Treuepflicht eines Verkaufsbevollmächtigten

Zur Treuepflicht eines Verkaufsbevollmächtigten gegenüber seinem Auftraggeber, insbesondere zur Bedeutung eines vom Vollmachtgeber gesetzten Limits.

Zum Sachverhalt: Die Kläger sind die Erben der 1978 verstorbenen Witwe K (im folgenden Erblasserin). Der Beklagte und die Erblasserin kannten sich seit vielen Jahren und es bestand zwischen ihnen eine enge freundschaftliche Beziehung.

Im Jahre 1963 hatten die Erblasserin und der Beklagte zu gleichen Rechten und Anteilen ein mit einem Mietwohnhaus bebautes Grundstück erworben; die dazu erforderlichen Mittel waren von beiden ebenfalls zu gleichen Teilen aufgebracht worden. In den folgenden Jahren 1964 bis 1968 vermieteten der Beklagte und die Erblasserin als Eigentümer dem Beklagten als Mieter drei in dem Hause befindliche Läden und eine Wohnung; dabei erhielt er das Recht, die Räume oder den Gewerbebetrieb jederzeit weiterzuverpachten bzw. zu vermieten. Einer besonderen Genehmigung für die Weiterverpachtung oder Vermietung bedurfte er nach den schriftlichen Verträgen nicht. Am 26. 5. 1970 stellte die Erblasserin dem Beklagten eine notariell beglaubigte Vollmacht aus, die folgenden Wortlaut hatte: Hiermit erteile ich Herrn B (Bekl.) Verkaufsvollmacht, mich bei den Verkaufsverhandlungen an unserem gemeinsamen Grundstück ... zu vertreten. Ich bin bereit, meine Hälfte, ohne jede Gewähr von Beschaffenheit für 500000 DM zu verkaufen. Herr B ist außerdem bevollmächtigt, in meinem Namen alle anlässlich des Verkaufs erforderlichen Erklärungen gegenüber Behörden und Dritten abzugeben, die Auflassung zu erklären und Löschungen zu bewilligen, sowie Eintragungen von Lasten in Abteilung III des Grundbuches zu genehmigen.

Der Beklagte verkaufte das Grundstück für insgesamt 1800000 DM. Der Kaufvertrag und die Auflassung wurden für jede der beiden ideellen Grundstückshälften gesondert beurkundet. Für den Miteigentumsanteil der Erblasserin wurde ein Kaufpreis von 500000 DM und für den Miteigentumsanteil des Beklagten würde ein Kaufpreis von 1300000 DM vereinbart. In einem mit dem Beklagten im eigenen Namen geschlossenen Vertrag verpflichtete sich dieser, der Käuferin den Eintritt in die von ihm geschlossenen Miet- bzw. Untermietverträge zu ermöglichen.

Die Kläger verlangen vom Beklagten die Abführung der Hälfte des von ihm für seinen ideellen Anteil erzielten Mehrerlöses. Der Beklagte hat demgegenüber behauptet: Er habe entsprechend der im Mietvertrag getroffenen Regelung die ihm vermieteten Läden auf eigene Kosten herrichten und ausbauen lassen. Die erzielten Mieteinnahmen hätten 80000 DM betragen. Die Einbeziehung dieser Mietrechte in den Kaufvertrag habe er sich mit 800000 DM, der zehnfachen Jahresmiete, gesondert honorieren lassen. Das sei der Erblasserin bekannt gewesen. Sie habe daran keinen Anstoß genommen, weil ihr die Zusammenhänge bewusst gewesen seien, und sie habe deshalb auch niemals verlangt, dass er sie an dem Mehrerlös aus der Veräußerung der Ladenmietrechte beteiligte. Die Erblasserin sei von ihm in mehreren ausführlichen Gesprächen über die abgeschlossenen Verträge unterrichtet worden; sie habe ausdrücklich erklärt, dass sie die Gründe für die unterschiedliche Bemessung der Kaufpreise für die beiden Grundstückshälften einsehe und deswegen keinerlei Ansprüche stelle.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zwischenverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht meint, es sei nicht zu erkennen, inwiefern der Erblasserin aus der Veräußerung ihres Miteigentumsanteils an dem Grundstück überhaupt jemals Ansprüche gegen den Beklagten zugestanden haben sollten. Sie habe in der dem Beklagten erteilten Vollmacht ausdrücklich erklärt, dass sie bereit sei, ihre ideelle Grundstückshälfte für 500000 DM zu verkaufen. Dies und nichts anderes habe der Beklagte für sie getan. Dass er sich seine ideelle Hälfte habe teuerer bezahlen lassen, dass er diesen Preis unter Umständen sogar nur deshalb habe erzielen können, weil die Erblasserin bereit gewesen sei, ihre Hälfte schon für 500000 DM abzugeben, gebe der Erblasserin und ihren Erben keinen Anspruch auf die Hälfte des von dem Beklagten vereinnahmten Mehrerlöses; denn diesen Mehrerlös habe er für sein Eigentum und nicht als Beauftragter der Erblasserin für deren Eigentum erzielt. - Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Nach dem aus dem Tatbestand des Berufungsgerichts und den dort in Bezug genommenen Schriftsätzen ersichtlichen Sachverhalt (§ 561 I 1 ZPO) waren sich die Erblasserin und der Beklagte darüber einig, dass dieser sie beim Verkauf ihrer ideellen Grundstückshälfte vertreten, also ein Geschäft der Erblasserin besorgen sollte; eine Vergütung sollte dafür nicht gezahlt werden. Das zwischen beiden begründete Rechtsverhältnis ist daher als Auftrag (§ 622 BGB) anzusehen.

Ein Beauftragter ist zur gewissenhaften Wahrnehmung der Interessen des Auftraggebers verpflichtet. Ist er mit dem Verkauf eines Grundstücks betraut, so muss er sich grundsätzlich bemühen, einen möglichst hohen Preis zu erzielen; er darf auf keinen Fall das Objekt zu einem geringeren Preis verkaufen als zu dem, den der Käufer ersichtlich zahlen will. Aus dem Wortlaut der Vollmacht lässt sich hier nichts Gegenteiliges entnehmen. Wenn ein Verkäufer dem Verkaufsbevollmächtigten einen bestimmten Mindestbetrag vorschreibt, so bedeutet dies im allgemeinen nur, dass der Bevollmächtigte den Kaufvertrag nicht abschließen darf, wenn er nicht mindestens den als Limit genannten Kaufpreis erzielen kann. Rechtlich möglich ist allerdings auch eine Vereinbarung, durch die der Beauftragte von der Verpflichtung zur Erzielung eines möglichst hohen Verkaufspreises entbunden wird. Dass dies der erkennbare Wille der Erblasserin gewesen sei, hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt.

2. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass der Beklagte mit dem Eigentumsanteil der Erblasserin gleichzeitig auch seinen eigenen Anteil verkaufen musste. Ein Kaufinteressent, der von bestimmten Preisvorstellungen für das Gesamtobjekt ausging, war da- her bereit, für den eigenen Anteil des Beklagten einen um so höheren Preis zu zahlen, je niedriger der Preis für den Anteil der Erblasserin war. In diesem Interessenkonflikt konnte vom Beklagten nicht erwartet werden, dass er seine Interessen hinter die der Erblasserin zurücksetzte; auf der anderen Seite war er aber auch nicht berechtigt, seine eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die der Erblasserin zu verfolgen und sich auf deren Kosten einen unverhältnismäßig hohen Preis für seinen eigenen Anteil auszubedingen. Soweit der Beklagte hiergegen verstoßen hat, hat er die dadurch erlangten Vorteile gemäß § 667 BGB herauszugeben; diese Vorschrift findet auch auf solche Sondervorteile Anwendung, die dem Auftragnehmer von dritter Seite zugewandt sind und eine Willensbeeinflussung zum Nachteil des Auftraggebers befürchten lassen; dass sie nach dem Willen des Dritten gerade nicht für den Auftraggeber bestimmt waren, ist unbeachtlich (BGHZ 39, 1 = LM § 667 BGB Nr. 16 = NJW 1963, 649; Jauernig-Vollkommer, BGB, 2. Aufl., § 667 Anm. 2b; Steffen, in RGRK, 12. Aufl., §667 Rdnrn. 7 bis 10 m. w. Nachw.).

3. Einer besonderen Erörterung bedarf im vorliegenden Fall lediglich die Frage, ob sich daraus, dass der Beklagte gewisse Räume im gemeinsamen Haus gemietet, instandgesetzt und nach dem Verkauf sein Mietrecht auf den Erwerber des Hauses übertragen hat. Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen ergeben.

a) Soweit der Beklagte Aufwendungen für die Instandsetzung und den Ausbau des Hauses gemacht hat, könnte er sie bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 547, 670, 683, 748, 812, 951 BGB) von der Miteigentümerin oder deren Rechtsnachfolgern ersetzt verlangen. Unter den gegebenen Umständen könnte der Beklagte auch seinen Verwendungsanspruch gegenüber dem Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten zur Aufrechnung stellen (vgl. RGZ 160, 52 [60]; BGHZ 14, 342 [346] = LM § 387 BGB Nr. 13a u. § 198 ZPO Nr. 4 = NJW 1954, 1722; BGHZ 28, 123 [128] = LM § 270 BGB Nr. 2 u. § 256 ZPO Nr. 48 = NJW 1958, 1681; BGHZ 71, 380 [382] = NJW 1978, 1807).

Tatsächlich liegen jedoch die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nicht vor. Der Beklagte trägt selbst vor, dass er sich bei Abschluss des Mietvertrages verpflichtet habe, die Herrichtung und Instandsetzungsarbeiten auf eigene Kosten ausführen zu lassen. Daraus erklärt sich offenbar auch die erhebliche Diskrepanz zwischen dem vom Beklagten gezahlten Mietzins und den von ihm erzielten Einnahmen aus der Untervermietung. Wirtschaftlich gesehen waren daher die vom Beklagten gemachten Aufwendungen Teil des von ihm geschuldeten Mietzinses. Sie können demnach auch nicht als Rechtfertigung dafür dienen, dass sich der Beklagte für seinen Anteil einen höheren Preis ausbedungen hat als für den der Erblasserin.

b) Aufwendungen, die der Verkaufsbevollmächtigte gehabt hat, um die bisherigen Mieter zur Räumung zu veranlassen und dadurch das Haus für den Erwerber freizumachen, sind grundsätzlich vom Vollmachtgeber gemäß § 670 BGB zu erstatten. Der Beklagte behauptet jedoch nicht, dass er zu diesem Zweck Zahlungen an seinen Untermieter ge- leistet habe; aus den Kaufverträgen ergibt sich, dass die (Unter-)miet- Verträge von dem Erwerber fortgesetzt werden sollten.

c) Der Beklagte hätte möglicherweise sich dafür, dass er die Rechte aus dem Mietvertrag mit der Hauseigentümerin auf den Erwerber des Hauses übertrug, von diesem eine besondere Vergütung neben dem Kaufpreis für seine ideelle Eigentumshälfte versprechen lassen können. Im Kaufvertrag ist allerdings der vom Erwerber zu entrichtende Betrag nicht in Grundstückskaufpreis und Vergütung für die Überlassung von Mietrechten aufgeteilt ...

II. In einer Hilfsbegründung führt das Berufungsgericht aus, der Klageanspruch sei verwirkt. Um eine Verwirkung auszuschließen, hätte die Erblasserin ihre Ansprüche prompt anmelden müssen. Auch diese Überlegung ist rechtsfehlerhaft. Die bloße Untätigkeit des Berechtigten während eines bestimmten Zeitraumes genügt nicht, um den Einwand der Verwirkung zu begründen; es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die die Geltendmachung des unverjährten Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lassen (RGZ 155, 148 [151]; 158, 100 [107]; BGH, Urteil vom 24. 6. 1952 - I ZR 131/51 - und vom 2. 10. 1956- VI ZR 179/55; LM § 6 PatG Nr. 6; § 242 [Cc] BGB Nr. 6; § 164 BGB Nr. 2). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete sich im Hinblick auf das Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass der Berechtigte das ihm zustehende Recht nicht mehr geltend machen werde (BGHZ 25, 47 [52] = LM § 109 HGB Nr. 2 = NJW 1957, 1358; BGHZ 26, 52 [64] = LM § 16 UWG Nr. 27 = NJW 1958, 459; BGHZ 67, 56 [68] = LM § 31 UrhG Nr. 6; RGZ 155, 148 [151]; 158, 100 [107]; BAG, NJW 1978, 723;Jauernig-Vollkommer, § 242 Anm. IV 1 b; Alff, in: RGRK, § 242 Rdnr. 136 m. w. Nachw.). Dass letzteres der Fall gewesen sei, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; es ist noch nicht einmal behauptet worden. Die vom Landgericht festgestellten Umstände - freundschaftliche Beziehungen zwischen Erblasserin und dem Beklagten, gemeinsame geschäftliche Interessen, gemeinsames Interesse am Pferdesport, Übernahme der Patenschaft über die Tochter des Beklagten durch die Erblasserin, Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten der Erblasserin durch den Beklagten - reichen für sich allein noch nicht aus, um die Geltendmachung des Anspruchs als treuwidrig erscheinen zu lassen. Weitere, in diesem Zusammenhang erhebliche Tatsachen hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; es hat sich vielmehr damit begnügt, auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug zu nehmen. Mit Recht hebt die Revision hervor, dass es für den Tatbestand der Verwirkung auch auf das Verhalten des Verpflichteten ankommt. Wenn, wie hier, der Anspruch aus einem treuwidrigen Verhalten des Verpflichteten hergeleitet wird, müssen besonders schwerwiegende Umstände vorliegen, um ihn wegen einer zur Verjährung nicht ausreichenden Verzögerung der Geltendmachung als verwirkt erscheinen zu lassen (BGHZ 25, 47 [52, 53] = LM § 109 HGB Nr. 2 = NJW 1957, 1358).