bei der Beurteilung des Gewichtes der Verfehlung sei das Ermessen des Tatrichters nicht frei, zusätzlich unterstrichen. Denn nach dem in Bezug genommenen Urteil reicht zur Ausfüllung des Rechtsbegriffs sittliche Pflicht nicht die Feststellung aus, dies oder jenes gehöre in den Rahmen der Sittlichkeit oder sei sogar vom Gesichtspunkt der Sittlichkeit aus vorzugswürdig. Vielmehr verengt sich, wenn etwas sittlich geboten ist, der Beurteilungsspielraum erheblich in dem bereits erörterten Sinne, dass dies nur von einer sich jedermann aufdrängenden Wertung gesagt werden kann. Daran mag sich die Befürchtung knüpfen, der BGH wolle die Kompetenz des Tatrichters beschneiden, er werde auf diesem Weg sich Revisionen in Wertungsfragen heranzüchten. Ob diese Befürchtung gerechtfertigt ist, oder ob die Praxis solche Richtlinien doch als den Versuch verstehen wird, beide Pole im Blick zu halten, nämlich Einzelfallgerechtigkeit einerseits und Voraussehbarkeit und Rechtssicherheit andererseits, muss die Zukunft erweisen.
Hier jedenfalls reichte der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde zu legende Sachverhalt nicht aus - und das aus mehreren Gründen - von einer schweren Verfehlung des Dritten, des Ehemannes der Beschenkten, und damit von einer Verpflichtung zu gegenläufigem Handeln auszugehen. Die dafür erforderliche Gesamtschau, bei der insbesondere das spätere Verhalten des Beschenkten und das des Schenkers selbst zu berücksichtigen sind, konnte der IVa-Zivilsenat dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Das spätere Verhalten des Beschenkten - z. B. Entschärfung der Verfehlung des Dritten, Entschuldigung dafür, Wiedergutmachungsversuche - ist nicht nur unter dem Blickwinkel zu betrachten, ob es als gegenläufiges Handeln ausreicht. Es kann einerseits beeinflusst sein von deutlicher Unversöhnlichkeit des Schenkers, die mehr an Aktivität für den Beschenkten nicht geboten erscheinen lässt. Es kann andererseits bereits Bedeutung bei der Frage haben, ob überhaupt eine schwere Verfehlung des Beschenkten bejaht werden kann, dem ja sein Unterlassen vorgeworfen wird. Versuche, die als gegenläufiges Handeln noch nicht ausreichen, können das Gewicht des verbleibenden Unterlassens so vermindern, dass nicht mehr von einer schweren Verfehlung gesprochen werden kann. Zu bewerten ist der Unterschied, um den das tatsächliche Verhalten hinter dem gebotenen zurückbleibt.
Weiter hat der u. a. für Schenkungsrecht und Erbrecht gleichermaßen zuständige IVa-Zivilsenat die Gelegenheit benutzt, die Rechtsprechung zum Begriff der in beiden Rechtsgebieten genannten Verzeihung zusammenfassend darzustellen und dabei möglichen Missverständnissen entgegenzuwirken und für die erforderliche Differenzierung Sorge zu tragen. Dieses Wahrnehmen der Richtlinienkompetenz begründet einen guten Teil des Gewichts der Entscheidung. Die dabei eingeschlagenen Pflöcke verdeutlichen das Bemühen, eine formaljuristische Betrachtung zu vermeiden, den am Konflikt Beteiligten es zu ermöglichen, sich ihre mehr im Schatten liegenden Motivationen bewusst zu machen. Dieses Bemühen sollte nicht als ein Übergriff in Kompetenzen anderer Disziplinen missverstanden werden. Es wird vielmehr zur Versachlichung des Rechtsstreits beitragen und zu seiner Beschränkung auf das Wesentliche am Konflikt führen, weil es Verdecktes offenlegt, weil es Scheingefechte der Parteien als solche entlarvt. Hier kann man Parallelen zu den Bemühungen der Familienrichter bei deren wertenden Entscheidungen sehen, weil es auch hier um Beziehungen zwischen subjektiv empfindenden Menschen geht. Soll deren Bewertung durch den Richter Rechtsfolgen nach sich ziehen, dann ist am ehesten der Richter überfordert, der sich die Gefahr der Abhängigkeit von nicht eingestandenen Antrieben nicht genügend bewusst macht. Die Rechtsprechung zu § 48 II Ehegesetz bietet dafür ebenso Beispiele wie die zu § 1579 I Nr. 4 BGB