Vertrag zurücktreten

Hat die teilweise Erfüllung des Vertrages für den Besteller kein Interesse, so kann er nach § 636 Abs. 1 Satz 1 BGB vom ganzen Vertrag zurücktreten (entsprechende Anwendung von §§ 326 Abs. 1 Satz 3, 325 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Aus den Gründen: . . . II. Das Berufungsgericht führt weiter aus:

Die Beklagte habe die Anlage zu einem nicht unerheblichen Teil nicht rechtzeitig hergestellt. Die letzte einverständlich festgesetzte Lieferfrist sei am 18. 1. 1968 verstrichen gewesen. Mit ihrem Schreiben vom 13. 5. 1968 habe die Kläger gemäß §§ 636, 634 Abs. 1 BGB der Beklagte eine Nachfrist gesetzt und zugleich angedroht, nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Erfüllung des Restes abzulehnen und vom Vertrag zurückzutreten. Die bis zum 15. 6. 1968 gewährte Nachfrist sei den Umständen nach angemessen. Es habe ein nicht unerheblicher Teil der Anlage gefehlt, nämlich die Einschub-Eingangskanalschalter und die Erweiterung des Kernspeichers, deren Preis 22 % der gesamten Auftragssumme ausgemacht habe. Trotz der bereits erbrachten Teilleistungen der Beklagte habe die Kläger vom gesamten Vertrag zurücktreten dürfen, da die Teilerfüllung für die Kläger kein Interesse gehabt habe.

Hiergegen wendet sich die Rev. ohne Erfolg.

1. Sie meint, das BerUrt. lasse Zweifel an der Fälligkeit der Leistung zum 18. 1. 1968 und an der Setzung einer Nachfrist durch das Schreiben vom 13. 5. 1968 offen. In diesem Schreiben spreche die Kläger von mehrmaligen stillschweigenden Verlängerungen der Lieferfristen. Danach sei es möglich, dass sie nach dem 18. 1. 1968 die Herstellungsfrist verlängert habe oder die Beklagte nach Treu und Glauben davon habe ausgehen dürfen.

Diese Rüge geht fehl.

Das Berufungsgericht lässt keinen Zweifel an der von ihm festgestellten Vereinbarung über die Lieferfrist bis zum 18. 1. 1968. Diese Feststellung wird auch nicht durch das Schreiben der Kläger vom 13. 5. 1968 in Frage gestellt. Die Rev. übersieht, dass die Kläger in diesem Schreiben, nach Hinweis auf die mehrmaligen Verlängerungen der Lieferfrist, ausdrücklich beanstandete, die Beklagte habe auch den zuletzt von ihr - der Beklagte - angegebenen Liefertermin von Mitte Januar d. J. nicht eingehalten. Dass die Lieferfrist über den zuletzt angegebenen Liefertermin vom 18. 1. 1968 hinaus verlängert worden wäre, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen.

2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, das Berufungsgericht habe die von der Kläger gesetzte Nachfrist zu Unrecht als angemessen angesehen. Die Prüfung der Angemessenheit einer Nachfrist ist Sache des Tatrichters (vgl. Senatsurteil vom 13. 4. 1961 - VII ZR 109 und 132/60 -). Die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Nachfrist von einem Monat mit der etwa gleich langen Frist verglichen, die die Beklagte selbst noch am 13. 12. 1967 für die endgültige Fertigstellung der Anlage als angemessen bezeichnet hatte und über die sich die Parteien durch Bestimmung des spätesten Herstellungstermins auf den 18. 1. 1968 geeinigt hatten. Die Kläger durfte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, davon ausgehen, dass die Beklagte in der von ihr als angemessen bezeichneten Frist und in den danach bis zur Bestimmung der Nachfrist abgelaufenen weiteren vier Monaten an der - restlichen - Fertigstellung der Anlage gearbeitet hatte und sich zum vollen, notfalls ausschließlichen Einsatz aller ihrer Mittel zur Einhaltung der Nachfrist entschloss. Die Nachfrist hat nicht den Zweck, den Schuldner in die Lage zu versetzen, die Bewirkung seiner Leistung - hier der Restleistung - erst in die Wege zu leiten; sie soll ihm vielmehr nur Gelegenheit geben, die - restliche - Erfüllung zu vollenden (RGZ 89, 123). Eine angemessene Nachfrist kann daher regelmäßig wesentlich kürzer sein als die vereinbarte Herstellungsfrist (vgl. das oben genannte Urteil des Senats).

b) Der von dem Berufungsgericht dem Schreiben der Beklagte vom 5. 7. 1968 entnommene Umstand, dass die Beklagte nicht, zumindest nicht vorrangig, die Fertigstellung der Anlage betrieben, sondern an anderen die zeitliche Priorität genießenden Geräten gearbeitet hat, lässt erkennen, dass die Beklagte den für die Bestimmung der Nachfrist maßgeblichen und gerechtfertigten Erwartungen der Kläger nicht entsprochen hat. Das ändert nichts an der Angemessenheit der Nachfrist. Es würde Treu und Glauben widersprechen, dürfte sich die Beklagte auf eigenes pflichtwidriges Verhalten berufen, um die Nachfrist als unangemessen erscheinen zu lassen.

c) Hiernach brauchte sich das Berufungsgericht entgegen der Auff. der Rev. nicht mit dem Vortrag der Beklagte auseinanderzusetzen, dass es sich um einen Entwicklungsauftrag gehandelt habe, die Beklagte laufend Änderungen nach dem neuesten Stand der Technik habe vornehmen müssen und mehr Zeit beanspruchende Zulieferungen aus dem Ausland erforderlich gewesen seien. Dieses Vorbringen, auf das das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang eingegangen ist, lässt nicht erkennen, dass solche Schwierigkeiten etwa unerwartet noch nach der Vereinbarung vom Dezember 1967 (über die Frist zur restlichen Fertigstellung der Anlage bis zum 18. 1. 1968) aufgetreten wären. Derartiges ist auch nicht dem Vortrag der Beklagte zu entnehmen, sie habe mit ihrem Schreiben vom 21. 5. 1968 darauf hingewiesen, dass sie auch bei intensivstem Arbeitseinsatz die Nachfrist nicht einhalten könne. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Ursache des fruchtlosen Ablaufs der vereinbarten Lieferfrist sowie der Nachfrist nicht in allgemeinen Schwierigkeiten des Entwicklungsauftrags, sondern in dem von der Beklagte in ihrem Schreiben vom 5. 7. 1968 zugegebenen unzulänglichen Arbeitseinsatz gesehen hat.

d) Der Umstand, dass die Kläger bereit war, den Wünschen der Beklagte wegen einer Verlängerung der Nachfrist zu entsprechen, falls die Beklagte eine Bankbürgschaft beibringe, berührt nicht die Angemessenheit der Frist.

Mangels Vorlage einer Bankbürgschaft ist es zu einer Fristverlängerung nicht gekommen. Die Beklagte war auch berechtigt, nach Ablauf der Nachfrist die ihr übereigneten Teile zur Sicherung ihrer Ansprüche bei der Beklagte abholen zu lassen. Sie hat dadurch die Fertigstellung der Anlage nicht etwa vereitelt.

3. Schließlich ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Kläger berechtigt gewesen sei, vom ganzen Vertrag zurückzutreten.

a) Die Rev. meint, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts habe die Kläger in dem Schreiben vom 13. 5. 1968 nur erklärt, sie werde nach dem Ablauf der Frist die Restleistung ablehnen. Damit habe nicht zweifelhaft sein können, dass die Kläger an dem Vertrage, soweit er erfüllt gewesen sei, habe festhalten wollen.

Dies ist unrichtig.

Das Berufungsgericht hat vielmehr festgestellt, dass die Beklagte in dem Schreiben zugleich erklärt hat, nach fruchtlosem Fristablauf vom Vertrag zurückzutreten und der Beklagte die bereits gelieferten Teile Zug um Zug gegen Erstattung der gezahlten Beträge zurückzugeben. Nach dieser Androhung konnte die Beklagte keinen Zweifel daran haben, dass die Kläger sich vom ganzen Vertrag lösen wollte.

Darin, dass die Kläger die Teile abholen ließ, lag folglich, entgegen der Auff. der Rev., keine Willenserklärung, insoweit an dem Vertrag festzuhalten. Dass die Kläger nach Ablauf der Nachfrist anderen Sinnes geworden sei, hat die Rev. nicht vorgetragen. Dies kann umso weniger angenommen werden, als die Kläger um Sicherung bemüht war, wie ihr Verlangen nach Vorlage einer Bankbürgschaft erkennen lässt. Dementsprechend hat sie die Teile lediglich zur Sicherung ihres Anspruchs auf Rückzahlung (Zug um Zug gegen Rückgabe der Teile) abholen lassen.

b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Kläger trotz der Teillieferungen nach § 636 Abs. 1 Satz 1 BGB vom ganzen Vertrag zurücktreten durfte. Dieses umfassende Rücktritts- recht steht dem Besteller nach § 636 BGB in entsprechender Anwendung der §§ 326 Abs. 1 Satz 3, 325 Abs. 1 Satz 2 BGB jedenfalls dann zu, wenn die teilweise Erfüllung des Vertrages für ihn kein Interesse hat (vgl. R0 Warn. Rspr. 1937 Nr. 16; Staudinger-Riedel, 11. Aufl. BGB § 636 Rdnr. 2; Soergel-Siebert-Balleretedt, 10. Aufl. BGB § 636 Rdnr. 4).

Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht in ausführlicher Würdigung des Sachverhalts angenommen, dass die Teillieferung für die Kläger kein Interesse hatte.

Daraus ergibt sich, dass die Rüge der Rev., das Berufungsgericht habe die Beweislast verkannt, fehl geht. Das Berufungsgericht hat nicht nach der Beweislast entschieden.

Nicht zu beanstanden sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass es der Kläger unter den besonderen Umständen (Spezialanlage und Notwendigkeit einer zuverlässigen und sachgemäßen Wartung durch den Hersteller) nicht habe zugemutet werden können, die Anlage von einem anderen Unternehmen vervollständigen zulassen.

Das Berufungsgericht hat schließlich auch das Wertverhältnis zwischen den gelieferten und den nichtgelieferten Teilen der Anlage nicht außer Betracht gelassen.