Vermögensschaden-Wohnung

Gelangt der Besteller einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung aus einem von seinem Vertragspartner zu vertretenden Umstand erst einige Zeit später als vorgesehen in den Besitz der mangelfreien Wohnung, so liegt ein zu ersetzender Vermögensschaden weder in dem zeitweiligen Ausfall der Nutzungsmöglichkeit als solcher noch in den Aufwendungen für den auf den Verzugszeitraum entfallenden Kapitaldienst für die fristgerecht bezahlte - Vergütung und auch nicht in den zeitanteiligen umlagefähigen Gemeinschaftskosten.

Anmerkung: Mit der vorstehenden Entscheidung hat der V. Zivilsenat des BGH Gelegenheit genommen, seine Rechtsprechung zum Nutzungsausfallschaden fortzuentwickeln.

Unter Berufung auf BGHZ 66, 277 = LM vorstehend Nr. 23 billigte der Senat den Standpunkt des Berufsgericht, dass die Gebrauchsmöglichkeit einer Wohnung keinen selbständigen Vermögenswert verkörpert und dass ihre Vorenthaltung als solche keinen Vermögens- schaden begründet. Zugleich wies er erneut den Einwand zurück, dass dieser Rechtsansicht das Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH entgegenstehe.

In jener Entscheidung ging es darum, dass ein bereits fertig gestelltes, unversehrtes Haus beschädigt und zeitweilig unbenutzbar geworden war. In den Entscheidungsgründen hob der VIII. Zivilsenat ausdrücklich darauf ab, dass bei der Verletzung ausschließlicher Rechte - insbesondere beim Eigentum - eine Schadensberechnung auf hypothetischer Grundlage möglich, auch wenn sich beim Verletzten eine konkrete Vermögensminderung nicht feststellen läßt. Die gedankliche Grundlage ist ohnehin nicht unproblematisch, weil es im Bereich von Eigentumsverletzungen in der Regel an dem typischen gesteigerten Schutzbedürfnis fehlt, das bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten seit langem gewohnheitsrechtlich zur Anerkennung weiterer Schadensformen geführt hat. Im vorliegend entschiedenen Falle eines Schuldverzuges fehlte es schon an der Verletzung eines Ausschließlichkeitsrechts und damit an der gedanklichen Brücke zur Rechtsprechung auf jenem Sondergebiet. Eine Vorlage der Sache an den Großen Senat für Zivilsachen war daher nicht geboten.

Das Schwergewicht des besprochenen Urteils liegt auf den Ausführungen zur Frage, ob - unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Schuldnerverzuges - ein Anspruch auf Ersatz der Bewirtschaftungskosten bestand, die der Gläubiger während des Verzugszeitraums aufwenden musste, ohne bereits den erstrebten Vorteil zu erlangen.

Aus dem Blickwinkel der Differenzhypothese liegt das begriffliche Hindernis für die Anerkennung eines solchen Frustrierungsschadens im Kausalitätsgesichtspunkt begründet, weil die vertragsbezogenen Aufwendungen des Gläubigers auch bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung entstanden wären. Der durch die Vertragsverletzung verursachte Nachteil besteht nicht in dem Aufgewendeten, sondern in dem Entgangenen. Entgangen war hier die Nutzungsmöglichkeit, die nach der Rechtsprechung des V. Zivilsenats gerade keinen Vermögensschaden begründet.

Der Senat hat erwogen, ob sich die aufgezeigte Schwierigkeit durch eine Beweiserleichterung überwinden ließe - ein Weg, auf dem sich ohne Aufgabe grundlegender Prinzipien schon so manche Fortbildung des materiellen Rechts angebahnt hat. In der Tat hat bereits das RG den Standpunkt vertreten, dass sich bei Verträgen die beiderseitigen Leistungen nach dem Parteiwillen als gleichwertig gegenüberstünden und dass daher für den Fall der Nichterfüllung der Kaufpreis als Mindestschaden anzusehen sei. Über diese Äquivalenzvermutung hinaus erstreckte das RG die Ersatzpflicht auf alle anderen zur Erlangung der Gegenleistung gemachten Aufwendungen und führte zur Begründung aus, dass der Gläubiger die Aufwendungen durch den Vorteil der erwarteten Gegenleistung im Zweifel wieder eingebracht hätte. Der BGH hat diese Rechtsprechung fortgesetzt.

Der V. Senat ist nicht der Frage nachgegangen, wie sich die RentabilitätsVermutung überzeugend begründen lässt. Nach seiner Ansicht war für jene Vermutung hier schon deswegen kein Raum, weil die Kläger nichts dafür dargelegt hatten, dass der mit den Aufwendungen erstrebte Vorteil einen selbständigen Vermögensvorteil in ihrem Vermögen dargestellt hätte, der den in den Aufwendungen liegenden Vermögensverlust ausgeglichen hätte. In der Tat taugt die Rentabilitätsvermutung zwar dazu, die Anforderungen an die Beweisführung über § 252 Satz 2 BGB hinaus zu erleichtern, doch würde ihre gedankliche Grundlage dort überschritten, wovon von Anfang an kein Gewinn, sondern ein immaterieller Wert angestrebt wurde.

Der V. Senat hat weiter geprüft, ob ausnahmsweise trotz fehlenden Kausalzusammenhanges zwischen Schuldnerverzug und Vermögensminderung, also unabhängig von der Differenzhypothese, ein Vermögensschaden bejaht werden könne. Eine solche Möglichkeit ist ja nach der Rechtsprechung des BGH nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Sie ist bereits verwirklicht bei der Zuerkennung von Schadensverhinderungs- oder -minderungskosten, etwa für die Bereitstellung einer Betriebsreserve.

Der V. Zivilsenat hat offen gelassen, ob - aus gewichtigen Gründen - auch nach seiner Ansicht ein Vermögensschaden nicht nur dann unabhängig von der Differenzhypothese bejaht werden könnte, wenn es sich um die Beeinträchtigung eines konkreten Vermögensguts handelt, sondern auch dann, wenn es - wie hier - um einen allgemeinen Vermögensschaden geht. Der Senat vermisste nämlich jedenfalls einen hinreichend schwerwiegenden Sachgrund für den Ersatz der Bewirtschaftungskosten. Er zog eine Parallele zu dem Fall, dass die Kläger die Absicht gehabt hätten, die Wohnung zu vermieten. Dann hätte die Beklagten als Verkäuferin einwenden können, dass sich die Kapitalanlage als Verlustgeschäft erwiesen hätte. Bei beabsichtigter Eigennutzung hingegen ließe sich - ebenso wie bei allen anderen vergeblichen Aufwendungen, die einem im weitesten Sinne immateriellen Zweck dienen - ein vergleichbarer Einwand nicht rechtfertigen, ohne dass zugleich die gedankliche Grundlage für den Ersatz der frustrierten Aufwendungen überhaupt in Frage gestellt würde. Für eine derartige Besserstellung zur Eigennutzung entschlossener Wohnungskäufer sah der Senat keinen ausreichenden Grund. Vielmehr verwies er diesen Interessentenkreis auf die Möglichkeit, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, die er - jedenfalls auf dem Bausektor - für prinzipiell durchsetzbar hält.

Schließlich verwarf der Senat auch eine ergänzende Vertragsauslegung, weil es hierfür in der Regel an einer Vertragslücke fehle und überdies nicht angenommen werden könne, dass sich der Schuldner, wenn die Parteien die Frage bedacht hätten, auf die Pflicht zum Ersatz nutzloser Erwerbs- oder Folgekosten eingelassen hätte, obwohl nach der Rechtsprechung eine derartige Ersatzpflicht nicht besteht.

Nachdem der Frustrierungsgedanke für den Bereich deliktischer Schadensersatzansprüche schon seit längerem auf höchstrichterliche Zurückhaltung gestoßen ist, hat der BGH ihm in auch für das Vertragsrecht eine Absage erteilt, freilich erst nach einer an Sacherwägungen ausgerichteten Ergebniskontrolle. Damit zeichnet sich weiterhin die Tendenz ab, der Aufweichung des Schadensrechts, insbesondere der Grenzverwischung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden, Widerstand entgegenzusetzen, ohne zugleich für alle dogmatischen Notfälle den Ausweg zu versperren. In der Tat ist es auch in der heutigen Zeit, in der immer mehr Lebensrisiken auf Risikogemeinschaften verteilt werden, noch nicht Aufgabe des bürgerlichen Schadensersatzrechts, überall dort, wo sich jemand im weitesten Sinne benachteiligt glaubt, ihm sogleich einen Schuldner an die Hand zu geben.