Versicherungsleistungen

Die Vorschrift des § 839 I 2 BGB ist nicht anwendbar, wenn ein Amtsträger durch Verletzung der ihm als hoheitliche Aufgabe obliegenden Streupflicht die Verletzung eines Fußgängers schuldhaft verursacht (Erg. zu BGHZ 75, 134).

Zum Sachverhalt: Frau M, ein Mitglied der kl. AOK, kam auf einer Ortsstraße, die keinen Gehweg hat, zu Fall, weil diese nicht gestreut war. Dabei erlitt sie einen komplizierten Unterarmbruch. Die Kläger fordert von der beklagten Gemeinde Ersatz der für die stationäre und ambulante Behandlung sowie für Krankentransporte und Krankenpflege der Verletzten aufgewendeten Beträge. Die Beklagte hat ausgeführt, sie hafte schon deswegen nicht, weil die Versicherungsleistungen der Kläger für die Verletzte eine andere Ersatzmöglichkeit i. S. von § 839 12 BGB darstellen. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Auch die Revision der Beklagte hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: 1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Beklagte für die schuldhafte Verletzung der den Gemeinden als Amtspflicht obliegenden Verkehrssicherungspflicht (hier: Streupflicht) durch einen ihrer Beamten nur nach Art. 34 GG i. V. mit § 839 BGB einzustehen hat (Senatsurt., LM Art. 80 GrundG Nr. 15 = VersR 1979, 541 = MDR 1979, 825). Es nimmt weiter an, der Ersatzanspruch der Verletzten sei in dem von der Kläger geltend gemachten Umfang auf diese gemäß § 1542 RVO übergegangen. Die Bestimmung des § 839 I 2 BGB (sog. Verweisungsprivileg) stehe dem nicht entgegen, weil die Leistungen eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung einen anderen Ersatz im Sinne dieser Vorschrift nicht darstellten. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

2. Beginnend mit BGHZ 68, 217 = LM § 426 BGB Nr. 44 (Ls.) = NJW 1977, 1238 hat der Senat die Anwendung des Verweisungsprivilegs für Amtsträger verneint, die - ohne Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch zu nehmen - dienstlich am allgemeinen Straßenverkehr teilnehmen und schuldhaft einen Verkehrsunfall verursachen. Insoweit kann eine nach Amtshaftungsregeln haftende Körperschaft bei einer dienstlichen Teilnahme des Amtsträgers am allgemeinen Straßenverkehr den Verletzten und den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, der Aufwendungen für den Verletzten erbringt und auf den dessen Schadensersatzansprüche aus dem Unfall übergehen (§ 1542 RVO), auch nicht darauf verweisen, die Leistungen des Krankenversicherungsträgers bildeten eine andere Ersatzmöglichkeit (§ 839 12 BGB) für den Verletzten. Die Gleichheit der Rechte und Pflichten im Straßenverkehr, das Fehlen eines weitergehenden Rechtsgüterschutzes und einer erweiterten Haftung für alle Vermögensschäden bei der Amtshaftung in diesem Bereich sowie das Zurücktreten des ursprünglichen gesetzgeberischen Zwecks des Verweisungsprivilegs (Stärkung der Entschlusskraft des Beamten; Begrenzung des persönlichen Haftungsrisikos des Beamten in seiner besonderen Beziehung zum Bürger) erfordern es, dass sich die haftende Körperschaft nicht (mehr) auf die dem Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer widersprechende Vorschrift des § 839 I 2 BGB berufen darf.

3. Mit dem nach der Verkündung des Berufungsurteils erlassenen Urteil BGHZ 75, 134 = NJW 1979, 2043 hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass das Verweisungsprivileg auch dann entfällt, wenn ein Amtsträger durch Verletzung der ihm als hoheitliche Aufgabe obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht einen Verkehrsunfall schuldhaft verursacht. Er hat hierbei vor allem auf den engen Zusammenhang zwischen den Pflichten im allgemeinen Straßenverkehr und der Verkehrssicherungspflicht sowie auf die inhaltliche Übereinstimmung der öffentlich rechtlich ausgestalteten Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit mit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht abgestellt. In seinen Urteilen VersR 1980, 282 und NJW 1980, 2194 = LM § 823 (Ea) BGB Nr. 64 hat der Senat diese Rechtsprechung fortgeführt. Auch für den hier zu beurteilenden Unfall, der auf einer Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht beruht, gelten diese Grundsätze der Haftung.

4. Die von der Revision zur Nachprüfung gestellte Frage, ob Leistungen eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung als anderer Ersatz i. S. von § 839 I 2 BGB zu gelten haben, ist deshalb im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich. Die weiteren Voraussetzungen einer Haftung der Beklagte gemäß Art. 34 GG, § 839 BGB sind vom Berufungsgericht zutreffend beurteilt.