Vergleichsverwalter

1. § 613a BGB kann auch dann zur Anwendung kommen, wenn der bisherige Inhaber einen Betriebsteil während des Vergleichsverfahrens mit Genehmigung des Vergleichsverwalters veräußert.

2. Zur Frage der Übergangsfähigkeit eines als Dienstvertrag bezeichneten Verhältnisses nach § 613a BGB, wenn der wirtschaftliche Zweck des Vertragsschlusses im Wesentlichen in der Entschädigung eines ausgeschiedenen Gesellschafters lag.

Zum Sachverhalt: Der Kläger und der Kaufmann L. waren Komplementäre, die Firma N-Maschinenfabrik war Kommanditistin einer KG in N. Aus dieser KG schied der Kläger durch Vereinbarung vom 19. 12. 1969 aus; ihm wurde ein Betrag in Höhe des Buchwertes seiner Beteiligung ausbezahlt. Etwa um diese Zeit wurde ferner zwischen ihm und der KG ein nicht datierter Dienstvertrag geschlossen. Nach diesem sollte er als Verkaufsleiter für Frankreich, Italien und Österreich ab 1. 1. 1970 eine Vergütung von monatlich 3500 DM brutto nebst einer Unkostenpauschale von monatlich 1500 DM erhalten. Er hatte im Falle seines Ausscheidens durch Kündigung seitens der KG Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Brutto-Pension von- 1500 DM, die sich im Falle seines Ablebens auf eine Witwen-Pension von monatlich 500 DM ermäßigte. Dabei sollte der Kläger in dem genannten Gebiet in Abstimmung mit der KG die dort ansässigen Kunden besuchen, die Akquisition von Aufträgen durchführen und Marktforschung betreiben. Das Vertragsverhältnis war seitens der KG frühestens zum 31. 12. 1980 kündbar. Der Kläger durfte nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig sein. Er war zum Stillschweigen über alle ihm anvertrauten oder sonst bekannt gewordenen geschäftlichen, betrieblichen oder technischen Informationen verpflichtet. An eine bestimmte Arbeitszeit war er nicht gebunden. Zum Abschluss von Lieferverträgen war er nur mit ausdrücklicher Zustimmung der KG befugt. Für von der KG angenommene Aufträge stand ihm zusätzlich eine Provision von 5% zu, sobald der Kunde den Vertrag erfüllte. Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld sollten nicht gezahlt werden; er hatte aber Anspruch auf einen Jahresurlaub von sechs Wochen. Nachdem auch die KG im Jahre 1970 erloschen und im Handelsregister gelöscht worden war, führte L den Betrieb in N. als Einzelkaufmann weiter, und zwar als Zweigniederlassung neben seinem Hauptbetrieb in P. Anfang 1974 wurde über sein Vermögen das Vergleichsverfahren eröffnet. Durch Vertrag vom 5. 3. 1974 wurde die Beklagte, eine GmbH, gegründet und am 8. 3. 1974 in das Handelsregister eingetragen. Sie erwarb am 12. 3. 1974 von L mit Zustimmung des Vergleichsverwalters das Werk in N., nämlich gemäß Aufstellung die dazu gehörenden Grundstücke, Maschinen, sonstige Betriebsausstattung und Materialien. Ab 15. 3. 1974 führte sie den Betrieb im Werk fort. Sie trat ausdrücklich in die Arbeitsverhältnisse der in N. beschäftigten Arbeitnehmer, die in einer Liste bezeichnet wurden, ein; darin war der Kläger nicht aufgeführt. Am selben Tage wurde über das Vermögen des L das Anschlusskonkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter kündigte dem Kläger den Dienstvertrag nach § 22 KO am 26. 3. 1974 zum 30. 6. 1974. Schon seit 1972 war der Kläger nicht mehr für L tätig gewesen, weil dieser auf seine Mitarbeit keinen Wert legte. Dennoch erhielt er bis zum 30. 6. 1974 von L bzw. dem Konkursverwalter die vereinbarten Beträge. Danach wurden die Zahlungen eingestellt. Der Kläger macht die bis zum 31. 12. 1977 aufgelaufenen Rückstände mit der Klage geltend.

Das zunächst angerufene ArbG hat nach Beweisaufnahme über den Charakter des Dienstvertrages den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen, da kein Arbeitsverhältnis vorliege. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagte führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Die Vorschrift des § 25 HGB, die der IG. hilfsweise als Grundlage für den Klageanspruch erwähnt, zieht das Berufungsgericht nicht in Betracht. Das ist unschädlich, weil diese Vorschrift offensichtlich nicht eingreift. Sollte der Beklagte, wofür - wie noch auszuführen sein wird - erhebliche Anhaltspunkte bestehen, nur die sachliche Ausstattung eines Teilbetriebes übernommen haben, dann führt sie nicht das Handelsgeschäft des L fort (vgl. BGH, NJW 1972, 1859 = LM § 25 HGB Nr. 12). Jedenfalls scheitert die Anwendung dieser Vorschrift aber schon daran, dass die Beklagte eine von der des L deutlich unterschiedene Firma führt.

II. Das Berufungsgericht gibt der Klage nach der im maßgeblichen Zeitpunkt (März 1974) bereits in Kraft befindlichen Vorschrift des § 613 a BGB statt, weil der Kläger zur Zeit der rechtsgeschäftlichen Übernahme des (Teil-)Betriebes des L zu diesem in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Diese Entscheidung hält dem Revisionsangriff nicht stand.

1. Das Berufungsgericht stellt fest, dass L nach Auflösung der früheren KG all deren Anteile übernahm und dass er das Gesamtunternehmen als Einzelkaufmann weiterführte. In seiner Einzelhandelsfirma wurde der Kläger mit monatlichen Bezügen von 5000 DM geführt, die durchweg dem Steuer- und Sozialversicherungsabzug unterlagen. Insoweit unterliegt das angefochtene Urteil keinen rechtlichen Bedenken und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass, wenn der Dienstvertrag ein echtes Arbeitsverhältnis begründet hatte und dieses dem veräußerten (Teil-)Betrieb zugehörte, die Kündigung des Vertrages durch den Konkursverwalter am 26. 3. 1974 ins Leere gegangen wäre. Denn der Anwendung des § 613a BGB steht nicht entgegen, dass die Veräußerung des Betriebs während des (über das Vermögen des L angeordneten) Vergleichsverfahrens stattfand. Die rechtsgeschäftliche Verfügungsbefugnis stand weiterhin dem L zu (s. BAG, NJW 1979, 2634 = AP § 613a BGB Nr. 14). Der Schuldner bleibt im Vergleichsverfahren auch dann dispositionsbefugt, wenn das Gericht ihm Veräußerungsverbote i. S. von § 58 Vg10 auferlegt; alsdann steht dem Vergleichsverwalter nur ein weitgehendes Mitwirkungsrecht zu (s. vorgenanntes Urteil des BAG; ferner BGHZ 23, 307 [318] = LM § 519 ZPO Nr. 29 = NJW 1957, 750; Stebut, Betr 1975, 2439, jeweils m. w. Nachw.). Im Streitfall hatte der Vergleichsverwalter der Veräußerung zugestimmt.

3. Das Berufungsgericht meint, der Kläger sei Angehöriger des von der Beklagte übernommenen (Teil-)Betriebs gewesen. Denn er habe die alten Auslandskunden dieses Betriebs weiter betreuen sollen und habe das auch getan. Seine vertraglich vorgesehene Tätigkeit habe sich nur auf Erzeugnisse des Betriebs in N. bezogen. Schon in diesem Punkt ist das angefochtene Urteil möglicherweise von Rechtsirrtum beeinflusst. Die Beklagte hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass sich der gesamte Vertrieb des Unternehmens L in der Zentrale in P. abgespielt habe; mit der Produktionsstätte in N. habe den Kläger nur die räumliche Nähe verbunden. In diesem Zusammenhang ist es auch von Bedeutung, dass der ja unstreitig als Arbeitnehmer geführte Kläger nicht unter den von der Beklagte zu übernehmenden Angestellten aufgeführt worden ist. Nun ist zwar nicht zu übersehen, dass es den Parteien eines Vertrages über die Veräußerung eines Unternehmens oder einer Betriebsstätte nicht freistehen kann, einzelne Arbeitnehmer durch Vereinbarung von der Übernahme auszuschließen, weil sie dem Übernehmer nicht genehm sind. Dies würde dem Zweck der Vorschrift widersprechen, die auch im öffentlichen Interesse einer größtmöglichen Erhaltung von Arbeitsplätzen dienen soll (für viele: Schaub, in: MünchKomm, § 613a Rdnr. 43). Andererseits aber darf vor allem dann, wenn sich der Übergang auf einen bloßen Betriebsteil bezieht, der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit der Vertragspartner kein unangemessener Zwang angetan werden. Dies könnte nicht nur einem verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in eigentumsgleiche Rechte nahekommen, sondern brächte auch die Gefahr mit sich, dass wegen der unabsehbaren Folgen für den Übernehmer an dessen Ablehnung auch die Möglichkeit scheiterte, bei drohendem Zusammenbruch eines Unternehmens wenigstens einen Betriebsteil und damit die von ihm umfassten Arbeitsplätze zu retten.

Im vorliegenden Fall weist der Veräußerungsvertrag lediglich eine Übernahme von sachlichen Produktionsmitteln aus. Weder von Kundenlisten noch von einer Vertriebsorganisation ist dabei die Rede. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die nach der Liste zu übernehmenden Angestellten mit dem Vertrieb und nicht nur mit der buchmäßigen Betreuung der Produktion befasst waren. Sollte demnach die Beklagte als Übernehmerin lediglich die sachlichen Produktionsmittel haben erwerben wollen, etwa um in Bezug auf den Absatz eigene, neue Wege zu gehen, dann müsste diese wirtschaftlich sinnvolle Abgrenzung des übernommenen Betriebsteils auch bei der Anwendung der Vorschrift des § 613a BGB im Zweifel respektiert werden. Für eine Mitübernahme des Klägers, der nur im Vertrieb tätig werden sollte, hätte dann kein Anlass bestanden. Das Berufungsgericht wird die Frage unter den vorstehend skizzierten Gesichtspunkten neu zu prüfen haben.

4. a) Das Berufungsgericht stellt in Auswertung einiger vom Kläger vorgelegter Korrespondenzstücke fest, dass dieser bis zum Jahre 1972 (das gelegentlich auftauchende Datum 1976 beruht ersichtlich auf einem Schreibfehler) in erheblichem Umfang für die Firma L im Ausland tätig geworden sei, wiewohl einige der vorgelegten Schreiben auf seine Veranlassung gefertigt sein möchten. Das entspreche § 9 des Dienstvertrags. Zeugen, die bekundeten, dass der Kläger ab 1. 1. 1970 praktisch nicht mehr für den Betrieb tätig geworden sei, seien nicht glaubwürdig ... Daher sei die Behauptung der Beklagte, der Dienstvertrag sei ein Scheingeschäft gewesen und als Kapitalabfindung des Klägers als ehemaligen Gesellschafters zu verstehen, nicht bewiesen. Nur aber, wenn man sich einig gewesen wäre, etwa aus steuerlichen Gründen eine Kapitalabfindung zum Schein in einen nicht ernst gemeinten Dienstvertrag zu kleiden, wäre dieser nicht geeignet gewesen, ein Arbeitsverhältnis des Klägers zu begründen. Eine solche Absprache habe aber keiner der Zeugen geschildert. Der Kläger sei auch Arbeitnehmer geblieben, nachdem die Firma L auf seine Mitarbeit keinen Wert mehr gelegt habe, denn der Vertrag sei damals noch nicht kündbar gewesen, so dass der Kläger weiterhin dem Betrieb angehört habe.

b) Auch diese Erwägungen werden der rechtlichen Problematik nicht gerecht. Eine zutreffende Würdigung hätte von dem unstreitigen Umstand ausgehen müssen, dass das Motiv für den Abschluss des Dienstvertrags darin bestand, den Kläger über die erhaltene Buchwertabfindung hinaus für sein Ausscheiden als Gesellschafter zu entschädigen. Das hat der Kläger schon in der Klageschrift selber vorgetragen und dabei noch betont, dass in diesem Sinne auch die Spesenpauschale von 1500 DM echtes Gehalt, also nicht etwa durch tatsächliche Auslagen gerechtfertigt war. Das gleiche Bild ergibt die Beweisaufnahme, etwa die Aussage des Anwalts, der den Vertrag entworfen hat und seine Bemühungen schildert, durch Einbau von Stolperstufen zu verhindern, dass der Vertrag als Türke angesehen werde. Diese nach Parteivortrag und Beweisergebnissen offensichtlichen Umstände des näheren darzustellen, kann nicht Aufgabe des RevGer. sein. Es genügt der Hinweis, dass ebenfalls unstreitig der Abschluss des Dienstvertrags nach Verwerfung anderer zunächst erwogener Vertragsgestaltungen der Weg war, zu dem man sich schließlich entschloss, um dem Kläger seine durch den Buchwert offensichtlich nicht ausgeglichene Abfindung zukommen zu lassen. Dass für den Versuch einer solchen Lösung gewichtige steuerliche Erwägungen sprechen konnten, bedarf für den Rechtskundigen keiner näheren Erläuterungen. Diesen Ausgangspunkt der zu beurteilenden Sachlage hat das Berufungsgericht entweder unter Verstoß gegen seine Verfahrenspflicht (§ 286 ZPO) nicht berücksichtigt, wie die Revision rügt, oder aber in seiner rechtlichen Bedeutung verkannt. Denn er kann sowohl sachlich-rechtlich als auch hinsichtlich der Beweislage eine entscheidende Bedeutung für die Frage haben, ob sich die durch den Dienstvertrag begründete Beziehung wenigstens in ihrer weiteren, tatsächlichen Gestalt als ein Arbeitsverhältnis i. S. des § 2 I Nr. 2 ArbGG in der seinerzeit geltenden Fassung (jetzt § 2 I Nr. 3a ArbGG i. d. F. vom 21. 5. 1979), insbesondere aber des § 613a BGB werten lässt (vgl. Lepke, BB 1979, 526 m. w. Nachw.).

In letzter Hinsicht kommt es nicht so sehr darauf an, ob die als Dienstvertrag bezeichnete rechtsgeschäftliche Vereinbarung als Scheinvertrag gemäß § 117 I BGB nichtig ist oder aber wenigstens gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut in ein anderes, nicht als Dienstvertrag zu wertendes Rechtsgeschäft umgedeutet werden muss. Denn grundsätzlich steht es den Parteien auch frei, Verträge zu schließen, bei denen das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung aus außervertraglichen Gründen (Freundschaftspreis etc.) gestört ist. Ein erhebliches Ungleichgewicht in dieser Beziehung muss es aber vor allem nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 613a BGB verbieten, einen solchen Vertrag als ein regelmäßig als wirtschaftlich selbsttragend vorgestelltes Arbeitsverhältnis einem dritten Arbeitgeber aufzunötigen, der von den Motiven für das fehlende Gleichgewicht nicht berührt wird.

Im vorliegenden Falle muss die eindeutige und im Wesentlichen unstreitige erste Motivation des Dienstvertrags erhebliche Zweifel daran begründen, ob sich bei ihm ein Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung schon aus den im Vertrag genannten Bedingungen ergab. Den Beweis dafür hätte angesichts der Ausgangslage der Kläger zu erbringen, der ja die Voraussetzungen für den erhobenen Anspruch zu beweisen hat. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verkannt, wenn es sich mit der Feststellung begnügt, dass der Kläger immerhin (in einem nicht näher festgestellten Umfang) Tätigkeiten ausgeführt hat, wie sie ihm nach dem Wortlaut des Vertrags oblagen. Dass er dies überhaupt getan hat, weist noch nicht einmal zwingend auf das Bewusstsein einer Verpflichtung hin, konnte vielmehr nach dem zutreffenden Hinweis der Revision schon seine Erklärung in dem Streben nach Erwerb der zusätzlich ausgesetzten, nicht geringen Provision finden. Dass diese Provisionen tatsächlich nach dem Vortrag des Klägers nie einen nennenswerten Betrag erbracht haben, spricht entscheidend gegen die Annahme, dass die tatsächliche Tätigkeit des Klägers einen erheblichen Umfang erreicht hat, jedenfalls einen solchen, der nebenher noch eine monatliche Festvergütung von 5000 DM als aus der Sicht der Arbeitgeberin wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lassen konnte. Auch die letztere schon in dem sorgfältig begründeten Verweisungsbeschluss des ArbG hervorgehobene Erwägung hat das Berufungsgericht nicht erkennbar nachvollzogen. Gegen ein unmittelbares synallagmatisches Gleichgewicht des Dienstvertrages musste überdies, worauf die Revision gleichfalls hinweist, seine ungewöhnlich lange Unkündbarkeit für den Dienstberechtigten sprechen, vor allem aber der Umstand, dass dieser sich schließlich gerne damit abgefunden hat, dass der Kläger bei gleichbleibenden Bezügen seine Tätigkeit überhaupt einstellte. Sollte sich die bisher unbewiesene Behauptung des Klägers nicht bestätigen, dass er gleichwohl seine Dienste weiterhin ernstlich angeboten hat, dann müßte dies das Dienstverhältnis ohnehin in den Bereich eines Ruhestandsanspruchs bringen (als Pension soll der Kläger den Dienstvertrag seinerzeit überhaupt bezeichnet haben), in den der Betriebsübernehmer nicht einzutreten hat (BAG, NJW 1977, 1391 = AP § 613a BGB Nr. 6, zum Abdruck in der Amtl. Slg. vorgesehen).