Unkenntnis des Mangels

a) Hatte der Käufer eines Grundstücks erst nach der -Übergabe, aber vor der Auflassung Kenntnis von einem Mangel des Grundstücks erlangt, so stehen Ihm Gewährleistungsansprüche (§§ 462, 463 BGB) nur zu, wenn bei der Auflassung ein Vor- behalt seiner Rechte erklärt worden war.

b) Dies gilt jedoch, wenn die Auflassung in Abwesenheit des Käufers durch einen dazu bevollmächtigten, im Sinne des § 166 Abs. 2 BGB nach bestimmten Weisungen des Käufers handelnden Dritten in Unkenntnis des Mangels erklärt worden war, nur dann, wenn der Käufer noch zu der Zeit, als er von dem Mangel erfahren hatte, auch positiv wußte, dass die Auflassung noch bevorstand.

c) Die Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB kommt auch dann in Betracht, wenn der Vollmachtgeber erst nach Erteilung der Vollmacht die Kenntnis erlangt, um deren Zurechnung es geht, und es zu dem durch den Bevollmächtigten vorzunehmenden Rechtsakt kommen lässt, ohne einzugreifen, obwohl er eingreifen könnte.

Anmerkung: Die Kenntnis eines Mangels einer gekauften Sache schließt auf diesen Mangel gestützte Gewährleistungsansprüche (§§ 462, 463 BGB) aus, wenn der Käufer sich seine Rechte trotz solcher Kenntnis bei der Annahme nicht vorbehält (§ 464 BGB). Die vorstehende Entscheidung behandelt die Fragen, auf welchen Zeitpunkt es für die Kenntnis beim Grundstückskauf ankommt und auf welche Gesichtspunkte im Falle der Vertretung des Käufers durch einen Bevollmächtigten abzustellen ist.

In dem hier vorliegenden Fall hatte der Käufer die Kenntnis von der Mangelhaftigkeit eines gekauften Grundstücks nicht schon zur Zeit der Übergabe, wohl aber zur Zeit der erst später erklärten Auflassung gehabt. Davon ausgehend, dass beim Grundstückskauf zur Annahme - im Sinne der Entgegennahme der gekauften Sache als einer der Hauptsache nach dem Vertrag entsprechenden Erfüllung (BGH NJW 1958, 1724 ; RGZ 64, 236, 240; Soergel-Bailerstedt, BGB, 10. Aufl., § 464 Nr. 4) - auch die Mitwirkung des Käufers bei der Auflassung gehört (RGZ 134, 83, 88; Staudinger-Ostler, BGB, 11. Aufl., § 464 Nr. 6; BGB-RGRK, 11. Aufl., § 464 Anm. 2), hat der BGH an das Urteil RG WarnRspr. 1912 Nr. 198 anknüpfend entschieden, dass der Käufer sich seine Rechte in einem solchen Fall bei der Auflassung vorbehalten muss. - Nach der Begründung der Entscheidung dürfte ein entsprechender Vorbehalt bei der Übergabe erforderlich sein, wenn bei umgekehrter Reihenfolge der die Annahme ausmachenden Handlungen - erst Auflassung, dann Übergabe - die Kenntnis nach der Auflassung, aber vor der Übergabe erlangt wird.

Eine Besonderheit des vorliegenden Falles ist darin zu sehen, dass die Auflassung auf Seiten des beklagte Käufers durch einen Unterbevollmächtigten erklärt worden war und dass weder der Bevollmächtigte noch der Unterbevollmächtigte zur Zeit der Auflassung den Mangel kannten. Zwar muss der Vollmachtgeber sich seine eigene Kenntnis dann entgegenhalten lassen, wenn der Bevollmächtigte nach bestimmten Weisungen handelt (§ 166 Abs. 2 BGB), und der Begriff des Handelns auf Weisung wird vom BGH (BGHZ 38, 65 = Nr. 7 zu §3 Anf 6 wie vorher schon vom RG (RG J-W 1916, 317 Nr. 2; RG SeuffArch. 82 Nr. 41; RGZ 161, 153, 161) weit ausgelegt, um entsprechend dem Gesetzestext Umgehungen durch die Bevollmächtigung eines arglosen Dritten zu verhindern (Jaeger, LZ 1912, 206; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955 S. 399). Hier hatte der Vollmachtgeber die Kenntnis des Mangels aber erst nach der Vollmachterteilung erlangt. Nach dem vorstehenden Urteil des BGH genügt dies dann, wenn der Vollmachtgeber den vom Bevollmächtigten vorzunehmenden Rechtsakt noch verhindern konnte (Neumann-Duesberg, 3R 1950, 332 Abschnitt IV; Soerget-Schultze- v. Lasaulx, BGB, 10. Aufl., § 166 Nr. 20; Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil des bürgerl. Rechts, 15. Aufl., § 182 Fußn. 18 S. 1118; vgl. auch Müller-Freienfels, aa0 S. 398). Sein Wissen muss sich nach dem Urteil auch auf diese Möglichkeit, mithin auch darauf erstrecken, dass die Auflassung noch bevorsteht. Bloße Fahrlässigkeit läßt der BGH unter Hinweis darauf, dass die dem § 464 BGB zugrundeliegender Annahme eines Verzichts positive Kenntnis voraussetzt, auch hinsichtlich der Kenntnis der noch gegebenen Möglichkeit des Eingreifens nicht genügen.