Vergleich

Fällt der Ablauf der Frist für den Widerruf eines Prozessvergleichs auf einen Sonnabend, so endet im Zweifel die Frist erst am nächsten Werktag.

Zum Sachverhalt: Der Kläger erhob gegen den Beklagten Wandelungsklage wegen angeblicher Mängel eines bei diesem gekauften fabrikneuen Pkws. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach der Beklagten an den Kläger 1000 DM zu zahlen, bestimmte Lackierungsarbeiten durchzuführen und einen neuen Bezug für die hintere Rückenlehne zu liefern hatte. Unter Ziff. 5 vereinbarten die Parteien:

Dem Beklagten bleibt vorbehalten, den Vergleich durch schriftliche Anzeige zu den Gerichtsakten bis einschließlich 21. 12. 1974 zu widerrufen.

Mit Schriftsatz vom 20. 12. 1974 erklärte der Beklagten den Widerruf des Vergleichs. Dieser Schriftsatz, der nach der Behauptung des Beklagten noch am gleichen Tag zur Post gegeben worden ist, erhielt beim Landgericht den Eingangsstempel vom 23. 12. 1974, einem Montag. Das Landgericht hat entsprechend dem Antrag des Klägers ausgesprochen, der Rechtsstreit sei durch den Vergleich erledigt. Das Berufsgericht hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Wenn eine Willenserklärung an einem bestimmten Tag oder innerhalb einer Frist abzugeben ist und der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, so tritt nach der Auslegungsregel des § 193 BGB an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag. Für prozessuale Fristen, deren Ende auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, endet die Frist ebenfalls mit Ablauf des nächsten Werktages. Nach Auffassung des Berufsgericht sind diese Vorschriften auf die Frist zum Widerruf eines Prozessvergleichs entsprechend anwendbar, so dass im vorliegenden Fall der Vergleich auch noch durch eine am Montag, dem 23. 12. 1974 eingegangene Widerrufserklärung rechtzeitig habe widerrufen werden können und der Prozess demnach nicht beendet sei.

Der Standpunkt des Berufsgerichts steht im Einklang mit der in Rechtsprechung und Schrifttum weit überwiegenden Meinung. Der erkennende Senat tritt der herrschenden Auffassung bei.

Der Prozessvergleich als solcher hat nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Doppelnatur; als Prozesshandlung bestimmt sich seine Wirksamkeit nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts, als privatrechtlicher Vergleich unterliegt er den Regeln des sachlichen Rechts. Inwieweit diese rechtliche Einordnung auch für den Vorbehalt bzw. die Ausübung eines Widerrufs gilt, ist umstritten.

Diese Frage bedarf hier keiner Vertiefung; denn für die vom Senat zu treffende Entscheidung kommt es auf die Rechtsnatur des Widerrufs eines Prozessvergleichs nicht an. Auch wenn § 193 BGB auf einen solchen Widerruf deswegen keine unmittelbare Anwendung finden sollte, weil es sich bei dieser Rechtshandlung nicht ausschließlich um eine materiell-rechtliche Willenserklärung handeln sollte, und wenn andererseits eine unmittelbare Anwendung des § 222 II ZPO deswegen ausscheiden sollte, weil diese Bestimmung nur gerichtliche und richterliche Fristen des Prozessrechts erfasst, so wäre doch jedenfalls der beiden Vorschriften zugrunde liegende Rechtsgedanke auf den Widerruf eines Prozessvergleichs anzuwenden. Die Schaffung beider Bestimmungen diente ursprünglich der Heiligung der Sonn- und Feiertage und der Wahrung der Sonn- und Feiertagsruhe. Mit ihrer Novellierung durch das Gesetz vom 10. 8. 1965 wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass nach den geschäftlichen Gepflogenheiten neuerdings auch an Sonnabenden die Abgabe von Erklärungshandlungen vielfach nicht mehr möglich oder doch nicht zumutbar ist. Dabei hat der Gesetzgeber ersichtlich - dies zeigt auch der Umstand, dass § 193 BGB und § 222 II ZPO gleichzeitig novelliert wurden - für alle in Betracht kommenden Erklärungen, bei denen dem Erklärenden die volle Ausschöpfung der Frist möglich sein soll, das Fristende anstelle des Sonnabends und Sonntags auf den nächsten Werktag legen wollen. Das entspricht auch der Ansicht des BAG, das in AP § 794 ZPO Nr. 1 - wenn auch zur früheren Gesetzesfassung - darauf abgestellt hat, dass die Vorschrift des § 193 BGB einen allgemeinen Rechtsgedanken für das Gesamtgebiet des Privatrechts enthält. Die Entscheidung BGHZ 59, 265 = LM vorstehend Nr. 2 betrifft eine besondere mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Sach- und Rechtslage.

Allerdings handelt es sich bei § 193 BGB nur um eine Auslegungsregel. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien bei Abschluss des Vergleichs einen Fristablauf erst am nächsten Werktag nach dem 21. 12. 1974 ausschließen wollten, hat jedoch weder das Berufsgericht festgestellt, noch lassen sie sich aus dem Vorbringen des Kläger entnehmen. Insbesondere reicht sein Vortrag, bei der Einräumung der Widerrufsfrist bis zum 21. 12. 1974 sei genau dieser 21. 12. 1974 gemeint und kein anderer Tag, insoweit nicht aus; denn es fehlt an einer Darlegung besonderer Umstände, die darauf hindeuten könnten, dass die Parteien die Frist unbedingt am 21. 12. 1974 enden lassen wollten, auch wenn sie daran gedacht hätten, dass es sich dabei um einen Samstag handelte. Der Kläger ist auf diesen Punkt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht mehr zurückgekommen.