Urlaubsentgelt

Der Anspruch eines Angestellten auf bezahlten Urlaub gehört zu dem aufgrund des Dienstverhältnisses erzielten Erwerb. Dieser Anspruch kann an den Arbeitgeber abgetreten werden, soweit dieser auch für die Zeit einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bezahlten Urlaub gewährt hat. Der Schädiger ist zum Ersatz des auf diesen Zeitraum entfallenden Teiles des Urlaubsentgelts verpflichtet.

Anmerkung: Folgender Sachverhalt unterlag der rechtlichen Beurteilung: Ein als Angestellter beim klagenden Land tätiger Diplomingenieur wurde bei einem Verkehrsunfall verletzt. Aufgrund dessen war er mehrere Monate arbeitsunfähig. Das klagende Land hat ihm tarifgemäß den vollen bezahlten Jahresurlaub gewährt.

Jetzt nimmt es aus abgetretenem Recht den Kfz-Haftpflichtversicherer nach den Vorschriften des PflVersG auf Schadensersatz in Anspruch. Die Parteien gehen davon aus, dass der Beklagte den Schaden des Angestellten zu 4/6 zu ersetzen hat. Streit besteht nur darüber, ob diesem auch ein Anspruch auf Ersatz eines anteiligen Urlaubsentgelts erwachsen ist. Landgericht und KG haben der Klage stattgegeben. Der BGH hat die zugelassene Revision des Versicherers zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ist - ebenso wie die Entscheidung vom gleichen Tage - zu sehen in der Reihe von Judikaten, in denen sich eine stetige Rechtsentwicklung abzeichnet. Soweit es an einer von der Rechtsordnung angeordneten cessio legis vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer fehlt, stand jeweils in Frage, ob der AG aus abgeleitetem Recht dessen Ansprüche auf Ersatz des Schadens geltend machen kann, der bei diesem an sich erwachsen war, aber aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder Vereinbarungen vom AG aufgefangen wurde. Stationen auf dem Wege dieser Rechtsentwicklung sind: Schadensersatzanspruch des AG aus abgeleitetem Recht für das weitergezahlte Entgelt einschließlich der Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen, für die anteilige Weihnachtsgratifikation und jetzt für anteiliges Urlaubsentgelt.

Nach Auffassung des VI. ZS ist der verletzte und dadurch zeitweise arbeitsunfähige Angestellte auch dann, wenn er den vollen bezahlten Jahresurlaub erhält, in Höhe des Teiles des Urlaubsentgelts geschädigt, der auf die Zeit der Arbeitsunfähigkeit entfällt. Zum Schaden gehört der gesamte Erwerbsausfall wie er ohne die den AN schützenden gesetzlichen Bestimmungen, Tarifvereinbarungen oder vertraglichen Regelungen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit eintreten würde oder anders: alles was der Verletzte durch die Verwertung seiner Arbeitskraft erworben, infolge des zeitweiligen Ausfalls aber verloren hätte, wenn dieser Erwerbsschaden nicht durch Leistungen Dritter aufgefangen worden wäre. Zu diesem Erwerb gehört auch der Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts während des Urlaubs.

Diese wertende Sicht entspricht einer ständigen Rechtsprechung des BGH. Ob diese Auffassung der sog. Differenzmethode widerspricht, wie weithin angenommen wurde und wird, oder ob man die Ersatzfähigkeit eines solchen Schadens mit dem - nicht einheitlich verwendeten und vielleicht auch nicht eindeutigen - Ausdruck normativer Schaden umschreiben kann und soll- dann in diesem Zusammenhang nur in dem Sinne, dass dieser Posten in der Person des AN rechtlich wie ein Schaden behandelt wird, ohne wirtschaftlich ein Schaden zu sein -, sei dahingestellt. Sachgrund ist jedenfalls die Überlegung, dass Leistungen Dritter dem Schädiger nicht unter dem Gesichtspunkt zugute kommen sollen, der Schaden sei durch diese Leistungen aufgefangen worden. Das widerspräche dem Sinn des Schadensersatzrechts. Diese Auffassung verstößt nicht gegen das sog. Bereicherungsverbot, d. h. gegen den Grundsatz, dass der Geschädigte durch das Schadensereignis nicht schlechter, aber auch nicht besser stehen darf. Denn es steht nicht in Frage, ob dem AN sowohl die Leistungen seines AG wie die Schadensersatzleistungen des Schädigers zukommen und bei ihm verbleiben sollen. Vielmehr sollen die Leistungen des Schädigers an den AN - sofern sie rechtlich überhaupt zu erbringen sind - dem AG zukommen. Nun gibt es Gestaltungen, in denen bereits die Rechtsordnung durch eine cessio legis diese Zuordnung bestimmt und damit entschieden hat, dass der Schädiger zu leisten und wer von den drei Beteiligten den Schaden endgültig zu tragen hat. Anders liegt es, wenn eine solche Regelung fehlt und somit nur eine Abtretung an den leistenden Dritten in Frage kommt.

Eine sicherlich interessante Frage geht dahin, ob durch eine solche Möglichkeit nicht eigentlich zugelassen wird, dass der Schaden des AG liquidiert werde. Für die wirtschaftliche Sicht hat eine solche Annahme sicherlich vieles für sich: der AN, dessen Schaden durch die Leistung des AG aufgefangen wird, ist an der Ersatzpflicht des Schädigers kaum interessiert, wohl dagegen der AG, um sich im Regresswege beim Schädiger schadlos zu halten. Zu beachten ist allerdings, dass die herrschende rechtliche Sicht seine Vorzüge hat: es kommt nicht darauf an, ob beim AG ein Schaden entstanden ist, was vielfach sehr fraglich sein wird, sondern nur, ob dem an der Schaden erwachsen ist.

In dem hier entschiedenen Fall war zusätzlich zu bedenken, dass die in der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung vorherrschende Auffassung den Anspruch auf Urlaubsgewährung nicht als Teil des Arbeitsentgelts ansieht. Hierauf kommt es bei der jetzigen Betrachtung nach Auffassung des VI. ZS aber nicht an. Auch heute - darauf verweist das Urteil - erblickt man den inneren Grund für die Urlaubsgewährung in der erbrachten und noch zu erbringenden Arbeitsleistung. Für den AG bedeutet das Urlaubsentgelt einen zusätzlichen Personalkostenfaktor, zu dessen Berücksichtigung er letztlich nur durch die erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistung in der Lage ist. In der verbreiteten Anwendung des sog. Zwölfteiungsprinzips in der tarifvertraglichen Praxis zeigt sich zudem, dass auch die AN diesen grundsätzlichen Zusammenhang anerkennen.

Für die schadenrechtliche Wertung entnimmt das Urteil all dem, dass die jährliche Arbeitsleistung des einzelnen an sich die Grundlage für seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub bildet. Ohne die zugunsten des AN bestehenden Gesetze und Vereinbarungen würde ein krankheitsbedingter Arbeitsausfall - ebenso wie jede vom AG nicht zu vertretende ausbleibende Arbeitsleistung- zu einer Kürzung des Urlaubsentgelts führen. Wenn auch im Zuge der Rechtsentwicklung neben die ursprüngliche Grundvorstellung vom verdienten Urlaubsentgelt eine weitere sozialstaatliche Grundlage getreten ist - die auch im Bundesurlaubsgesetz im einzelnen Gestalt gewonnen hat -, so bleibt es dabei, dass der Anspruch auf bezahlten Urlaub schadenrechtlich durch die vom Schädiger zu verantwortende Arbeitsunfähigkeit des AN nur deshalb nicht betroffen ist, weil der an sich beim AN erwachsene Schaden von Dritten aufgefangen wird. Und gerade ein solcher Umstand soll den Schädiger nicht entlasten, vgl. BGHZ 43, 378 = Nr. 11 zu § 249 BGB. Die Erwägungen, die dort bei Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle dem Schädiger den Einwand verwehrten, dem Verletzten sei ein Erwerbsschaden nicht entstanden, gelten nach Auffassung des VI. ZS auch hier.

Das Urteil weist die Meinung der Revision zurück, dem stehe das Lohnfortzahlungsgesetz vom 27. 7. 1969 - LohnFG - entgegen. Demgegenüber leitet es aus dessen § 4 hier das Gegenteil her. Allerdings ist dort ein anteiliges Urlaubsentgelt nicht genannt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe einen Schadensersatzanspruch insoweit verneinen wollen. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der beispielhaften Aufzählung lediglich die bereits von der Rechtsprechung zu diesen Fragen entwickelten Ergebnisse billigen wollen. Arbeitsentgelt i. S. des § 4 LohnFG ist das in § 2 I LohnFG vom Gesetzgeber näher Bestimmte, d. h. alles, was der AN aufgrund des Arbeitsvertrages vom AG für seine Arbeit verlangen kann - mit Ausnahme bestimmter Aufwandsentschädigungen. Daher gehört auch das Urlaubsentgelt zum Arbeitsentgelt i. S. des LohnFG. Entscheidend sind bei dieser Betrachtung schadensersatzrechtliche und nicht in erster Linie arbeitsrechtliche Gesichtspunkte. Eine weitere Stütze für diese Auffassung erblickt das Urteil in § 8 LohnFG.

Dem Urlaubsentgelt fehlt es auch nicht an der notwendigen zeitlichen Kongruenz mit der unfallbedingten Ausfallzeit. Auf den ersten Blick könnten deshalb Bedenken bestehen, weil das Urlaubsentgelt dem AN vor Urlaubsantritt in einer Summe auszuzahlen ist. Diese Vorschrift regelt aber lediglich die Fälligkeit und ändert nichts daran, dass es im Verlauf des Urlaubsjahres erdient wird. Das zeigt auch das sog. Zwölfteiungsprinzip. Dieser Grund hat in fast allen Urlaubsgesetzen der Länder, in abgeschwächter Form auch im Bundesurlaubsgesetz, seinen Niederschlag gefunden. Er bildet auch- trotz gelegentlicher Kritik einen festen Bestandteil der tarifvertraglichen Praxis. Nach ihm wird bei Arbeitsverhältnissen, die nicht das ganze Urlaubsjahr angedauert haben, die Urlaubsdauer in der Weise errechnet, dass für jeden Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Jahresurlaubs gewährt wird.

Aufgrund dessen besagt das Urteil für die Schadensberechnung: Das Urlaubsentgelt ist, wenn der AN nur zeitweilig unfallbedingt arbeitsunfähig war, auf das ganze Jahr zu verrechnen und entsprechend nach Tagen aufzuteilen, wobei die Urlaubszeit abzuziehen ist.

Schließlich bejaht das Urteil, dass der verletzte Angestellte hier seinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des anteiligen Urlaubsentgelts an das klagende Land abtreten konnte - ohne Rücksicht auf die Frage, ob der Anspruch auf Urlaubsentgelt allgemein abtretbar ist -. Dem steht die Schutzfunktion der Vorschriften, die die Unübertragbarkeit und Unpfändbarkeit von Ansprüchen sichern sollen, dann nicht entgegen, wenn der Abtretende den vollen Gegenwert des Ersatzanspruchs zuvor erhalten hat und ihn auch behält.