Unfallhelfer

Bei der Instandsetzung eines beschädigten Kraftfahrzeugs schuldet der Schädiger als Herstellungsaufwand nach § 249 S.2 BOB grundsätzlich auch die Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat; die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten.

Anmerkung: Der Kläger hatte nach einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die beklagte Haftpflichtversicherung voll einzustehen hatte, wegen der Reparatur seines Pkw und der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs einen Unfallhelfer in Anspruch genommen. Von den in Rechnung gestellten Reparaturkosten, die noch unter dem Voranschlag des von ihm befragten Sachverständigen geblieben waren, wollte die Beklagte rund 500 DM nicht erstatten, weil die Werkstatt nach Auffassung eines anderen, von ihr später hinzugezogenen Sachverständigen unnötige Arbeiten berechnet und auch sonst zu teuer gearbeitet habe. Bei den Mietwagenkosten erkannte die Beklagte statt der tatsächlichen Ausfallzeit von 26 Tagen nur 7 Tage an, weil die Reparatur auch in dieser Zeit hätte ausgeführt werden können.

Die Frage, ob der Schädiger oder der Geschädigte mit dem sog. „Werkstattrisiko, d. h. dem Mehraufwand wegen. überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder, unwirtschaftlicher Arbeitsweise bei der Reparatur des Unfallfahrzeugs zu belasten sei, war seit langem umstritten. Eine Meinung wollte das Risiko dem Geschädigten anlasten, da dieser die Reparatur zur Schadensminderung veranlasse und deshalb nach §§ 254 II 3,278 BGB sich ein Verschulden der Werkstatt als seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen müsse. Nach einer zweiten Ansicht trifft den Geschädigten nur die Verpflichtung; gegebenenfalls eine geeignete Reparaturwerkstatt zu beauftragen und diese im Rahmen des Zumutbaren zu überwachen; für darüber hinausgehende Risiken hat danach der Schädiger einzustehen. Eine dritte Auffassung ging davon aus, dass grundsätzlich der Geschädigte für das Verhalten der von ihm hinzugezogenen Werkstatt einzustehen habe, dass aber andererseits die Risikoverteilung des § 249 BGB zu Lasten des Schädigers berücksichtigt werden müsse und somit im Einzelfall abzuwägen sei, wie sich das Gewicht der Ursachenbeiträge verteile.

Der BGH ist der zweiten Auffassung gefolgt, weil die Belastung des Schädigers mit dem Werkstattrisiko sowohl der Wertung des § 249 BGB wie auch den wirtschaftlichen Gegebenheiten am ehesten entspricht. Dass der Geschädigte die Reparatur veranlasst, dass die Leistung des Schädigers auf Ersatz des in Geld bemessenen Herstellungsaufwandes geht, dass dies im Bereich des Verkehrsunfalls die ganz überwiegende Methode der Regulierung von Fahrzeugschäden ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Schadensbeseitigung nach § 249 S. 2 BGB im Rahmen der vom Schädiger geschuldeten Naturalrestitution bewegt. Übt der Geschädigte die Ersetzungsbefugnis des § 249 S. 2 BGB aus, so berührt das nicht die Pflicht des Schädigers, ihn wirtschaftlich so weit wie möglich so zu stellen, als wäre der Unfall nicht eingetreten. Zwar ist der Schädiger der Mühe enthoben, sich selbst um die Werkstatt zu kümmern, und braucht sich später nicht vorhalten zu lassen, dass der eingeschlagene Weg zur Herstellung nicht ausreiche. Insoweit übernimmt der Geschädigte Regie und muss sich bei wirtschaftlich vernünftigem Vorgehen vermeidbare Regiefehler - seien es eigene, seien es die seiner Helfer- anlasten lassen. Deshalb muss er die Werkstatt sorgfältig auswählen; bei erheblichen Schäden muss er einen Kostenvoranschlag einholen und sich sachverständig beraten lassen. Auch muss er auf eine zügige Durchführung der Reparatur dringen, um den Karenzschaden während des Reparaturausfalls in Grenzen zu halten. Jedenfalls bei auftretenden Schwierigkeiten mit der Werkstatt empfiehlt es sich für ihn, den Haftpflichtversicherer des Schädigers einzuschalten.

Damit hat er aber das Seine grundsätzlich getan; mehr Einfluss auf die Schadensregulierung hätte auch der Schädiger nicht, wenn er die Reparatur veranlasst hätte. Es fehlt deshalb an einem Sachgrund, ihn von den nun noch bestehenden Risiken der Instandsetzung des Unfallfahrzeugs freizustellen, für die er und nicht der Geschädigte aufzukommen hat. Deshalb passt eine Risikoverteilung, die in der Werkstatt den Erfüllungsgehilfen des Geschädigten sieht, hier nicht. Insoweit kann nichts anderes gelten als für das Fehlschlagen einer Heilbehandlung infolge ärztlichen Versagens. Der Schädiger kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, solche Risiken hätten sich bei einer anderen, von ihm beauftragten Werkstatt nicht verwirklicht; das ist eine Auswirkung der Ersetzungsbefugnis, mit der § 249 S. 2 BGB den Schädiger belastet.

Das Werkstattrisiko gehört so zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand, den der Schädiger nach dieser Vorschrift schuldet. Dass sich dieser Aufwand an einem objektiven Maßstab orientiert, besagt hiergegen nichts: auch das Erforderliche richtet sich nicht nach einer Norm, etwa einem Durchschnittssatz, sondern nach den konkreten Umständen, die nicht zuletzt in Umfang und Verlauf der Instandsetzungsarbeiten sowie in der Reparaturrechnung der Werkstatt sichtbar werden. Im Regelfall geben Reparaturrechnung und tatsächliche Ausfallzeit den erforderlichen Herstellungsaufwand an. Dass Kosten für Reparaturen, die nur bei Gelegenheit der Instandsetzung mitausgeführt werden, und Verzögerungen durch sie nicht dazugehören, ist selbstverständlich.

Aus denselben Erwägungen ist der Geschädigte auch nicht gemäß dem sinngemäß anzuwendenden § 254 BGB veranlasst, zunächst selbst die Auseinandersetzung mit der Werkstatt zu suchen. Auch das ist eine Auswirkung des Werkstattrisikos, der faktisch wie rechtlich schwachen Position des Kunden, dass ihm solche Auseinandersetzung mit der Werkstatt, die ihn schon mit dem Unternehmerpfandrecht in der Hand hat, besondere Risiken aufbürdet. Der Geschädigte soll nicht nur von ihnen verschont bleiben, sondern auch von dem Vorwurf des Schädigers, sich auf solche Auseinandersetzung nicht richtig oder nicht rechtzeitig oder zu lange eingelassen zu haben. Es erschien dem Senat richtiger, den Schädiger selbst die Entscheidung über ein etwaiges Vorgehen gegen die Werkstatt treffen zu lassen; zu diesem Zweck kann er verlangen, dass ihm der Geschädigte die Ansprüche gegen die Werkstatt abtritt. Möglicherweise kann so die Rechtsabteilung des Haftpflichtversicherers mit ihrem Instrumentarium und ihrer Übersicht das Kostenniveau nachhaltiger kontrollieren.

Hinsichtlich der Beauftragung eines Unfallhelfers mit den Instandsetzungsarbeiten hat der Senat aus BGHZ 61, 317, 322 wiederholt, diese könne durchaus schutzwürdigen Interessen des Geschädigten entsprechen. Dass sich der Markt der Interessen des Unfallgeschädigten bemächtigt, ist ja zum Teil Ausdruck eines echten Bedarfs, der einerseits durch die oft schleppende Regulierungspraxis der Versicherer und ihrer Machtstellung, andererseits durch die wirtschaftliche Einschätzung des Verkehrsunfalls als Massenerscheinung, die formularmäßig bewältigt werden kann, geweckt und geprägt ist. Ob er eine rechtliche Missbilligung der Unfallhilfe würde die Praxis heute hinweggehen. Aufgabe der Rechtsprechung kann es hier nur sein, zu verhindern, dass sich Niveau und Praktiken der Schadensabwicklung allgemein auf die Tarife und Verfahren dieser Ringe einpendeln. Sorge bereitet vor allem, dass durch Kumulierung von sonst unverbundenen Interessen die Kostenfaktoren künstlich hochgeschraubt werden. Es ist darauf zu sehen, dass die Reparaturen nicht im Interesse des Mietwagenunternehmens verzögert und im Interesse des angeschlossenen Finanzierungsinstituts verteuert werden. Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Geschädigte unversehens, oft sogar auf Initiative der Polizei, die den Abschleppdienst benachrichtigt, in den Einflussbereich des Ringes gerät und dort nicht zuletzt unter dem frischen Eindruck des Unfallerlebnisses einem starken psychischen, manchmal sogar physischen Zwang ausgesetzt ist. Schließlich hat ihn der Schädiger in diese Lage gebracht. Die Entscheidungen eines verständigen Menschen, von denen für den erforderlichen Herstellungsaufwand auszugehen ist, müssen den Geschädigten in dieser Zwangslage sehen. Deshalb hat der Senat gemeint, in solchen Fällen von den zu I mitgeteilten Erwägungen keine Ausnahme machen zu sollen. Allerdings wird der Geschädigte durch die Einschaltung des Unfallhelfers nicht seiner Verantwortung für ein Geringhalten des Schadens enthoben, soweit ihm solcher Einfluss bei der Auftragserteilung und bezüglich einer zügigen Durchführung der Reparatur möglich ist.