Vertretungsregelung

Der Zweck der gesetzlichen Vertretungsregelung könne nicht sein, solche Gemeinden, deren sämtliche Organe diese Vertretungsregelung nicht gekannt und sie daher grundsätzlich nicht beachtet haben, später die Möglichkeit zu geben, sich von den Folgen misslungener Geschäfte freizustellen, die sie bei Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen ebenfalls, und zwar in gehöriger Form geschlossen hatten. Das stelle einen Normenmissbrauch dar. Aus dem Erschließungsvertrag mit B. gehe hervor, dass sich der Gemeinderat der Erschließung als einer öffentlich-rechtlichen Gemeindeaufgabe durchaus bewusst gewesen sei. So habe er denn auch der Vergabe der Kanalisationsarbeiten ausdrücklich zugestimmt. Diese hätten aber lediglich den zur Kläranlage gehörenden ergänzenden Teil des Entwässerungssystems gebildet. Das Berufungsgericht hat keinen Zweifel, dass der damalige Vertreter des Ratsvorsitzenden den Werkvertrag mit der Kläger oder eine Bevollmächtigung zu seinem Abschluss mit unterzeichnet hätte, wenn der Gemeindedirektor ihn darum gebeten hätte.

Der Rev. ist zuzugeben, dass diese Auff. des Berufungsgerichts nicht frei von Rechtsirrtum ist.

Es ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass die im öffentlichen Interesse zum Schutz öffentlich-rechtlicher Körperschaften und ihrer Mitglieder geschaffenen gesetzlichen Regelungen über die Vertretungsmacht der jeweils vertretungsberechtigten Organe durch die Berufung auf Treu und Glauben nicht außer Kraft gesetzt werden können BGB.

Der BGH hat freilich in diesem Zusammenhang den Gedanken von Treu und Glauben insofern zur Geltung gebracht, als er beim Handeln Dritter die von der Rechtsprechung für die Haftung aus einer Duldungsvollmacht entwickelten Grundsätze auch gegenüber einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anwendet BGB = NJW 56, 1355). Dasselbe gilt für die sog. Anscheinsvollmacht. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die jeweils zuständigen Organe den Zustand geduldet bzw. nicht verhindert haben, durch den der Anschein der Vollmacht erweckt wurde. Schließlich können öffentlich-rechtliche Körperschaften für das Verhalten verhandlungsberechtigter Organe auch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss haften.

Darum geht es im vorliegenden Falle jedoch nicht. Hier soll vielmehr nach den Vorstellungen des Berufungsgerichts die gesetzlich vorgeschriebene Erklärung eines gesamtberechtigten Vertretungsorgans der beklagten Gemeinde nach Treu und Glauben letzten Endes überhaupt für entbehrlich gehalten werden, und das nur, weil sämtliche Gemeindeorgane in Unkenntnis der einschlägigen Bestimmungen eine solche Erklärung gar nicht als notwendig angesehen hatten, bei Kenntnis der gesetzlichen Vertretungsregelung die Erklärung aber abgegeben worden wäre. Damit würde die aus wohl erwogenen Gründen in § 63 Abs. 2 und 3 NdsGO geschaffene Gesamtvertretungsbefugnis für die Gemeinden Niedersachsens gänzlich ausgehöhlt. Sie dient dein Schutz der Gemeinden und ihrer Mitglieder und soll eine gewisse - verhältnismäßig einfach zu handhabende - Kontrolle der Tätigkeit des Gemeindedirektors gewährleisten, der die Gemeinde an sich nach außen vertritt. Eine solche Kontrolle wäre aber hinfällig, wenn es gestattet wäre - und sei es nur unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben - sich über diese gesetzlichen Schutzvorschriften einfach hinwegzusetzen. Damit wäre etwaigen Eigenmächtigkeiten der Gemeindedirektoren Tür und Tor geöffnet. Das gilt gerade für Gemeinden mit nur geringer Einwohnerzahl, in denen erfahrungsgemäß der Bürgermeister seiner Persönlichkeit nach ein gewisses Gewicht hat und in denen die Auswahl an sachkundigen Gemeinderäten beschränkt ist. Der vorliegende Fall gibt dafür ein eindrucksvolles Bild. Hier hatte Gemeindedirektor B., dessen Versprechungen und Zusicherungen allgemein Glauben geschenkt wurde, mehr oder weniger freie Hand bei der Ausführung seiner Erschließungspläne, an denen er noch dazu ein eigenes Interesse hatte.

In solchen Verhältnissen ist eine Kontrolle darüber, in welchem Umfang sich die Gemeinde nun tatsächlich verpflichtet, wie sie § 63 Abs. 2 und 3 NdsGO im Auge hat, in besonderem Maße erforderlich. Wird sie nicht ausgeübt, wird der mit der gesetzlichen Vorschrift verfolgte Schutzzweck verfehlt. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Bestimmungen über die Vertretungsregelung bewusst oder unbewusst außer Acht gelassen werden. Die Gefahr für die Gemeinde und ihre Mitglieder, etwaigen Eigenmächtigkeiten des Gemeindedirektors ausgeliefert zu sein, ist beide Male gleich groß. Es kann auch keine Rolle spielen, wie sich der mitberechtigte Gesamtvertreter oder der Gemeinderat selbst bei Kenntnis der gesetzlichen Vertretungsbestimmungen verhalten haben würden. Sie hätten die zunächst vom Gemeindedirektor allein abgegebenen Erklärungen auch nachträglich genehmigen können. Taten sie das nicht, so mögen sie dafür ihre Gründe gehabt haben. Darüber kann nicht ohne weiteres hinweggegangen werden. Es ist ähnlich wie bei einem Rechtsgeschäft, das der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, was die Beteiligten übersehen haben. Auch in einem solchen Falle kann das Rechtsgeschäft nicht schon deshalb als unwirksam angesehen werden, weil die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, hätte man sie damals beantragt, erteilt worden wäre.

Das Ergebnis ist nicht unbillig. Der privatrechtsgeschäftliche Verkehr mit öffentlichen Körperschaften wird dadurch nicht etwa über Gebühr erschwert. Jedenfalls muss das im Interesse der Allgemeinheit in Kauf genommen werden. In. Wahrheit besteht kein ins Gewicht fallender Unterschied gegenüber Handelsgesellschaften oder anderen juristischen Personen des Privatrechts mit Gesamtvertretungsorganen. Wer zu ihnen in Geschäftsbeziehungen tritt, ist immer gehalten, sich selbst über die Vertretungsverhältnisse zu unterrichten, etwa durch Einblick in das Handels- bzw. Vereinsregister. Dem entspricht für Gemeinden die jeweils geltende Gemeindeordnung, aus der sich die zwingende Zuständigkeitsregelung für die Vertretung der Gemeinden eindeutig ergibt. Dass für öffentliche Körperschaften im Allgemeininteresse besondere Bestimmungen gelten, ist im Übrigen durchaus bekannt. Dabei besteht noch die Erleichterung, dass nach der im vorliegenden Falle allein interessierenden NdsGO der Gemeindedirektor für Geschäfte der laufenden Verwaltung sogar allein- vertretungsberechtigt ist. Soweit darüber hinausgehende, also in der Regel auch dem Umfange nach bedeutsamere Geschäfte in Frage stehen, ist es dem jeweiligen Verhandlungspartner ohne weiteres zuzumuten, sich selbst Klarheit darüber zu verschaffen, ob die öffentliche Körperschaft, mit der er zum Vertragsschluss kommen will, dem Gesetz entsprechend vertreten ist.

Zusammenfassend kann deshalb dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, dass es eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit unzulässige Rechtsausübung bedeuten soll, wenn sich die beklagte Gemeinde darauf beruft, bei Erteilung des Bauauftrags an die Kläger nicht wirksam vertreten gewesen zu sein.

Hat der mit der Bauleitung betraute Architekt dem Bauherrn wegen fehlerhafter Bauaufsicht Schadensersatz zu leisten, so ist der die Bauarbeiten ausführende Unternehmer auch dann nach § 426 Abs. 1 BGB zum Ausgleich verpflichtet, wenn seine Haftung für Mängel am Bauwerk vertraglich auf einen geringeren Zeitraum als die gesetzliche Verjährungsfrist beschränkt worden war und der Mangel, der zu dem Schaden geführt hat, erst nach Ablauf der vereinbarten Frist erkannt wurde.

In diesem Falle ist der Architekt nicht schon deshalb nach Treu und Glauben gehindert, den ihm zustehenden Ausgleichs Anspruch geltend zu machen, weil er am Abschluss des Bauvertrages mitgewirkt und die die Haftungsbeschränkung enthaltende Vertragsbestimmung selbst verfasst hat.