Urheberrechtsschutz

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein aus dem Urheberrecht hergeleiteter Anspruch verwirkt werden kann.

Zum Sachverhalt: Zwischen 1953 und 1957 entwarf der 1961 verstorbene S die in der Klage näher bezeichneten Stühle und Tischfüße. An diesen bestanden nationale und internationale Geschmacksmusterrechte, die abgelaufen sind. Aufgrund der Verträge zwischen den Rechtsvorgängerinnen der Kläger und S vom 2. 5. 1957 stellt die Kläger diese Stühle und Tische her und vertreibt sie in der Bundesrepublik durch eine Tochtergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft K. Die Beklagte stellt Möbelbeschläge und Möbel. her und vertreibt diese. Sie vertreibt auch Stühle und Tischfüße, die denen der Kläger ähnlich sind. Mit Fernschreiben vom 28. 10. 1977 hat die Kläger die Beklagte abgemahnt. Sie nimmt an den Stühlen und Tischfüßen Urheberrechtsschutz in Anspruch, den sie nach dem Vertrag mit S geltend machen könne. Die Stühle und Tischfüße der Beklagte seien Nachahmungen ihrer Produkte. Daneben hält sie den Tatbestand des sklavischen Nachbaus und damit einen Verstoß gegen § 1 UWG für gegeben. Die Beklagte hält ein Urheberrecht nicht für gegeben und bestreitet einen Nachbau. Aufgrund des Vertrages mit S sei die Kläger weder Rechtsinhaberin noch zur Prozeßführung befugt. Außerdem habe die Kläger Unterlassungsansprüche durch ihre Untätigkeit bis zum Abmahnungsschreiben verwirkt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht führt ohne Rechtsirrtum aus, die Kläger sei zur Prozessführung befugt, weil die Erben des allein als Urheber in Frage kommenden Entwerfers S die Kläger zur Geltendmachung auch ihrer etwaigen Rechte allein im eigenen Namen ermächtigt hätten. Darüber hinaus bestehen gegen die Prozessführungsbefugnis der Kläger in gewillkürter Prozessstandschaft auch dann keine Bedenken, wenn sie aus dem Vertrag vom 2. 5. 1957 nur einfache schuldrechtliche Nutzungsbefugnisse herleiten könnte.

Da der als Urheber benannte S Ausländer ist, hätte das Berufungsgericht zunächst prüfen müssen, ob die Kläger für ihn nach § 121 UrhG Urheberrechtsschutz nach Inlandsrecht in Anspruch nehmen kann. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob - wie nach dem Sachverhalt nahe liegt - die Kläger in den USA einen inzwischen abgelaufenen Design-Patent-Schutz erlangt hatte und schon allein aufgrund dessen ein Urheberrechtsschutz aus Rechtsgründen ausscheidet. Für die weitere Erörterung ist zu unterstellen, dass S Urheberrechtsschutz nach Inlandsrecht genießt.

Es ist ferner mit dem Berufungsgericht zu unterstellen, dass für die hier zu beurteilenden Möbel des Urhebers S Urheberrechtsschutz nach § 2 II UrhG besteht und dass die Möbel der Beklagte die charakteristischen Eigenheiten der Werke S übernehmen, so dass dadurch dessen Urheberrecht verletzt wird.

Den als begründet zu unterstellenden Unterlassungsansprüchen der Kläger steht nach Auffassung des Berufungsgerichts der Einwand der Verwirkung entgegen. Mit diesem Einwand soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden; er beruht auf dem Rechtsgrundsatz des § 242 BGB und ist eine besondere Form der unzulässigen Rechtsausübung; die Entscheidung über sein Vorliegen erfolgt durch Abwägen aller auf beiden Seiten zu berücksichtigenden Umstände, wobei Art und Inhalt des geltend gemachten Rechts für die Voraussetzungen und die Maßstäbe von besonderer Bedeutung sind WZG Nr. 16; BGHZ 26, 52 [64] - Sherlock Holmes = NJW 1958, 459 = LM § 16 UWG Nr. 27). Urheberrechtliche Ansprüche, wie sie hier geltend gemacht werden, sind Ausfluss eines Rechts, das seinen Wert aus der ihm zugrunde liegenden schöpferischen, geistigen Leistung erhält und das persönlichkeits- und vermögensrechtlichen Schutz aus den Verfassungssätzen der Kunstfreiheitsgarantie und des Eigentums genießt. Dieser Schutz schließt zwar eine Verwirkung von aus dem Urheberrecht hergeleiteten Ansprüchen nicht grundsätzlich aus, doch muss bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen die Wertigkeit des Urheberrechts hoch angesetzt werden. Das erfordert zunächst, dass der Verletzer sich einen so wertvollen Besitzstand geschaffen hat, dass es geboten erscheint, die Verwirkung eines urheberrechtlichen Anspruchs in Betracht zu ziehen. Ferner ist erforderlich, dass angesichts des wertvollen Besitzstandes die Rechtsverletzung dem Rechtsinhaber so offenbar wird, dass sein Schweigen vom Verletzer als Billigung gedeutet werden kann oder jedenfalls als sicherer Hinweis, der Rechtsinhaber werde von der Verfolgung seiner Rechte absehen. Diesen Grundsätzen werden die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht gerecht. Im einzelnen: Das Berufungsgericht konnte seine Folgerung, die Kläger sei mit dein Nachbau ihrer Gegenstände einverstanden, nicht damit begründen, es bestünden gegen die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Stühle und Tischbeine Bedenken; denn die schöpferische Leistung i. S. des § 2 II UrhG hat das Berufungsgericht unterstellt ebenso wie den Verletzungstatbestand; bei einer solchen Lage bestand für das Berufungsgericht kein Anhalt für die Annahme, die Kläger oder der Urheber seien mit einer Verletzung ihrer Rechte einverstanden oder nähmen derartige Verletzungen durch Nachbau hin. Überdies ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu billigen, der Auffassung der Beklagte, die Kläger werde Verletzungen etwaiger Urheberrechte nicht verfolgen, sei zuzustimmen, weil zweifelhaft sei, ob überhaupt eine eigene geistige Schöpfung vorliege und kein Anhalt für eine bewusste Rechtsverletzung durch die Beklagte bestehe. Eine solche Betrachtungsweise würde die vom Berufungsgericht nicht getroffene Feststellung voraussetzen, dass das - unterstellt schutzfähige Werk an der unteren Grenze der Schutzfähigkeit stünde. Für diesen Gedanken ist zudem regelmäßig im Urheberrecht kein Raum; wer, wie hier zu unterstellen ist, die charakteristischen Eigenheiten eines fremden Werks übernimmt, trägt das volle Risiko, dass er fremdes Urheberrecht verletzt.

Dem BerGer kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als es aus einem Zeitschriftenartikel Folgerungen für eine Verwirkung der Unterlassungsansprüche der Kläger zieht. Das Berufungsgericht führt dazu im Einzelnen aus, die Enkelfirma der Kläger habe den Artikel zur Kenntnis nehmen müssen; die Beklagte habe von einer solchen Kenntnis ausgehen dürfen; in dem Artikel heiße es, die Stuttgarter Vertreter von K versagten es sich prinzipiell, gegen Nachahmungen vor Gericht anzustreiten; K habe sich dahin geäußert, nach der Rechtslage sei nur die sklavische Nachahmung verboten; die Kläger habe nicht vorgetragen, dass sie oder ihre Stuttgarter Enkelfirma etwa dieser Passage im Zeitschriftenartikel jemals öffentlich entgegengetreten sei; der Leser habe daraus entnehmen können, dass die Kläger nur gegen unlauteren Wettbewerb durch sklavische Nachahmung vorgehe, aber selbst nicht an ein Urheberrecht glaube. Aus diesem Artikel, der zur Zeit des ersten Auftretens der angegriffenen Möbel der Beklagte schon über zehn Jahre zurücklag, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts für eine Verwirkung von Rechten der Kläger zu entnehmen. Dort sind keine konkreten Fälle der Duldung von Nachbauten der hier in Betracht kommenden Möbel aufgeführt. Es lässt sich aus dem Satz, man werde nicht Nachempfindungen, sondern nur sklavische Nachahmungen vor Gericht verfolgen, nicht entnehmen, die Kläger werde die Verletzung von Urheberrechten hinnehmen. Davon abgesehen, sind Presseartikel der hier vorliegenden Art allgemein nicht geeignet, Verletzern einen Vertrauensschutz zu gewähren. Ob die Kläger oder ihre Enkelfirma den Artikel kannte, ist rechtlich unerheblich. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Beklagte einen Vertrauensschutz als Grundlage einer Verwirkung auch nicht aus ihrer Erkundigung bei ihrer Lieferfirma herleiten. Eine solche Erkundigung könnte allenfalls ihr Verschulden ausschließen, aber keinesfalls gegenüber der insoweit unbeteiligten Kläger einen Vertrauenstatbestand begründen. Schließlich führt das Berufungsgericht aus, die Beklagte zeige die Möbel seit 1971 in ihrem Katalog. Die Firma K habe schon 1972 unter Angabe von Artikelnummern anhand dieses Kataloges bestellt, also den Katalog benutzt und gleichwohl keine Schritte gegen die Beklagte unternommen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte während und infolge der Untätigkeit der Kläger einen wertvollen Besitzstand erlangt; die Beklagte verkaufe durchschnittlich 2000 Gestelle pro Jahr mit Umsätzen bis zu 160000 DM und 170000 DM. Dieser Beurteilung des BerGer kann nicht gefolgt werden. Es fehlt zunächst schon an einem wertvollen Besitzstand, auf den sich die Beklagte berufen könnte. Umsätze in der vom Berufungsgericht festgestellten Höhe von 160000 DM bis 170000 DM = 1% des jährlichen Umsatzes der Beklagte reichen unter den hier vorliegenden Umständen weder absolut noch im Verhältnis zum Gesamtumsatz der Beklagte aus, eine Verwirkung zu begründen. Darüber hinaus hat die Beklagte auch hier keinen Sachverhalt vorgetragen, der ihr Vertrauen hätte rechtfertigen können, die Kläger werde ihre Urheberrechte nicht verfolgen. Die angegriffenen Möbel sind in dem umfangreichen Katalog abgebildet; die Geschäftstätigkeit der Beklagte und damit auch der Inhalt des Katalogs betrifft in erster Linie Beschläge und nur am Rand auch Möbel. Bei dieser Sachlage konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass ein Verantwortlicher der Kläger den Katalog in seinem vollen Inhalt prüfen werde, wenn Zubehör bestellt werden sollte; die Beklagte konnte deshalb auch nicht darauf vertrauen, weil die Kläger schweige, werde sie gegen Verletzungen ihrer Urheberrechte nichts unternehmen.