Unterlagen an den Mandanten

Hat ein Rechtsanwalt von seinem Mandanten sämtliche, diesem zur Verfügung stehende Unterlagen über eine Kaufpreisforderung erhalten, um die Forderung gerichtlich durchzusetzen, so verletzt er nachvertragliche Pflichten aus dem Anwaltsvertrag, wenn er, obwohl eine Verjährung droht, nach Beendigung des Mandats weder diese Unterlagen an den Mandanten zurückgibt, noch ihn anderweitig auf die drohende Verjährung hinweist.

Zum Sachverhalt: Die Kläger verlangt von den beklagte Rechtsanwälten Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten. Die Beklagte betrieben bis zum Jahre 1980 gemeinsam eine Anwaltspraxis. Zu ihren ständigen Mandanten gehörte auch die Kläger mit Schreiben vom 8. 1. 1975 beauftragte die Kläger den Erstbekl., eine ihr abgetretene Forderung gegen ein unter der Firma C betriebenes italienisches Unternehmen sofort einzuklagen. Auf dessen Bitte, ihm sämtliche Unterlagen, die Auskunft über die Geschäftsbeziehung bzw. vereinbarten Verträge mit der Firma C geben könnten, zu übersenden, schickte die Kläger mit Schreiben vom 14. und 15. 1. 1975 dem Erst- bzw. Zweitbeklagte Fotokopien und Originalschreiben und bat nochmals, nunmehr gegen die Firma C im Wege der Klage vorzugehen. Die Forderung stand ursprünglich der S-GmbH zu und stammte u. a. aus der Lieferung von Elektroradiatoren, die mit Rechnung von 20. 12. 1973 fakturiert worden waren. Die Gläubigerin, die zwischenzeitlich als E-GmbH firmierte und inzwischen Konkurs angemeldet hat, trat die Forderung dann an die Herstellerin der Elektrogeräte, die P-KG, ab. Dieser gegenüber erklärte die Firma C mit Schreiben vom 20. 11. 1974 folgendes:

Mit Bezugnahme auf unser Schreiben vom 7/5/74 übersenden wir Ihnen in der Anlage (1) 1 Kostenaufstellungs-Rechnung der Firma 0; (2) 4 Fotokopien Rechnungen Transportkosten gemäß unserer Aufstellung Ihnen bereits übergeben für Reparaturen ecc. Ihrer Radiatoren. Wir erwarten von Ihnen das Benestare für diesen Betrag von 40688 DM = pari Lire 10845. Sowie wir dieses Benestare erhalten haben, werden wir den Differenzbetrag zu Ihrer Rechnung vom 20/12/73 über 79400 DM überweisen. Wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir den Mindestbetrag eingesetzt haben, der uns entstandene Schaden und die Kosten sind weit höher. Es sei auch erwähnt, dass der Kundendienst für diese Geräte weitere Kosten für uns verursacht, da sich die Kunden natürlich an uns und nicht an die Firma S wenden. Zusammengefasst möchten wir sagen, dass wir gezwungen sind, die Bezahlung der Restrechnung weiter in der Schwebe zu halten, wenn wir kein Benestare über den belegten Betrag erhalten.

Am 10. 12. 1974 nahm die P-KG von der Firma C 419 Radiatoren zurück und schrieb dafür der Kläger, welche die Schulden der E-GmbH gegenüber der P-KG übernommen hatte, 53062,44 DM gut. Mit Schreiben vom 2. 6. 1975 teilte die Kläger den Beklagten folgendes mit: Bis zum heutigen Tage haben wir leider in Sachen C nichts gehört. Wir möchten Sie bitten doch diesen Vorgang zu forcieren und erwarten in den nächsten Tagen Ihren geschätzten Bericht. Der Zweitbeklagte bat daraufhin mit Schreiben vom 5. 6. 1975 noch um Vorlage der Abtretungserklärung, damit er die Klage umgehend einreichen könne. Dieser Bitte kam die Kläger mit Schreiben vom 2. 7. 1975 nach, dem sie eine Rückabtretungserklärung der P-KG vom gleichen Tage beilegte. Nachdem die Kläger mit Schreiben vom 3. 2., 10. 2. und 1. 4. 1977 jeweils den Zweitbeklagte gedrängt hatte, in der Angelegenheit C etwas zu unternehmen, kündigte sie mit Schreiben vom 9. 3. 1978 das Mandat gegenüber den Beklagten und bat darum, ihr die gesamten Vorgänge zurückzugeben, damit ein anderer Anwalt mit der Interessenwahrnehmung beauftragt Werden könne. Nach einem Gespräche zwischen dem Geschäftsführer der Kläger, dem nunmehr von der Kläger beauftragten Rechtsanwalt Dr. H, und dem Erstbeklagte übersandten die Beklagte die von der Kläger erhaltenen Unterlagen mit Schreiben vom 29. 10. 1979 an Rechtsanwalt Dr. H. Dieser kam nach Durcharbeitung der Unterlagen zu dem Ergebnis, die Forderung sei zwischenzeitlich verjährt. Die Kläger hat daraufhin von beiden Beklagten Schadensersatz in Höhe der angeblich verjährten Forderung verlangt. Sie hat behauptet, sie habe den Beklagten sämtliche Unterlagen, die sich in ihrem Besitze befanden, übergeben. Nach Kündigung des Mandates hätten daher weder sie noch ihr neuer Anwalt Feststellungen dazu treffen können, wann die Forderung verjähre. Die Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätten daher, wenn sie die Unterlagen nicht hätten zurückgeben wollen, rechtzeitig auf die drohende Verjährung hinweisen müssen.

LG und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Rückweisung.

Aus den Gründen; I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu.

Dabei lässt es dahingestellt, ob die angebliche Forderung der Kläger gegen die Firma C nach deutschem oder italienischem Recht zu beurteilen sei. Komme italienisches Recht zur Anwendung, so sei der Kläger gar kein Schaden entstanden, da die Forderung dann erst nach 10 Jahren verjähre. Komme dagegen deutsches Recht zur Anwendung, so betrage die Verjährungsfrist zwar nur 4 Jahre. Die Forderung sei aber dennoch im Zeitpunkt der Mandatskündigung am 9. 3. 1978 noch nicht verjährt gewesen, da die Verjährung aufgrund des Schreibens der Schuldnerin vom 20. 11. 1974, welches als Anerkenntnis zu werten sei, unterbrochen worden sei; es seien der Kläger daher nach der Mandatskündigung noch mehr als 8 Monate verblieben, um die Forderung einzuklagen. Für die Beklagte habe damals kein Anlass bestanden, die Kläger auf eine drohende Verjährung hinzuweisen, zumal diese in dem Kündigungsschreiben angekündigt habe, sie wolle einen anderen Anwalt mit ihrer Interessenwahrnehmung beauftragen. Darin liege selbst dann kein schuldhaftes Unterlassen der Beklagte, wenn davon ausgegangen werde, sie hätten ihre Handakten erst auf Anforderung des neuen Anwalts der Kläger mit Schreiben vom 29. 10. 1981 (gemeint war offenbar der 29. 10. 1979) herausgegeben, da auch zu diesem Zeitpunkt die Forderung noch nicht verjährt gewesen sei.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Beklagte ihre Anwaltspflichten, die ihnen der Kläger gegenüber oblagen, dann nicht verletzt hatten, wenn sich die an die Kläger abgetretene Kaufpreisforderung nach italienischem Recht richtete und erst nach 10 Jahren verjährte. Bei solcher Gestaltung wären die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, nach Kündigung des Mandates bzw. Rückgabe der Handakten auf eine drohende Verjährung hinzuweisen, da diese noch in weiter Ferne lag. Im übrigen wäre der Kläger, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist, in diesem Fall kein Schaden entstanden.

2. Sollte dagegen auf das der Forderung zugrunde liegende Rechtsverhältnis deutsches Recht anzuwenden sein, was von dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Parteiwillen abhängig ist (BGHZ 19, 110 [111] = LM Art. 7ff. EGBGB Nr. 15 = NJW 1956, 377) und damit festzustellen dem Tatrichter obliegt, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen eine Pflichtverletzung der Beklagte allerdings nicht verneint werden.

a) War die Forderung bereits während der Zeit verjährt, in der die Beklagte mit der Beitreibung der Forderung beauftragt waren, so kann eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagte bereits in der unterlassenen klageweisen Geltendmachung der Forderung hegen.

b) Trat die Verjährung erst am 20. 11. 1978 ein, weil wie das Berufungsgericht meint, das Schreiben der Firma C vom 20. 11. 1974 als ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis von, 38712 DM (nicht 38772 DM, wovon das Berufungsgericht aufgrund eines Schreib- oder Rechenfehlers ausgeht) gewertet werden konnte, so können die Beklagte ebenfalls Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt haben. Die Pflichtverletzung kann dann darin liegen, dass sie nach der Kündigung des Mandates die Kläger nicht auf den bevorstehenden Ablauf der Verjährung hingewiesen haben.

aa) Irrtümlich geht das Berufungsgericht davon aus, ein Verschulden entfalle insoweit schön deshalb, weil im Zeitpunkt der Herausgabe der Handakten an Rechtanwalt Dr. H die Förderung noch nicht verjährt gewesen sei. Abgeelien davon, dass da03erGer. diesen Zeitpunkt (möglicherweise nur infolge eines Schrei] Fehlers) sogar noch um zwei Jahre hinausschiebt; war die Forderung, aber auch bereits am 29. 10. 1979 seit rund 11 Monaten verjährt; wenn deutsches Recht zur Anwendung kam.

bb) Der erkennende Senat vermag aber auch nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu billigen, die Beklagte hätten, obwohl sie die Akten (wegen Nichtzahlung der Anwaltsgebühren seitens der Kl;) zurückhielten, keinen Anlass gehabt, die Kläger auf die drohende Verjährung hinzuweisen. Die Kläger hatte unwidersprochen vorgetragen, Sie, in deren Person die Kaufpreisforderung nicht entstanden war; liße ihre sämtlichen Unterlagen über diesen Vorgang den Beklagten zu Prüfung ausgehändigt. Damit ist - jedenfalls für die Revisionsinstanz - davon auszugehen, dass die Kläger, nachdem sie den Beklagten die Vertretung entzogen hatte, über keine Unterlagen mehr verfügte, aus denen sie oder der nunmehr von ihr beauftragte Rechtsanwalt den Verjährungsablauf überprüfen konnte. In einem solchen Fall handeln Anwälte pflichtwidrig, wenn sie - obwohl eine Verjährung droht - nach Kündigung des Mandates aus Gebührenerwägungen die Handakten zurückhalten, ihren seitherigen Mandanten aber auch nicht anderweitig auf die drohende Verjährung hinweisen. Es ist nicht ersichtlich, wie die Revisionserwiderung meint, dass jeder neu beauftragte Anwalt ohne die Handakten der Beklagte eine Prüfung der Verjährungsfrage vornehmen konnte.