Urologen

Zur Sorgfaltspflicht eines Urologen, der durch eine nichtärztliche Hilfskraft eine Kurznarkose ausführen lässt.

Anmerkung: Der Beklagten Urologe ließ bei der Kläger durch eine im Belegkrankenhaus tätige Ordensschwester das Kurznarkosemittel EPONTOL injizieren. Dabei stach die Schwester versehentlich nicht in eine Vene sondern in eine Arterie ein, was mit der Wahl einer weniger üblichen Injektionsstelle in Zusammenhang gestanden haben mag. Nach Injektion eines ersten Teils des Mittels klagte die Patientin über einen brennenden Schmerz. Gleichwohl billigte der Beklagte die Fortsetzung der Injektion.

Nur diese Fortsetzung rechnet das Berufsgericht dem Beklagten zum Verschulden an, weil der Brennschmerz ein deutlicher Hinweis auf eine Fehlinjektion gewesen sei.

Das RevGer. geht von der Richtigkeit dieser Beurteilung aus. Allerdings fügt es einige grundsätzliche Bemerkungen über die Verantwortung des Arztes für eine intravenöse Injektion an, die einer nichtärztlichen Hilfskraft unter seiner Aufsicht anvertraut ist. Es betont auch, dass hinsichtlich der Gefahren; die bei der Fehlinjektion eines Kurznarkosemittel bestehen, von einem Urologen, der solche Narkosen anwendet, grundsätzlich das gleiche Wissen hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Patienten erwartet werden muss, wie von einem Anästhesisten.

Gleichwohl kommt der Senat mit der Berufsgericht zu dem Ergebnis, dass schon die Verantwortlichkeit des Beklagten nur für den zweiten Teil der Injektion seine Haftung für den eingetretenen Schaden begründet.

In tatsächlicher Hinsicht war davon auszugehen, dass die Nekrosen, deren Auftreten Wochen später die Amputation der Finger notwendig machte, auch schon aufgrund des ersten, nach Ansicht des Berufsgericht vom Beklagten nicht zu vertretenden Teils der Injektion eintreten konnten, in dem Sinne wenigstens, dass dies nicht auszuschließen war. Auf dieser Grundlage bestätigt der BGH wenigstens mit Ergebnis die allerdings teilweise missverständlich begründete Meinung des Berufsgericht, dass hier die Grundsätze anzuwenden seien, die die Rechtslehre unter dem Stichwort der hypothetischen Kausalität, besser der Reserveursache, entwickelt hat, und dass demnach der Beklagten beweisfällig geblieben ist.

Der erste, nicht verschuldete Injektionsabschnitt konnte an sich die Rolle einer Reserveursache übernehmen, und zwar als regelmäßig haftungsrechtlich relevanter Anlageschaden. Eine solche relevante Reserveursache kommt zugunsten des Beklagten zum Tragen, wenn er beweist, dass sie den Schaden nachträglich herbeigeführt hätte, der tatsächlich schon durch die vom Beklagten zu verantwortende zweite Ursache zuvor herbeigeführt worden ist. Dies ist der Regelfall, von dem die hier gegebene Gestaltung in einem wichtigen Punkt abweicht; trotzdem hat der Senat die gleichen Grundsätze angewandt.

Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass hier davon ausgegangen werden muss, die erste Dosis würde den eingetretenen Schaden gegebenenfalls schon zum gleichen Zeitpunkt bewirkt haben. Das ist zwar wenig wahrscheinlich, weil die zweite Dosis nicht nur an sich voluminöser war, sondern sich überdies zwangsläufig mit der Vorbelastung kumulierte. Auf die sich anbietende Schätzung dahin, dass deshalb ein nur auf der ersten Dosis beruhender Schaden jedenfalls um ein Weniges später hätte eintreten müssen, hat der Senat indessen verzichtet. Er hält auch für den Fall, dass die Reserveursache den Schaden frühestens zum gleichen Zeitpunkt hätte herbeiführen können, die dem Modell der Reserveursache entnommene Beweislastverteilung für angemessen und noch nicht für eine Verletzung des Grundsatzes, dass die Schadensursächlichkeit der inkriminierten Handlung vom Geschädigten zu beweisen ist.

Dies beruht auf der Erwägung, dass die zweite, voluminösere Injektion, zudem noch auf die Vorschädigung zurechenbar aufgestockt, mit Sicherheit für den Schaden voll wirksam geworden ist. Die tatsächliche Kausalität deshalb zu verneinen, weil frühestens im gleichen Zeitpunkt auch die erste, geringere Injektionsdosis den gleichen Schaden verursacht haben würde, erschien jedenfalls im Hinblick auf die Beweislastverteilung nicht interessegemäB, denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, derartige Fälle jenen gegenüber zugunsten des Schädigers zu privilegieren, in denen sich die Schadensanlage gegebenenfalls erst später mit gleichem Erfolg ausgewirkt haben würde.