unfallbedingter Krankheit

Die Leistungen (Sachleistungen und Baraufwendungen) der gesetzlichen Krankversicherung bei unfallbedingter Krankheit sind nicht als anderer Ersatz im Sinne von § 839 I 2 BGB anzusehen, jedenfalls soweit die Haftung des Staates (Art. 34 GG) in Frage steht (Aufgabe der entgegenstehenden Rechtsprechung).

Anmerkung: Die X. besuchte den von der Landespolizei auf dem Gelände der Polizeischule veranstalteten Tag der offenen Tür. Auf Einladung fuhr sie im Beiwagen eines von einem Polizeibeamten geführten Motorrades auf dem nicht dem allgemeinen Verkehr gewidmeten Kasernengelände mit. Hierbei überschlug sich das Motorrad, die X. wurde schwer verletzt. Die Kläger, eine Ersatzkasse nach der RVO, hat Leistungen für die bei ihr versicherte X. erbracht. Mit der Klage macht sie die angeblich nach § 1542 RVO übergangenen Ersatzansprüche der Verletzten gegen die öffentliche Hand geltend.

Sämtliche drei Instanzen haben der Klage stattgegeben.

1.1. Der III. Zivilsenat geht mit dem Berufungsgericht davon aus, dass eine Haftung der Beklagte aus unerlaubter Handlung nur auf §839 BGB/Art. 34 GG gestützt werden kann (wird im einzelnen begründet).

2. Der Senat erwägt sodann, ob die Beklagte sich auf das sog. Verweisungsprivileg (§ 839 12 BGB) berufen kann, nicht zuletzt im Hinblick auf die Rechtsentwicklung, die mit BGHZ 68, 217 = LM vorstehend Nr. 38a (dort auch weitere Belege) begonnen hat und die dahin geht, dass das Verweisungsprivileg entfällt, wenn ein Amtsträger dienstlich am allgemeinen Straßenverkehr teilnimmt und hierbei schuldhaft einen Verkehrsunfall erleidet.

II. Diese Frage läßt der Senat aber letzthin offen. Er verneint hier die Anwendbarkeit der sog. Verweisungsklausel aus anderen Gründen: Er qualifiziert den Anspruch der Geschädigten gegen die (klagende) Ersatzkasse nicht als anderen Ersatz im Sinne des § 839 I 2 BGB. Damit setzt er die in BGHZ 70, 7 begonnene Rechtsprechung fort.

1. Zu Entwicklung und Stand der Rechtsprechung des III. Zivilsenats zu § 839 I 2 BGB: s. Anm. zu LM § 839 [E] BGB Nr. 38a; vgl. zu dem Problembereich auch: Stoll, FS Hauß 1978, 349ff.

2. Die hier zu besprechende Entscheidung gehört zur zweiten Fallgruppe, auf die der III. Zivilsenat § 839 I 2 BGB nicht (mehr) für anwendbar hält: sofern der Geschädigte einen Anspruch auf Schadensausgleich durch Versicherungsleistungen hat. Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass in den beiden Fallgruppen das Ergebnis übereinstimmt (Nichtanwendung des § 839 I 2 BGB), aber der Sachgrund und auch die tatbestandliche Anknüpfung unterschiedlich sind: In der ersten Gruppe (Straßenverkehr) liegt an sich ein Anspruch auf anderen Ersatz vor, aber aus anderen Gründen wird die Verweisung auf ihn ausgeschlossen; in der zweiten Gruppe (Versicherungsleistungen) wird der Anspruch des Geschädigten (gegen den Versicherer) bereits als im Sinne des § 839 I 2 BGB ungeeignet qualifiziert (kein anderer Ersatz). Zu dieser Fallgruppe vgl. die Zusammenstellung in LM vorstehend Nr. 38b zu III.

3. Der Zivilsenat hatte bereits im Urteil vom 10. 11. 1977 - III ZR 79/75 = BGHZ 70, 7 = LM vorstehend Nr. 38b - ausgesprochen, dass die Leistungen eines Trägers der französischen gesetzlichen Unfallversicherung an die Hinterbliebenen von Unfallopfern kein anderer Ersatz im Sinne des § 839 I 2 BGB sind. Damit war er von der bisherigen Rechtsprechung (vgl. u. a. BGHZ 31, 348 = LM § 1542 RVO Nr. 27/28) abgewichen (vgl. LM vorstehend Nr. 38b, besonders zu 0 3). Wie in der dortigen Anmerkung bereits ausgeführt, ließ die bereits allgemein gehaltene Begründung, ja teilweise das Nebeneinanderstellen von französischer und deutscher Unfallversicherung (vgl. z. B. BGHZ 70, 7 [11] erkennen, dass der Senat die Rechtslage jedenfalls für eine deutsche Unfallversicherung nicht anders beurteilen würde.

4. Das hier besprochene Urteil hatte darüber zu befinden, ob die Leistungen (Sachleistungen und Baraufwendungen) der gesetzlichen Krankenversicherung bei unfallbedingter Krankheit als anderer Ersatz im Sinne des § 839 1 2 BGB anzusehen sind. Diese Frage verneint der Senat in Fortfuhrung von BGHZ 70, 7 = LM vorstehend Nr. 38 b. Nach Auffassung des Senats fuhrt die hier vorzunehmende Abwägung zwischen dem gesetzlichen Anliegen des § 839 12 BGB und dem Regelungszweck sowie den Besonderheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zu dem Ergebnis, deren Leistungen nicht als anderen Ersatz im Sinne des § 839 I 2 BGB anzusehen. Hierzu wird erwogen:

a) Im einzelnen wird der Zweck der gesetzlichen (sozialen) Krankenversicherung, ihrer Leistungen - auch bei unfallbedingter Krankheit - dargelegt, die Regel- und Ausnahmesachverhalte für die Beitragsleistungen werden dargestellt einschließlich bestimmter Zuschüsse der öffentlichen Hand (Bund), die nicht als Subventionen des Staates für die Versichertengemeinschaft angesehen werden, sondern als Ausgleich für die der Versichertengemeinschaft aus Gründen des allgemeinen Wohles auferlegten öffentlichen Lasten (dazu: BVerfG, WM 1980, 886 [889]; Ruland, VjSchrSozR 1975, 92 [99] und Fn. 49).

b) Der Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung geht nicht dahin, dem Staat das Haftungsrisiko abzunehmen. Insbesondere ist dem § 1542 R VO zu entnehmen, dass in erster Linie verhindert werden soll, dem Haftpflichtigen im wirtschaftlichen Ergebnis die Last des von ihm zu verantwortenden Schadens abzunehmen und auf den Träger der Sozialversicherung endgültig zu verlagern. Der Schädiger soll vielmehr nicht freigestellt werden, soweit er ohne das Bestehen der Sozialversicherung dem Geschädigten zum Ersatz verpflichtet gewesen wäre (BGHZ 67, 138 [150] m. w. Nachw. = LM § 158 i VVG Nr. 2). Das entspricht allgemein anerkannten Grundsätzen der Vorteilsausgleichung. Bei dem Sozialversicherungsträger soll grundsätzlich nur das Risiko der Durchsetzbarkeit des Regreßanspruchs verbleiben (vgl. Futter, Subsidiarität der Amtshaftung, S. 69, 113 und VersR 1979, 305 [307]; vom Marschall, FS f. Reimer Schmidt, 1976 S. 771 [783]; Ruland, aaO, S. 98; Waldeyer, NJW 1972, 1249 [1252]; Lässig, JuS 1978, 679 [681]; vgl. auch Ossenbühl, StHR, 2. Aufl., S. 50).

c) Ein (der) entscheidender Gesichtspunkt ist der: Die Versicherten oder Dritte für sie bringen die Beiträge auf. Auch die von den Arbeitgebern gezahlten Beitragsteile (14) sind durch die persönliche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer mitbestimmt (vgl. BVerfG, NJW 1980, 692 [693]). Sie sind in diesem Zusammenhang gesehen verdienter Lohn (Jahn, FS f. Schieckel, 1978 S. 153 [166]; Isensee, DRentVers., 1980, 150). Eine Verweisung auf so gewonnene Versicherungsleistungen hätte zur Folge, dass der Geschädigte endgültig auf Ersatzmöglichkeiten verwiesen würde, die dieser unter Aufwendung eigener Mittel oder durch (von ihm verdiente) Leistungen Dritter erlangt hat. Hier liegt der Schwerpunkt der Begründung, die sich insoweit mit der in BGHZ 70, 7 = LM vorstehend Nr. 38 b deckt.

5. Damit weicht der Senat von seiner bisherigen Rechtsprechung (vor BGHZ 70, 7) und der des VI. Zivilsenats (vgl. Entscheidung vom 3. 7. 1973 - VI ZR 38/72 = VersR 1973, 1066 = NJW 1973, 1684, der aber auf Anfrage mitgeteilt hat, dass er an seiner Auffassung nicht festhalte, so dass kein Anlaß zur Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen bestand) ab, die die Leistungen der Träger der gesetzlichen Sozialversicherung an Geschädigte und Hinterbliebene grundsätzlich als andere Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 I 2 BGB angesehen hat (vgl. BGHZ 62, 394 [397]). Diese Judikatur geht auf die Rechtsprechung des RG zurück, das ab Urteil vom 15. 11. 1932 (RGZ 138, 209 - Kreditversicherung) zunächst die Leistungen privater Schadensversicherer (RGZ 145, 56 - Sachschadensversicherung; RG, JW 1935, 1034 Nr. 5-Kaskoversicherung; RGZ 152, 20 und 158, 176 - Unfallversicherung), sodann auch die Leistungen der Sozialversicherungsträger (RGZ 161, 199 - gesetzliche Kranken- und Unfallversicherung; RGZ 171, 173- Rentenversicherung) als anderen Ersatz im Sinne des § 839 I 2 BGB qualifiziert hat.

6. Es ist daran zu erinnern, dass zwar die erwähnte Rechtsprechung des RG und - zunächst - auch die des BGH davon ausgingen, § 839 I 2 BGB sei zugunsten der Beamten weit auszulegen (RGZ 158, 277; RGZ 161, 199; RGZ 171, 173; vgl. Nachweise zur BGH-Rechtsprechung in: BGB- RGRK, 12. Aufl., §839 Rdnr. 498). Die neuere Rechtsprechung engte aber zunehmend den Anwendungsbereich der Verweisungsklausel ein. Nur stichwortartig sei folgendes erwähnt:

Anerkennung von Ansprüchen, die selbständig neben die Amtshaftung treten und der Verweisungsklausel nicht unterliegen (Ansprüche aus enteignungsgleichem - vgl. BGHZ 6, 270 [290] = LM Art. 14 GrundG Nr. 7; BGHZ 13, 88 = LM vorstehend Nr. 5; auch BGHZ 72, 273; vgl. Rüfner in: Erichsen-Martens, Allg. VerwR, 3. Aufl., S. 444 - oder aufopferungsgleichem Eingriff- BGB-RGRK, 12. Aufl., Rdnr. 148 vor § 839; Ansprüche aus Verletzung beamtenrechtlicher Fürsorgepflichten - BGH, LM §839 [Fd] BGB Nr. 19 = VersR 1978, 281; BVerwGE 13, 17 - oder besonderer behördlicher Fürsorge- und Betreuungspflichten - B VerwGE 20, 136; BVerwGE 30, 46; Ansprüche aus dem Bereich der verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse - BGHZ 13, 88; BGHZ 66, 302 = LM §839 [Fh] BGB Nr. 12; BGHZ 61, 7 = LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 9; BGHZ 54, 299 = LM § 278 BGB Nr. 55; öffentlich-rechtliche Ansprüche aus cic - BGHZ 71, 386; Ansprüche gegen die öffentliche Hand aus fehlerhafter Geschäftsführung ohne Auftrag - BGHZ 63, 167 = LM § 680 BGB Nr. 4; Seerechtshaftung des Staates nach den für alle Schiffseigner geltenden Haftungsbestimmungen - BGHZ 3, 321 [332] = LM vorstehend Nr. 1; RGZ 149, 167; Gefährdungshaftung nach § 7 StVG - BGHZ 29, 38 [44] = LM Art. 34 GrundG Nr. 54 - und nach § 22 WHG - BGHZ 62, 351 = LM § 22 WasserhaushaltsG Nr. 10; BGHZ 55, 180 = LM § 22 WasserhaushaltsG Nr. 5).

Diese Entwicklung, die Verweisungsklausel zu begrenzen, hat sich insbesondere in BGHZ 68, 217 = LM vorstehend Nr. 38 a (Bereich des Straßenverkehrs) und in BGHZ 75, 134 = LM vorstehend Nr. 38 c (Bereich der als hoheitliche Aufgabe obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht) gezeigt. Das tritt auch in BGHZ 62, 380 = LM vorstehend Nr. 26, (Lohnfortzahlungsgesetz) und in BGHZ 62, 394 = LM vorstehend Nr. 25, (Bundesversorgungsgesetz) zutage.

7. Zur Frage der „Kompetenz dieser Restriktion vgl. LM vorstehend Nr. 38 a zu II 2 b) dd). Hinzukommt bei dieser Fallgruppe (Versicherungsleistungen), dass die weite Auslegung durch die frühere Rechtsprechung vorgenommen war, die jetzige Restriktion sich hier also als Rückführung auf den davor geltenden Stand darstellt.

8. Zu der Frage, ob die Veriveisungsklausel durch ihre Restriktion (restriktive Auslegung) praktisch bedeutungslos wird, vgl. LM vorstehend Nr. 38a zu III 3. Einen Wegfall der Verweisungsklausel bei persönlicher Außenhaftung des Beamten hat der erkennende Senat bisher nicht angenommen.