Unterhaltsanspruch

Nach dem Urteil des BVerfG vom 14. 7. 1981 gewährleistet § 1579 I BGB die Verfassungsmäßigkeit des verschuldensunabhängigen Unterhaltsrechts. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass der mit der Auferlegung von Unterhaltsleistungen verbundene Eingriff in die Handlungsfreiheit des Verpflichteten nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Wie das BVerfG hierzu ausgeführt hat, würde die Grenze der Zumutbarkeit eines schuldunabhängigen Unterhaltsanspruchs dort überschritten, wo ein getrennt lebender oder geschiedener Ehegatte Unterhaltsansprüche seines Partners zu erfüllen hätte, obwohl dieser sich durch eine Verhaltensweise, wie sie in den Ausschlusstatbeständen des § 1579 II Nm. 2 bis 4 BGB normiert ist, ganz bewusst von jeglichen ehelichen Bindungen gelöst hat..In einem solchen Fall wäre die mit der Inanspruchnahme verbundene Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und könnte vor dem Grundrecht des Art. 2 I GG nicht bestehen. In Übereinstimmung damit hat der Senat entschieden, dass ein Ehegatte, der sich in der oben dargelegten Weise durch die Aufnahme einer eheähnlichen Gemeinschaft oder eines nachhaltigen intimen Verhältnisses mit einem anderen Partner von seinen ehelichen Bindungen distanziert und seine Ehe faktisch als nicht mehr bestehend betrachtet, nicht seinerseits den Ehepartner aus dessen ehelicher Mitverantwortlichkeit für sein wirtschaftliches Auskommen in Anspruch nehmen kann. Diese Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme bezieht sich nicht nur auf die Fürsorge bis zur Ehescheidung, sondern auch auf den nachehelichen Unterhalt. Das gilt um so mehr, als das Gesetz während der Ehe, auch für die Zeit des Getrenntlebens, eine gesteigerte Verantwortung der Ehegatten füreinander vorsieht, während es nach der Scheidung grundsätzlich von der Eigenverantwortung jedes Ehegatten für seinen Unterhalt ausgeht. Demgemäß ist für den Regelfall davon auszugehen, dass Gründe der dargelegten Art, die zum vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Anspruchs auf Trennungsunterhalt nach § 1361 III i. V. mit § 1579 I Nr. 4 BGB geführt haben, jedenfalls dann auch für den nachehelichen Unterhaltsanspruch die Voraussetzungen der Härteregelung erfüllen, wenn das Verhältnis mit dem anderen Partner, wie hier, nach der Scheidung fortgesetzt wird.

Allerdings kann der Beklagte die Tatsache, dass sie mit H weiterhin zusammenlebt, nicht als Fehlverhalten im Sinne der Rechtsprechung zu § 1579 I Nr. 4 BGB vorgeworfen werden, da die eheliche Treuepflicht mit der Ehescheidung ihr Ende gefunden hat. Indessen kann sich, der in § 1579I Nr. 4 BGB vorausgesetzte andere, ebenso schwerwiegende Grund für die grobe Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Verpflichteten nicht nur aus einem vorwerfbaren Verhalten des Unterhaltsberechtigten, sondern auch aus Umständen ergeben, die ihm nicht als Fehlverhalten zur Last gelegt werden können. Nach dem im vorstehenden Abschnitt dargelegten Verständnis der Vorschrift kommt es bei ihrer Anwendung entscheidend auf die Prüfung an, ob die aus der Unterhaltspflicht erwachsenden Belastungen für den Verpflichteten die Grenzen des Zumutbaren überschreiten. Eine solche Unzumutbarkeit kann auch aus objektiven Gegebenheiten und Entwicklungen der beiderseitigen Lebensverhältnisse folgen. Das ergibt sich ferner daraus, dass § 1579 I Nr. 4 BGB nicht nur auf die - vorwerfbare Verhaltensweisen voraussetzenden - Tatbestände der Nr. 2 und Nr. 3, sondern auch auf Nr. 1 der Vorschrift verweist und damit auf einen Tatbestand Bezug nimmt, für den es nicht auf ein vorwerfbares Verhalten, sondern auf die Lebenssituation der Ehepartner, auf die Verflechtung und Abhängigkeit der beiderseitigen Lebensdispositionen ankommt. Demgemäß hält es das Gesetz auch in § 1579 I Nr. 4 BGB für möglich, dass nach der Scheidung eintretende Veränderungen in den Lebensverhältnissen der früheren Ehepartner die weitere Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen ganz oder zum Teil - möglicherweise auch zeitweilig - als zumutbar erscheinen lassen.

Eine solche Beurteilung kommt auch in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner in einer festen sozialen Verbindung zusammenlebt. Hier kann das Erscheinungsbild der Verbindung in der Öffentlichkeit dazu führen, dass die Fortdauer der Unterhaltsbelastung und des damit verbundenen Eingriffs in die Handlungsfreiheit und Lebensgestaltung für den Unterhaltspflichtigen unzumutbar wird. Das gilt etwa, wenn kein verständlicher Grund dafür ersichtlich ist, weshalb die Partner, wenn sie auch aus hinzunehmenden Gründen von einer Eheschließung absehen, nicht doch zu einer ehegleichen ökonomischen Solidarität gelangen, mithin gemeinsam wirtschaften und der den Haushalt und etwaige gemeinsame Kinder versorgende Partner - wie in einer Ehe - von dem anderen unterhalten wird.

Ob das auch im vorliegenden Fall anzunehmen ist, wird bei der neuen Verhandlung gegebenenfalls tatrichterlich zu prüfen sein. Für eine solche Annahme könnte sprechen, dass die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit H und den gemeinsamen Kindern wie eine normale Familie zusammenlebt, dass beide, wie H nach den Urteilsausführungen ausgesagt hat, Verlobungsringe tragen, um ihre Beziehungen etwas zu legalisieren, und dass sie nach dem insoweit unbestrittenen Sachvortrag des Klägers in einem Zeitungsinserat gemeinsam die Eröffnung der von H betriebenen Gaststätte angezeigt haben.

Das Berufungsgericht hat im angefochtenen Urteil den Vorwurf des Klägers, die Beklagte sehe von einer Eheschließung mit ihrem Lebensgefährten H ab, um sich den Unterhaltsanspruch aus der Ehe mit dem Kläger zu erhalten, für nicht bewiesen erachtet. Die dagegen erhobene Verfahrensrüge ist nicht begründet.

Der Ansicht der Revision, aufgrund des insoweit vorliegenden äußeren Sachverhalts müssten die Regeln des Anscheinsbeweises zur Anwendung belangen und dazu führen, dass die Beklagte ihrerseits ernsthafte und einleuchtende Möglichkeiten für ein Unterlassen der Eheschließung aus anderen Gründen darlegen und beweisen müsse, kann nicht gefolgt werden. Der geltend gemachte Ausschlussgrund erfordert die Feststellung einer auf einem Willensentschluss beruhenden individuellen Verhaltensweise in einer bestimmten Lebenslage, die keiner generalisierenden Beurteilung aufgrund allgemeiner Erfahrungsgrundsätze unterworfen werden kann und für die es daher nach der Rechtsprechung des BGH keinen Anscheinsbeweis gibt.

Außer der Beurteilung, in welchem Maße die Härteregelung des § 1579I Nr. 4 BGB im vorliegenden Fall verwirklicht ist, bedarf es erneut der Prüfung, ob die Vorschrift hier durch § 1579II BGB suspendiert ist. Dabei wird das Berufungsgericht das bereits angeführte, nach der Berufungsentscheidung ergangene Urteil des BVerfG vom 14. 7. 1981 zu beachten haben. Nach dessen Entscheidungssatz ist § 1579 II BGB mit Art. 2I GG nicht vereinbar, soweit danach die Anwendung des § 1579 I BGB auch in besonders gelagerten Härtefällen ausgeschlossen ist. Für derartige Fälle hat der Gesetzgeber nach dem Auftrag des BVerfG eine Regelung zu treffen, die dem Verhältnismäßigkeitsgebot Rechnung trägt. Dabei liegt es in seiner Gestaltungsfreiheit, ob er diesem Erfordernis durch eine ergänzende Regelung oder durch eine Umgestaltung des § 1579 II BGB entspricht. Da der Gesetzgeber diesem Auftrag bisher nicht nachgekommen ist, erhebt sich die Frage, wie die Vorschrift inzwischen zu handhaben ist.

Soweit zu dieser Frage in Rechtsprechung und Schrifttum Äußerungen vorliegen, sind diese uneinheitlich. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass § 1579 II BGB in der jetzigen Fassung nicht mehr anzuwenden sei. Nach anderer Auffassung hat der Richter aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalles zu prüfen, ob ein besonders gelagerter Härtefall vorliegt. Gelange er zur Verneinung dieser Frage, so stehe einer Entscheidung über den Unterhaltsanspruch auf der Grundlage von § 1579II BGB in seiner bisherigen Fassung, die insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar sei, nichts im Wege. Erachtet der Richter dagegen einen besonders gelagerten Härtefall für gegeben, so wird teilweise der Standpunkt vertreten, dass er unter Außerachtlassung von § 1579 II BGB und uneingeschränkter Anwendung von Abs. 1 der Vorschrift endgültig über die Sache entscheiden könne. Nach anderer Ansicht ist das Verfahren in einem solchen Fall auszusetzen.