Versicherer vom Vertrag zurück

Bei einer Restschuldversicherung auf den Todesfall muss der Darlehensgeber, der zugleich Versicherungsnehmer ist, im Versicherungsfall zunächst Befriedigung aus der Versicherung suchen.

Tritt der Versicherer vom Vertrag zurück, weil der Versicherte gefahrerhebliche Umstände verschwiegen hat, so kann der Darlehensgeber auf Ansprüche aus dem Darlehensvertrag grundsätzlich nur zurückgreifen, wenn er es dem Versicherten ermöglicht hat, nunmehr selbst gegen den Versicherer vorzugehen.

Zum Sachverhalt: 1972 schloss die verwitwete Mutter des Beklagten mit dem Kläger, einer Teilzahlungsbank, einen Vertrag über ein Darlehen in Höhe von 9800 DM ab. Der damals minderjährige Beklagte unterzeichnete den Vertrag als Mitschuldner. Die Mutter des Beklagten machte von der im Vertrag vorgesehenen Möglichkeit, eine Restschuldversicherung auf den Todesfall abzuschließen, Gebrauch. Die dem Darlehensbetrag zugeschlagene Prämie betrug 746 DM. Zur Restschuldversicherung heißt es im Vertrag: Der Antragsteller ist einverstanden, dass die ... (KI.) auf seine Person eine Restschuldversicherung beantragt und dass Leistungen hieraus an die . (Versicherungsnehmer) gezahlt werden ... Die dort anschließend gestellten Fragen nach Krankheiten in den letzten fünf Jahren oder gegenwärtigen Gesundheitsstörungen verneinte die Mutter des Beklagten Nach dem von der Kläger mit der Versicherung geschlossenen Rahmenvertrag ist die Firma Versicherungsnehmer, Versicherter ist der Darlehensnehmer. Weiter werden nach dem Vertrag Versicherungsscheine nicht ausgestellt. Als die Mutter des Beklagten 1974 starb, hatte sie auf das Darlehen 8479,90 DM zurückgezahlt. Die Restschuld beträgt nach Gutschrift des nicht verbrauchten Teils der Prämie für die Restschuldversicherung und unter Hinzufügung von Mahn- und Verwaltungskosten 5424,25 DM. Diesen Betrag macht die Kläger mit der Klage geltend. Die Kläger hat vorgetragen: Der Versicherer weigere sich zu leisten, weil die Mutter des Bell. entgegen ihren Angaben bei Vertragsschluss wegen erheblicher Erkrankungen von ihrem Hausarzt dauernd behandelt worden sei. Der Beklagte hafte daher sowohl als Mitschuldner als auch als Erbe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerist erfolglos geblieben. Die - zugelassene - Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. 1. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr streitig, dass der Beklagte wegen der fehlenden vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht Mitschuldner des 1972 zwischen seiner Mutter und der Kläger geschlossenen Darlehensvertrags geworden ist, dieser Umstand die Rechtswirksamkeit des Vertrages aber nicht berührt. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist demnach allein, ob der Kläger ein Anspruch aus Darlehen gegen den Beklagten als Erbe seiner Mutter zusteht.

2. Das Berufungsgericht verneint eine Haftung des Beklagten, da der Restschuldversicherungsvertrag bei einer an Treu und Glauben orientierten Auslegung nur so verstanden werden könne, dass alle aus dem Darlehensvertrag Verpflichteten im Falle eines vorzeitigen Todes des Kreditnehmers von der Schuld freigestellt seien. Ohne Bedeutung sei hierbei, ob der Versicherer die Restschuld wirklich begleiche. Die sich hiergegen richtenden Angriffe der Revision müssen Erfolg haben.

II. 1. a) Die Auslegung des mit der Restschuldversicherung verbundenen Darlehensvertrages durch das Berufungsgericht kann im Revisionsverfahren frei nachgeprüft werden. Formularverträge mit diesem oder einem der Sache nach gleichen Inhalt werden über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus im Bundesgebiet verwendet (vgl. Scholz, MDR 1976, 282; Landgericht Köln, VersR 1977, 930). Eine einheitliche Auslegung des Vertrages durch das RevGer. ist daher erforderlich.

b) Die Auslegung, die das Berufungsgericht dem Versicherungsvertrag in Zusammenhang mit dem Darlehen gibt, kann nicht gebilligt werden. Für eine solche Auslegung bieten der Text der abgegebenen Erklärungen und die mit ihnen verfolgten Interessen keine ausreichende Grundlage. Weder sollte der Abschluss des Versicherungsvertrages einen Erlass der Darlehensschuld bewirken noch wollte die Kläger eine solche Leistung an Erfüllungs Statt annehmen.

2. a) Die Interessen der Kläger gingen erkennbar dahin, die Darlehensforderungen erst untergehen zu lassen, wenn diese bei Tod der Darlehensnehmerin durch eine Leistung aus der Restschuldversicherung gesichert war. Die im Darlehensvertrag vorgesehene Sicherungsabtretung von Lohnforderungen deckte das mit einem Tode der Darlehensnehmerin eintretende Risiko nicht. War dagegen der Versicherer leistungspflichtig, so kam es für die Kläger nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des oder der Erben der Darlehensnehmerin an.

b) Der von der Darlehensnehmerin mit dem Abschluss der Restschuldversicherung verfolgte Zweck war mit dem von der Kläger verfolgten Interesse vereinbar. Die Mutter des Beklagten erreichte die von ihr mit dem Abschluss der Versicherung beabsichtigte Entlastung ihres oder ihrer Erben von der Darlehensverbindlichkeit auch dann, wenn diese Forderung erst nach Zahlung der Versicherungssumme erlosch. Dagegen kann den getroffenen Vereinbarungen weder ausdrücklich noch sinngemäß entnommen werden - worauf die Auslegung des Berufungsgerichts hinausläuft - die Kläger werde die Darlehensforderung allein schon wegen des Abschlusses einer Restschuldversicherung und ohne Rücksicht auf die Leistungspflicht des Versicherers beim Tode der Darlehensnehmerin erlassen. Ein vernünftiger Grund, die eigenen wirtschaftlichen Interessen so zu vernachlässigen, läßt sich nicht ersehen. Aus dem Darlehensvertrag und dem Merkblatt über die Restschuldversicherung, das die Mutter des Beklagten unstreitig erhalten hat, war für sie hinreichend deutlich zu erkennen, dass der Versicherer den Antrag auf Abschluss einer Restschuldversicherung - wie es dann auch tatsächlich geschehen ist - ohne besondere Annahmeerklärung nur annehmen wollte, wenn die die Restschuldversicherung betreffenden Fragen nach Gesundheitsstörungen verneint wurden. Der Versicherer wollte danach vertragliche Verpflichtungen ohne weitere Ermittlungen nur eingehen, wenn der Darlehensnehmer bei Vertragsschluss frei von Gesundheitsstörungen war. Die Kläger konnte daher bei Eintritt des Versicherungsfalls mit einer Leistung des Versicherers grundsä4lich nur rechnen, wenn die Darlehensnehmerin die Fragen nach ihrer Gesundheit wahrheitsgemäß beantwortet hatte. Andererseits konnte die Darlehensnehmerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht erwarten, die Versicherung werde auch dann zahlen, wenn von ihr verschwiegene Gesundheitsstörungen zu ihrem Tod mindestens beigetragen hatten.

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich die Kläger bei der Geltendmachung der Darlehensforderung grundsätzlich darauf berufen, dass der Versicherer nicht geleistet hat. Das wird nicht etwa hinfällig, weil, wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH in BGHZ 22, 109 = LM § 67 VVG Nr. 8 = NJW 1956, 1915, gemeint hat, sich die Kläger wie ein Kraftfahrzeugvermieter behandeln lassen müsse, der vom Mieter eine Kaskoversicherungsprämie erhalten hat und den Mieter daher von Ersatzansprüchen freistellen muss, weil dieser des Glaubens war, während der Mietzeit durch eine Kaskoversicherung gesichert zu sein. Die Sachlage in jenem und in diesem Fall sind nicht vergleichbar. In dem vom Berufungsgericht ausgewerteten Fall durfte der Mieter erwarten, dass Versicherungsschutz bestehe, wofür der Vermieter verantwortlich war. Hier geht es jedoch um die Frage, wer das Risiko der ausbleibenden Versicherungsleistungen zu tragen hat, wenn die Ursache in der Willenssphäre des Darlehensnehmers liegt.

3. Aus der Tatsache, dass die Kläger Versicherungsnehmerin - also ausschließlich berechtigte Partei - der Restschuldversicherung ist, für die zudem die Mutter des Beklagten die Prämie in Höhe von 746 DM gezahlt hat, folgt die Pflicht für die Kläger, beim Tod der Darlehensnehmerin zunächst mit verkehrsüblicher Sorgfalt die Befriedigung aus der Versicherung zu suchen. Diese Pflicht ist Bestandteil des Kreditvertrages und geht der Rückzahlungsschuld im Versicherungsfall vor. Die Verpflichtung, diese Reihenfolge einzuhalten, ist die Gegenleistung für die bessere Sicherung der Darlehens. Erst wenn die Kläger dieser Pflicht in einer die berechtigten Interessen des Versicherten wahrenden Weise genügt hat, kann sie auf die Darlehensforderung zurückgreifen. Die Erfüllung dieser Pflicht muss allerdings zumutbar sein. Der Umfang dieser Verpflichtung verringert sich daher, wenn das Verhalten des Versicherten selbst dazu geführt hat, dass das Versicherungsverhältnis Not leidet. Grundsätzlich soll der Abschluss einer Restschuldversicherung den Darlehensgeber nicht schlechter stellen, als wenn ihm nur ein Schuldner gegenüber steht. Der Versicherte muss es sich zurechnen lassen, wenn er den Versicherungsnehmer - nicht notwendigerweise arglistig - getäuscht hat. So gehört es vor allem zu den Obliegenheiten des Versicherten, gefahrerhebliche Umstände wahrheitsgemäß anzugeben, zumal, wenn er, wie es hier der Fall war, danach gefragt wird. Verweigert der Versicherer die Leistung wegen unrichtiger Angaben des Versicherten, so ist es dem Versicherungsnehmer grundsätzlich selbst dann nicht mehr zuzumuten, einen Deckungsprozess zu führen, wenn der Versicherer wegen fehlender Kausalität zwischen Versicherungsfall und verschwiegenem Umstand tatsächlich leisten muss (§ 8 II c ALB). Denn der Versicherungsnehmer hätte zunächst die Schwierigkeiten der Beweisführung zu- überwinden, wenn feststeht, dass der Versicherte falsche Angaben über seine Gesundheit gemacht hat. Darum geht die Pflicht des Versicherungsnehmers dann nur dahin, den Versicherten in die Lage zu versetzen, seinerseits die Leistung geltend zu machen. Der Versicherungsnehmer muss ihm also, da die Herausgabe eines Versicherungsscheins hier nicht in Betracht kommt, seine Rechte zum Einzug abtreten, und zwar so rechtzeitig, dass die Klagefrist, die, anlässlich eines Rücktritts mit erforderlicher Rechtsmittelbelehrung (§ 12 VVG) gegenüber dem Versicherungsnehmer bereits läuft, sich nicht zu einem Rechtsverlust des Versicherten auswirkt. Weiter muss der Versicherungsnehmer dem Versicherten anzeigen, dass er eine Deckungsklage nicht erheben will und innerhalb welcher Frist eine solche Klage noch erhoben werden kann. Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherten gewissermaßen die Rechtsmittelbelehrung des Versicherers weiterzuleiten. Ist dies unterblieben und dadurch dem Versicherten ein begründeter Anspruch gegen den Versicherer abgeschnitten, so kann die Darlehensgeberin auf die Darlehensforderung nicht mehr zurückgreifen.

III. Das Berufungsgericht hat zum Lauf der Klagefrist nach § 12 VVG keine Feststellungen getroffen, so dass der Senat dazu nicht abschließend entscheiden kann. Außerdem ist bisher unbekannt, ob die Kläger dem Beklagten angeboten hat, ihm ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag abzutreten. Bisher kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Kl, ihre vertraglichen Anzeigepflichten gegenüber dem Beklagten erfüllt hat und ihn deshalb aus dem Darlehensverhältnis in Anspruch nehmen kann. Das Berufungsgericht muss daher noch prüfen, ob die Kläger den beschriebenen vertraglichen Pflichten nachgekommen ist. Sollte die Klagefrist aus § 12 VVG schon verstrichen sein, so wird untersucht werden müssen, ob der Beklagte dadurch Ansprüche gegenüber dem Versicherer verloren hat. Es muss dann den Behauptungen der Parteien über die Art der vom Hausarzt der Mutter des Beklagten behandelten Erkrankung und deren Bedeutung für den Eintritt des Versicherungsfalls nachgegangen werden. Zeigt sich dabei, dass der Versicherer berechtigt war, von dem Vertrag zurückzutreten, so muss die Pflicht des Versicherers zur Erstattung der Prämie nach §§ 8 IV, 6 III ALB berücksichtigt werden.