Unterhaltsrente

Zur Frage, wann der Schädiger einer jungen, kinderlosen, arbeitsfähige Witwe zumuten kann, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, obschon sie bei Fortbestehen der Ehe ihrem Mann gegenüber dazu nicht verpflichtet gewesen wäre.

Zum Sachverhalt: Der Ehemann der Kläger kam im Jahre 1968 bei einem von ihm zu 1/3 mitverschuldeten Verkehrsunfall ums Leben. Die Kläger nimmt die beklagte Versicherung, die hinsichtlich der Unfallfolgen eine Haftung von 2/3 trifft, auf Schadensersatz in Anspruch. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sich die junge, kinderlose Kläger ihren ab 1970 erzielten Arbeitsverdienst auf ihre Unterhaltsrente anrechnen lassen muss. Denn ab diesem Zeitpunkt hätte der Ehemann der Kläger eine wirtschaftlich und sozial betrachtet so günstige Stellung erlangt, dass die Kläger als Ehefrau zur Ausübung einer eigenen Erwerbstätigkeit nicht mehr verpflichtet gewesen wäre. Die Vorinstanzen haben eine Anrechnung verneint. Die Revision der Beklagte hatte insoweit Erfolg.

Aus den Gründen: Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht das von der Kläger ab Januar 1970 erzielte Einkommen nicht auf die ihr nach § 844 II BGB zustehenden Unterhaltsrente anrechnet.

Zwar ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem Vortrag der Kläger folgt, sie sei im Falle des Fortleben ihres Ehemannes nicht mehr gesetzlich verpflichtet gewesen, durch Erwerbstätigkeit zum Familien- unterhalt beizutragen. Es, stellt rechtsfehlerfrei darauf ab, dass die Eheleute ab 1970 in so günstigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt hätten, dass die Kläger sich ausschließlich ihrem Haushalt hätte widmen dürfen, wie es in der Regel der von einer Ehefrau nach § 1360 BGB zu leistenden Unterhaltspflicht entspricht. Diese Frage, ob eine Ehefrau zu Lebzeiten ihres Mannes zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet war, stellt sich auch unabhängig davon, ob sie tatsächlich eine solche ausgeübt hatte oder ob die Ehegatten eine weitere Berufstätigkeit der Ehefrau geplant hatten. Zwar muss jeder Ehegatte unabhängig davon, ob er zu der von ihm gewählten Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet war, dann einen Beitrag zum Familienunterhalt leisten, wenn er tatsächlich Arbeitseinkommen hat. Dieser Rechtssatz hat aber nichts mit der hier zu entscheidenden Frage zu tun, ob die Kläger auch noch vom Jahre 1970 ab verpflichtet gewesen wäre, berufstätig zu sein.

Das Berufungsgericht irrt jedoch, wenn es aus der Verneinung einer Pflicht der Kläger, während der Ehe auch noch ab 1970 berufstätig zu sein, glaubt folgern zu können, dass für die Kläger auch keine Pflicht bestehe, sich ihren aus dem Arbeitserwerb erzielten Verdienst auf ihre Schadensersatzanspräche anrechnen zu lassen. Diese Frage stellt sich unabhängig vom Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu Lebzeiten des Ehemannes; sie kann sich rechtlich überhaupt erst dann stellen, wenn die erste Frage, ob der Kläger ein Unterhaltsanspruch entzogen worden ist, bejaht worden ist. Wenn sie schon zu Lebzeiten verpflichtet gewesen war, einem Arbeitserwerb nachzugehen und das getan hat, so ist dies ein starkes Indiz dafür, dass sie nach dem Tode ihres Ehemannes auch dem Schädiger gegenüber gemäß § 254 II BGB zur Berufstätigkeit verpflichtet ist. Daraus kann aber nicht der umgekehrte Schluss gezogen werden, dass, wenn sie zu Lebzeiten ihres Mannes zur Berufsausübung nicht verpflichtet war, eine solche auch nach dessen Tode gemäß § 254 II BGB gegenüber dem Schädiger nicht in Betracht käme. Dies kann auch nicht dem Urteil des Senats vom 2. 12. 1969 - das sich nur auf die Höhe des Unterhalts bezieht-, ebenso wenig dem Urteil des III. Zivilsenats vom 29. 10.1959 entnommen werden. Ob eine Witwe dem Schädiger gegenüber verpflichtet ist, den durch Verlust ihres Rechts auf Unterhalt eingetretenen Schaden durch eine Berufstätigkeit ganz oder teilweise auszugleichen, bestimmt sich, wie schon das RG und ihm folgend der BGH ausgesprochen haben, vielmehr nach § 254 BGB, d. h. also danach, ob die Witwe durch Nichtausübung einer Berufstätigkeit die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verletzen würde. Das ist dann zu bejahen, wenn der Witwe die Übernahme einer Erwerbstätigkeit nach den Gegebenheiten des einzelnen Falles zugemutet werden kann und sie gegen Treu und Glauben verstieße, falls sie es ablehnte, einem Erwerb nachzugehen. Wie in BGHZ 4 ausgeführt wird, umfasst das Verschulden i. S. des § 254II BGB jeden Verstoß gegen Treu und Glauben, mithin auch ein Unterlassen derjenigen Maßnahmen, die jeder ordentliche und verständige Mensch ergreifen müsste, um Schaden von sich abzuwenden. Dabei sind entscheidend die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu berücksichtigen sowie ob nach Alter, Leistungsfähigkeit und den sonstigen Lebensverhältnissen, vor allem bei schon früher ausgeübter Erwerbstätigkeit und entsprechender Ausbildung, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verlangt werden kann. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung und wird auch vom Schrifttum - soweit ersichtlich - einhellig geteilt. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der BGH einer Witwe auch im Hinblick auf ihr Alter oder auf zu betreuende Kinder oder die Ausübung einer sozial nicht gemäßen Tätigkeit die Aufnahme einer Arbeit nicht zugemutet.

Anders verhält es sich aber dann, wenn eine junge, arbeitsfähige und kinderlose Frau Witwe wird, so dass die Pflicht entfällt, dem Ehemann den Haushalt zu führen. Eine Frau, die nur für sich selbst zu sorgen hat, wird in aller Regel, wenn sie nach dem Tode ihres Mannes mittellos und ohne sonstige Einkünfte wäre, von ihrer Arbeit und dem dadurch erzielten Verdienst leben. Einer solchen jungen Witwe wird im Allgemeinen zuzumuten sein, zum Zwecke der Schadenminderung einen ihrem sozialen Stand und ihren Fähigkeiten angemessenen Beruf zu ergreifen und auszuüben. Für die Frage, ob die Art einer möglichen Berufsausübung angemessen und damit zumutbar ist, wird entscheidend zu berücksichtigen sein, welche Fähigkeiten und Kenntnisse die Witwe hat, aber auch, ob der ausgeübte oder auszuübende Beruf ihrer als Ehefrau erlangten sozialen Stellung gemäß ist. So kann z B nicht verlangt werden, dass die Witwe im Interesse des Schädigers eine Tätigkeit aufnimmt, die erheblich unter der sozialen Stellung liegt, die sie bei Lebzeiten ihres Mannes eingenommen hatte. Dieser Gesichtspunkt trifft hier offenbar nicht zu. Die Kläger übt nach dem Tode ihres Mannes denselben Beruf aus, den sie auch während der Ehe ausgeübt hat und der in das von ihr gelernte Fachgebiet fällt.