Verjährungseinrede

Auf verspätete Fortsetzung des zum Stillstand gekommenen Verfahrens gestützte Verjährungseinrede unterliegt aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ebenfalls dem Einwand des Rechtsmissbrauchs.

Als Grundlage der nunmehr geltend gemachten Ansprüche kommt ausschließlich § 823 BGB in Betracht, da die Kläger mit der Berufung nur noch die die Deckungssumme, damit aber auch den z. Z. des Unfalls für Renten geltenden Höchstbetrag des § 12 StVG überschreitenden Beträge geltend macht. Schon dieserhalb konnte eine Hemmung der Verjährung nach § 14I1 StVG nicht eintreten. Im übrigen war sowohl die zweijährige als auch die dreijährige Verjährungsfrist bereits vor Klageerhebung abgelaufen. Darum wurde mit Beginn des Stillstands des Verfahrens auch nicht der Lauf einer neuen Verjährungsfrist in Gang gesetzt. Die Wirkung des § 211 II BGB kann nur eintreten, wenn zuvor eine noch laufende Verjährung durch Klageerhebung unterbrochen war.

Freilich war der Beklagte aufgrund seines früheren Verzichts auf Erhebung der Verjährungseinrede nicht gehindert, nach Ablauf dieser Frist wieder Verjährung mit neuen Gründen geltend zu machen. Dazu hätte er berechtigt sein können, wenn die Kläger nach dem Abschluss des Deckungsprozesses, spätestens nach Empfang der diesbezüglichen Mitteilung G nicht in nach Treu und Glauben angemessener, in der Regel kurz zu bemessender Frist das Verfahren gegen ihn weiterbetrieben hätte. Nun hat zwar die Kläger den Rechtsstreit bis zum 7. 2. 1973 ruhen lassen. Diese Verzögerung geht aber zu Lasten des Beklagten, denn es war sein Haftpflichtversicherer, der die Kläger von der rechtzeitigen Fortsetzung des Verfahrens abgehalten hatte; hierfür gelten dieselben schon angeführten Grundsätze. Das Berufungsgericht will diese zu Unrecht hier nicht anwenden.

Dem Verhalten des Schädigers bei Regulierungsverhandlungen steht im Allgemeinen das Verhalten seines Versicherers gleich. Auch der Beklagte muss die von G mit der Kläger nach Abschluss des Deckungsprozesses aufgenommenen und bis zum 19.2. 1973 fortgesetzten Vergleichsverhandlungen gegen sich gelten lassen, weil G als sein Versicherer durch § 10 V AKB bevollmächtigt war, alle ihm zur Befriedigung oder Abwehr von Ansprüchen zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen der versicherten Personen abzugeben und zwar unabhängig von deren Zustimmung. Bei der Haftpflichtversicherung ist die gesamte Schadensregulierung aus wohlerwogenen Gründen dem Versicherungsnehmer aus der Hand genommen und dem Versicherer übertragen worden, dessen Erfahrung dem Versicherungsnehmer unmittelbar zugute kommt; deshalb muss ein Versicherungsnehmer im Einzelfall auch ihm ungünstige Rechtsfolgen des Verhaltens seines Versicherers gegen sich gelten lassen. Dies gilt auch dann, wenn die Ansprüche des Dritten, deretwegen der Versicherer mit ihm verhandelt, die Deckungssumme übersteigen.

Zwar ist entgegen der Meinung der Revision dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass es einem Haftpflichtversicherer nicht verwehrt ist, schon bei der Führung von Vergleichsverhandlungen in einer dem Verhandlungspartner deutlich erkennbaren Weise von dieser weit reichenden Vollmacht nur eingeschränkt Gebrauch zu machen, nämlich überhaupt nur bis zur Höhe der Deckungssumme namens des Versicherten zu verhandeln. Je- doch beruht die Ansicht des Berufungsgerichts, dies treffe im Streitfall zu, auf einer unrichtigen rechtlichen Sicht. Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist nicht richtig. Es meint, der im allgemeinen für den Geschädigten sprechende Grundsatz, dass der Versicherer in uneingeschränkter Ausnützung der ihm in § 10 V AKB eingeräumten Bevollmächtigung handele, sei im Streitfall dadurch durchbrochen gewesen, dass die Kläger sich von vornherein mit dem Beklagten in Verbindung gesetzt und ihn zur Abgabe einer eigenen Verzichtserklärung auf die Verjährungseinrede veranlasst gehabt habe. Dieser Umstand spricht aber nicht für eine Begrenzung der Vollmacht des Versicherers. Denn der von der Kläger erstrebte Verzicht des Beklagten selbst - nur darüber hatte sie mit ihm persönlich verhandelt - hatte seinen Grund in der zu § 158c IV VVG a. F. ergangenen Rechtsprechung wonach der kranke Haftpflichtversicherer dann nicht aus § 158c VVG haftet, wenn der Geschädigte von einem Sozialversicherungsträger schadlos gestellt wird. Die Kläger macht auf sie nach § 1542 RVO übergegangene Ersatzansprüche geltend, für die G im Falle der Abweisung der Deckungsklage nicht hätte einzutreten brauchen. Dies verkennt zwar auch das Berufungsgericht nicht, meint jedoch, die Kläger habe, weil sie sich in selbständige Verhandlungen mit dem Beklagten persönlich eingelassen habe, bei ihren späteren Verhandlungen mit dessen nur zur Deckung verurteilten Versicherer nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass alle dessen Erklärungen ohne die Zustimmung des Beklagten durch die Vollmacht des § 10 V AKB gedeckt wären. Hierbei unterscheidet das Berufungsgericht jedoch nicht hinreichend zwischen der Vollmacht, die zur Führung von Verhandlungen ermächtigte, und der Vollmacht, die darüber hinaus zum Abschluss eines den Beklagten bindenden und belastenden Vergleiches ermächtigte. G hatte zwar mehrfach und eindeutig abgelehnt, bindende Erklärungen für den Beklagten ohne dessen Zustimmung abzugeben. Das Berufungsgericht stellt jedoch nicht fest - hierfür fehlt auch jeder Anhaltspunkt -, dass G es auch abgelehnt hatte, überhaupt mit der Kläger in Vergleichsverhandlungen hinsichtlich des die Deckungssumme überschreitenden Betrages einzutreten. Im Gegenteil erstreckten sich die Verhandlungen - da die Verhandlungspartner über die Höhe der begründeten Ansprüche sehr schnell einig waren - im wesentlichen gerade auf diesen Betrag, hinsichtlich dessen G aber die Zustimmung des Beklagten einholen wollte, weil der Vergleich mit seiner Abfindungssumme diesen nicht nur begünstigte, sondern auch belastete. Eine Beschränkung sogar der bloßen Verhandlungsführung auf die Deckungssumme hätte aber gegenüber dem geschädigten Dritten klar und eindeutig zum Ausdruck kommen müssen. Dieser darf und soll sich zunächst im Interesse einer einfachen und vollständigen Abwicklung des Schadensfalles und zur Vermeidung unnötiger Verfahrenskosten darauf verlassen können, in der Person des Haftpflichtversicherers den richtigen und allein zuständigen Verhandlungspartner zu haben. Dem hat der Gesetzgeber durch Einführung der Direktklage, der Hemmung der Verjährung mit Anmeldung des Anspruchs bei dem Versicherer und mit der wechselseitigen Hemmung und Unterbrechung der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer und den Ersatzpflichtigen durch § 3 des Pflichtversicherungsgesetzes von 1965 Nachdruck verliehen. Die Bedeutung und praktische Auswirkung dieser Vorschrift ist gewiss den Beteiligten in dem hier maßgeblichen Verhandlungszeitraum, obwohl sie im Streitfall noch nicht zur Anwendung kam, durchaus geläufig gewesen. Die in diesen Grenzen vorbehaltlose Aufnahme und Führung von Vergleichsverhandlungen seitens G bis zum Februar 1973 musste bei der Kläger den Eindruck erwecken, eine Verjährungseinrede des Beklagten in dem gegen ihn angestrengten und seit März 1969 eben wegen dieser Verhandlungen nicht mehr betriebenen Verfahren für den Zeitraum der Verhandlungen nicht gewärtigen zu müssen, zumal der Beklagte in Kenntnis der Vergleichsverhandlungen, diesen Verhandlungen nicht widersprochen hatte. Die Kläger durfte somit nach verständigem Ermessen darauf vertrauen, der Beklagte sei damit einverstanden, dass sie das Verfahren gegen ihn nicht vor Abbruch der Vergleichsverhandlungen fortsetzte. Als G ihr auf ihre mehrfachen Sachstandsanfragen antwortete, seine Bemühungen, den Beklagten zu einer Stellungnahme zu veranlassen, hätten noch zu keinem abschließenden Ergebnis geführt, hat sie die Fortsetzung des zum Stillstand gekommenen Verfahrens angekündigt und diese am 7.2. 1973, noch vor dem Abbruch der Verhandlungen durch G, also rechtzeitig vollzogen. Angesichts dieser Umstände verstößt die Erhebung der Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben, so dass die Klage nicht wegen Verjährung der Ansprüche abgewiesen werden durfte.