Vaterschaft

Zum Sachverhalt: Der Kläger hat mit der Mutter der Beklagten am 23. 12. 1972 vor dem Standesamt in Wilna/UdSSR die Ehe geschlossen. Am 20. 12. 1973 wurde, gleichfalls in Wilna, die Beklagten geboren. Sie lebt dort bei der Mutter. Beide sind Staatsangehörige der UdSSR. Der Kläger besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und lebt in der Bundesrepublik. Der Kläger macht geltend, dass er mit der Mutter der Beklagten nur einmal vor der Heirat, und zwar am 20. 12. 1972, geschlechtlich verkehrt habe und somit nicht der Vater der erst ein Jahr später geborenen Beklagten sein könne. Durch privatschriftliches Schreiben vom 1. 12. 1974 hat er beim Volksgericht Wilna um Einleitung eines Verfahrens zur Annullierung der Ehe und wegen Nichtanerkennung der Vaterschaft gebeten. Durch weiteres Schreiben an das Volksgericht Wilna vom 14. 10. 1975 teilte er mit, dass er, nachdem er auf seinen Antrag vom 1. 12. 1974 keine Antwort erhalten habe, diesen Antrag zurückziehe und den Prozeß zur Annullierung der Ehe abbreche.

Mit der hier zugrund liegenden - am 12. 5. 1977 eingegangenen und am 30. 6. 1977 zugestellten - Klage hat der Kläger die Feststellung beantragt, dass die Beklagten nicht sein eheliches Kind sei. Das AG hat die Klage abgewiesen, da der Kläger die Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit der Beklagten versäumt habe. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die zugelassene Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen: A. In formeller Hinsicht stehen der Klage keine Hindernisse entgegen.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie ergibt sich aufgrund von § 640a I 1 ZPO. Hiernach ist in Kindschaftssachen, soweit der Beklagten im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, das nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Kläger zuständige inländische Gericht zur Entscheidung berufen.

Der Rechtsstreit ist auch nicht anderweitig rechtshängig. Allerdings hatte sich der Kläger zuvor bereits an das Volksgericht Wilna gewandt. Ob die Streitsache infolgedessen dort rechtshängig geworden ist, beantwortet sich nach dem dort geltenden Verfahrensrecht als der lex fori. Die Frage kann indessen dahinstehen. Zwar ist auch die Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht zu beachten, wenn das ausländische Urteil im Inland anzuerkennen sein wird. Sie steht jedoch einer Klage im Inland nicht entgegen, wenn eine Sachentscheidung in dem ausländischen Verfahren nicht zu erwarten ist. Das war jedenfalls zur Zeit der Erhebung der hier zugrunde liegenden Klage nicht mehr der Fall. Das Berufsgericht hat das Schreiben des Kläger an das Volksgericht Wilna vom 14. 10. 1975 dahin ausgelegt, dass außer dem auf Annullierung der Ehe gerichteten Antrag auch der die Vaterschaftsfrage betreffende Antrag zurückgenommen werde. Gegen diese Auslegung ergeben sich keine Bedenken; solche werden von der Revision auch nicht geltend gemacht. Spätestens von dem Zeitpunkt an, in dem von dem Eingang des Schreibens vom 14. 10. 1975 bei dem Volksgericht Wilna auszugehen ist, war aber mit einem Weiterbetrieb des dortigen Verfahrens nicht mehr zu rechnen.

In der Sache selbst haben sich die Vorinstanzen zu Recht auf den Standpunkt gestellt, dass die Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit der Beklagten bei Klageerhebung verstrichen war.

Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt der Vorinstanzen, dass für die Beurteilung des Klagebegehrens deutsches Recht gilt. Die eheliche Abstammung des Kindes wird gemäß der aus Art. 18I EGBGB entwickelten allseitigen Kollisionsnorm nach dem Recht des Staates beurteilt, dem der Ehemann der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört hat. Die gegen diese Regelung von einem Teil des Schrifttums erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch Nr. 52 = FamRZ 1982, 263 [264]). Für die Frage der ehelichen Abstammung der Beklagten ist hiernach das Heimatrecht des Kläger und mithin deutsches Recht anzuwenden.

Das nach Art. 18 I EGBGB berufene Abstammungsstatut ist nicht nur für die materiellen Voraussetzungen der ehelichen Abstammung, sondern auch für die Anfechtung der Ehelichkeit einschließlich der Anfechtungsfrist maßgebend. Somit war die Ehelichkeitsanfechtungsklage gemäß § 1594I BGB binnen zwei Jahren zu erheben.

Nach § 1594I1 BGB beginnt die Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit mit dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprechen, frühestens aber mit der Geburt des Kindes. Bei Zugrundelegung seines eigenen Vorbringens hat der Kläger der Kindesmutter nicht innerhalb der Empfängniszeit beigewohnt und kann daher nicht der Vater der Beklagten sein. Damit begann für ihn die zweijährige Anfechtungsfrist, sobald er von der Geburt der Beklagten Kenntnis erlangte. Dies war nach den Feststellungen des Berufsgerichts spätestens im Januar 1974 der Fall. Die Anfechtungsfrist wäre danach spätestens in Januar 1976 abgelaufen und folglich bei Erhebung der hier zugrunde liegenden Klage verstrichen gewesen.

Das Berufsgericht hat es zutreffend abgelehnt, das Schreiben des Klägers an das Volksgericht Wilna vom 1. 12. 1974 unter dem Gesichtspunkt der Unterbrechung der Anfechtungsfrist zu würdigen. Wie sich aus § 1594III BGB ergibt, sind auf die Ehelichkeitsanfechtungsfrist nur einzelne Vorschriften über die Fristhemmung entsprechend anwendbar. Eine Fristunterbrechung scheidet daher schon aus diesem Grunde aus.

Eine Hemmung des Ablaufs der Anfechtungsfrist könnte unter den Gegebenheiten des Falles allein nach § 1594 111, 203 II BGB in Betracht kommen. Hiernach wird der Ablauf der Anfechtungsfrist gehemmt, wenn und solange der Anfechtungsberechtigte innerhalb der letzten sechs Monate der Anfechtungsfrist durch höhere Gewalt an der Erhebung der Anfechtungsklage gehindert ist. Auch diese Regelung führt jedoch nicht zur Rechtzeitigkeit der Klageerhebung. Es erscheint aus den vom Berufsgericht ausgeführten Gründen bereits zweifelhaft, ob es sich als höhere Gewalt darstellt, wenn der Kläger zunächst der Auffassung war, dass der Anfechtungsprozess nur in der UdSSR geführt werden könne und aufgrund seiner Eingabe an das Volksgericht Wilna vom 1. 12. 1974 ein solcher Anfechtungsprozess in Gang gekommen sei oder in Gang kommen werde. Das mag indessen letztlich auf sich beruhen. Denn selbst wenn die genannten Umstände als höhere Gewalt i. S. des § 203 BGB anzusehen wären, würde die Fristhemmung, die sich daraus ergäbe, nicht ausreichen. Nach § 203 BGB wird die Frist lediglich gehemmt, solange der Berechtigte innerhalb der letzten sechs Monate der Frist an der Rechtsverfolgung gehindert war. Nur der Zeitraum, für welchen die Hinderungsgründe innerhalb jener sechs Monate vorliegen, wird nicht in die Frist eingerechnet. Die Zeit vorher interessiert nicht, die Zeit nachher nur insoweit, als die durch Hemmung verlängerte Frist weiterläuft. Die in Frage stehenden Umstände standen aber einer Anfechtungsklage in der Bundesrepublik äußerstenfalls bis zu dem Zeitpunkt entgegen, in dem der Kläger die Eingabe an das Volksgericht Wilna vom 1. 12. 1974 durch das weitere Schreiben vom 14. 10. 1975 zurückgezogen hat. Er brauchte sich von da an nicht mehr gehindert zu fühlen, Anfechtungsklage vor einem deutschen Gericht zu erheben. Insbesondere konnte er nicht mehr davon ausgehen, dass der Rechtsverfolgung vor einem deutschen Gericht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegenstehe. Auch die Revision geht im Übrigen davon aus, dass mit dem Eingang des Schreibens vom 14. 10. 1975 bei dem Volksgericht Wilna Hinderungsgründe für die Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage in der Bundesrepublik nicht mehr bestanden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren aber von den letzten sechs Monaten der Anfechtungsfrist nur rund vier Monate verstrichen. Nur dieser Zeitraum ist gegebenenfalls in die Anfechtungsfrist mit einzurechnen. Demnach verlängerte sich die Anfechtungsfrist allenfalls um rund vier Monate bis Anfang April 1976. Die erst im Mai 1977 eingegangene und im Juni 1977 zugestellte Klage war daher in jedem Falle verspätet. Die Auffassung der Revision, dass die zweijährige Anfechtungsfrist erst nach Entfallen der Fristhemmungsgründe zu laufen beginne, ist mit der Regelung in §§ 203, 205 BGB nicht zu vereinbaren. Der Kl kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er bei der gegebenen komplizierten Fallgestaltung die Rechtslage hinsichtlich der Anfechtungserfordernisse nicht habe überblicken können. Rechtsunkenntnis stellt grundsätzlich keine höhere Gewalt dar und vermag daher den Fristablauf nicht zu hemmen Ausnahmen sind von der Rechtsprechung nur in Fällen angenommen worden, in denen ein Fehlverhalten von Behörden oder Gerichten den Rechtsirrtum hervorgerufen oder verstärkt hat. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Der Kläger hätte sich hinsichtlich der Anfechtungsvoraussetzungen anwaltlich beraten lassen müssen. Gründe, die ihn hiervon in entschuldbarer Weise hätten abhalten können, kommen jedenfalls von dem Zeitpunkt an nicht mehr in Betracht, in dem er nicht mehr davon ausgehen konnte, mit der Eingabe an das Volksgericht Wilna vom 1. 12. 1974 das Erforderliche in die Wege geleitet zu haben. Damit scheidet eine Fristhemmung, die für die Rechtzeitigkeit der Klage ausreichen würde, aus den bereits dargelegten Gründen aus. Soweit der Kläger - was nicht feststeht - rechtzeitig anwaltliche Beratung auch hinsichtlich der Anfechtungsfrage in Anspruch genommen haben sollte, könnte ihm eine etwaige unrichtige Beratung nicht als höhere Gewalt i. S. des § 203 BGB zugute gehalten werden, da er sich ein Verschulden des Rechtsanwalts als in seinem Bereich liegend zurechnen lassen müsste.