Verwendung neuer Baustoffe

Zur Frage, welche Anforderungen an die Pflichten des Architekten bei der Verwendung neuer Baustoffe und von Fachunternehmern vorgefertigte Bauteile zu stellen sind.

Zum Sachverhalt: Die Beklagte ließ in den Jahren 1959/1961 ihr in D. gelegenes Büro- und Geschäftshaus teils wiederaufbauen, teils umbauen. Die Architektenleistungen übertrug sie dem Architekten Dipl. Ing. W. Das Bauvorhaben wurde in drei Abschnitten ausgeführt. Die Fassade wurde dabei gleichmäßig mit einer aus Aluminium und Holz bestehenden Konstruktion der Firma K, Fenster- und Türenwerk, verkleidet. Dieses Unternehmen lieferte auch die Fenster sowie-zur Ausfüllung der Brüstungsfelder - für die ersten beiden Bauabschnitte Owopor-Platten (Typ S 197) und für den dritten Bauabschnitt sog. KGD-Platten. Beide Fabrikate haben eine Kunststoffbeschichtung. Nach Beendigung des zweiten Bauabschnitts traten bei einigen Platten Wölbungen und Risse auf. Nach Fertigstellung des dritten Abschnitts machten sich vor allem dort Feuchtigkeitserscheinungen bemerkbar.

Der Architekt hat seine restliche, der Höhe nach sich unstreitig auf 12617 DM belaufende Honorar-Forderung an die Kläger abgetreten. Diese hat jenen Betrag nebst Zinsen eingeklagt. Die Beklagte hat in erster Linie Schadensersatzansprüche zur Aufrechnung gestellt.

Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg.

Aus den Gründen: II. 2. a) Da das Berufungsgericht nicht geklärt hat, ob die Verwendung der Owopor-Platten einen durch die Nachbesserung nicht beseitigten und auf diesem Wege auch nicht mehr behebbaren Schaden verursacht hat, ist im Revisionsverfahren zugunsten der Beklagte davon auszugehen, dass ihr ein Schaden geblieben ist.

b) Das Berufungsgericht verneint jedoch mit Recht ein Verschulden des Architekten.

aa) Der Architekt darf in seiner Planung allerdings nur eine Konstruktion vorsehen, bei der er völlig sicher ist, dass sie den zu stellenden Anordnungen genügt. Er würde schuldhaft handeln, wenn er darüber Zweifel hegen müsste und sich gleichwohl nicht vergewisserte, ob der von ihm verfolgte Zweck auch zu erreichen ist (Senatsurteil vom 2. 5. 1963 - VII ZR 221/61 = Nr. 3 zu § 639 BGB = Schäfer-Finnern, Rspr. der Bauausführung, Z 2.414 Bl. 113, insoweit in BGHZ 39, 189 nicht abgedruckt). Demgemäß hat er grundsätzlich auch das beim Bau verwendete Material auf dessen Brauchbarkeit zu überprüfen (Senatsurteil vom 2. 4. 1964 - VII ZR 128/62). Bekommt er Bedenken, so muss er den Bauherrn darauf hinweisen (Senatsurteil vom 23. 3. 1970 - VII ZR 87/68 = Schaler-Firmem Z 3.00 Bl. 182 = BauR 1970, 177 - und vom 5. 7. 1971 - VII ZR 98/69 = WM 1971, 1271).

bb) Verhielte sich der Architekt gegenüber jeder Neuerung von vornherein ablehnend, wäre die Fortentwicklung des Bauwesens ausgeschlossen. Den Interessen des Bauherrn wäre damit nicht gedient. Die Verwendung eines nicht schon seit Jahren in der Praxis bewährten Materials kann andererseits auch besondere Gefahren in sich bergen. Bei neuen Werkstoffen hat der Architekt daher mit erhöhter Sorgfalt zu prüfen, ob er sich mit seiner Empfehlung auf das Gebiet der riskanten Planung begibt. Ist das für ihn erkennbar, trifft ihn eine entsprechende Belehrungspflicht.

cc) Das hat das Berufungsgericht hinreichend beachtet. Wenn es unter Würdigung der Gutachten und anderen Beweismitteln zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswahl der Owopor-Platten S 197 damals als unbedenklich und zweckmäßig angesehen werden durfte und insbesondere nicht gegen die anerkannten Regeln der Baukunst verstieß, muss die Revision das hinnehmen.

Das Berufungsgericht durfte dabei berücksichtigen, dass die Prüfungspflicht dort ihre Grenze findet, wo von dem Architekten eigene Sachkenntnis nicht mehr erwartet werden kann (Senatsurteil vom 2. 4. 1964 - VII ZR 128/62). Er kann sich dann mit den Äußerungen solcher Personen oder Institute begnügen, die er nach ihrer Qualifikation als sachverständig ansehen darf (vgl. Herding-Schmalzl, Vertragsgestaltung und Haftung im Bauwesen, 2. Aufl., Nr. 15 Anm. 2). Stimmen diese Äußerungen im wesentlichen mit dem überein, was der Produzent oder Lieferer in seinem Prospekt oder auf andere Weise anpreist, oder sprechen weitere gewichtige Gründe für die Richtigkeit dieser Angaben, so kann sich der Architekt in der Regel hierauf verlassen. Wollte man von ihm auch dann noch verlangen, dass er nur solches Material verwende, das sich bereits seit Jahren in der Praxis bewährt hat, wäre der Einsatz neuer Wirkstoffe niemals möglich.

Die Revision hat deshalb nicht recht, wenn sie von dem Architekten verlangt, dass er vor Erteilung des Auftrags hätte zusätzlich prüfen müssen, ob die, erst 1959 eingeführte Owopor-Platte S 197, die als Verbesserung des in Fachkreisen bekannten Typs S 177 bezeichnet wurde, schon bei anderen Bauten verwendet worden war und welche Erfahrungen man damit gesammelt hatte. Die von ihr in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen bleiben erfolglos; denn sie richten sich gegen die rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung des Berufungsgerichts Dessen Auffassung, dass der Architekt aufgrund der ihm mitgeteilten Einzelheiten mit genügender Sicherheit auf eine Wetterbeständigkeit der Platten schließen durfte, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

dd) Der Architekt brauchte nach alledem die Beklagte auch nicht dahin zu belehren, dass er riskant geplant habe.

III. Dä die Aufwölbung der Owopor-Platten noch vor Fertigstellung des dritten Bauabschnitts erkennbar wurde, entschloss sich der Architekt, sie hierfür nichtmehr zu verwenden. Auf Empfehlung der Firma K wählte er stattdessen die von der Kunststoff Gesellschaft D, einem Tochterunternehmen der Firma K, seit 1958 aufgrund einer schwedischen Lizenz produzierten KGD-Platten. Diese Platten bestehen aus mit Kunststoff beschichtetem Pressholz; sie sind im Gegensatz zu den Owopor-Platten symmetrisch aufgebaut.

Seit 1964, also etwa drei Jahre nach Beendigung der Bauarbeiten, begann die Kunststoffbeschichtung der KGD-Platten zu verkleiden. Nach den Feststellungen des BerGer handelte es sich dabei um einen fortschreitenden Prozess, der zur Wasserdurchlässigkeit der Plattenoberschicht führte. Die Beklagte musste daraufhin 88 Brüstungsfelder mit Glasal=Platten verblenden lassen und dafür - wie sie behauptet 24965,60 DM bezahlen. Sie hat insoweit die Aufrechnung erklärt, hat aber auch damit keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Planung des Architekten hinsieht- lieh der Auswahl der KGD-Platten fehlerhaft ist. Nach seiner Ansicht entfällt eine Verpflichtung zum Schadensersatz jedenfalls deshalb, weil den Architekten kein Verschulden treffe. Er habe sich vor Auftragserteilung einen Materialprüfungsbericht der Firma L m S. vorlegen lassen. Weitere Kontrollversuche hätten keinen Sinn gehabt. Die später aufgetretenen Mängel seien damals weder bekannt noch erkennbar gewesen. Über Verkleidung und Wasserdampfdurchlässigkeit von Kunststoffbeschichtungen habe man zu jener Zeit auch in Fachkreisen noch nichts gewusst. Die Produzentin sei vertrauenswürdig gewesen.

2. Diese Würdigung: der im wesentlichen auf dem Gutachten des Prof. Dr. S beruhenden Feststellungen hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Vergeblich wendet sich die Revision dagegen, dass der Sachverständige die KGD-Platten nach den Erkenntnissen des Jahres 1961 als geeignet und den anerkannten Regeln der Baukunst entsprechend angesehen hat. Ihre dagegen gerichtete Verfahrensrüge greift nicht durch (§ 565a S. 1 ZPO).

b) Die Verwendung von in der Praxis noch nicht bewährten Baustoffen ist, wie der Senat bereits ausgeführt hat, nicht von vornherein ausgeschlossen. Erforderlich ist nur, dass der Architekt das den Umständen nach ihm Zumutbare unternimmt, um zu klären, ob das ihm angebotene Material die für den Bau unerlässlichen Eigenschaften besitzt. Angesichts der sich auch auf bautechnischem Gebiet vollziehenden Entwicklung liegt es auf der Hand, dass er sich dabei beraten lassen muss. Darf er den Hersteller für vertrauenswürdig halten und spricht sich ein von diesem vorgelegter Materialprüfungsbericht für die Brauchbarkeit des neuen Werkstoffs zu dem verfolgten Zweck aus, so ist es kein Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht das genügen lässt, um ein Verschulden des Architekten bei der Auswahl dieses Werkstoffs zu verneinen.

c) Ob der Architekt damals ein anderes, den Kostenvorstellungen der Beklagte noch entsprechendes Material hätte wählen können, ist deshalb nicht mehr entscheidend.

IV. Durch einige der Fenster dringt Feuchtigkeit ein. Nach der Behauptung der Beklagte sollen es 28 Fenster sein. Die Beklagte führt das darauf zurück, dass die Wendeflügel keine Wasserschenkel haben. Außerdem seien hinreichend abgedichtet und ohne genügende Hinterlüftung konstruiert. Für den Schaden ist nach ihrer Meinung der Architekt verantwortlich. Mit dem ihr danach zustehenden Ersatzanspruch will sie aufrechnen.

Das Berufungsgericht hat jedoch auch das mit Recht abgelehnt.

1. Wasserschenkel hält es im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Prof. W nicht für erforderlich, weil die Dichtung bei diesen Fenstern durch elastische Dichtungsbänder erreicht werde.

Ein Verfahrensfehler ist dem Berufungsgericht bei dieser Feststellung entgegen der Ansicht der Revision nicht unterlaufen (§ 565a ZPO).

2. Entsprechendes gilt für die Abdichtung. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass der Architekt grundsätzlich verpflichtet ist, eine Fensterkonstruktion auf deren Zweckmäßigkeit und Brauchbarkeit zu prüfen und den ordnungsgemäßen Einbau der Fenster zu überwachen. Es durfte aber ebenso berücksichtigen, dass der Architekt die Konstruktion eines bekannten, seit 1932 auf dem Gebiet des Fensterbaus tätigen Fachunternehmens übernommen hatte, dessen Spezialkenntnisse den seinen überlegen sein mussten und die von ihm auch nicht ohne weiteres erwartet werden konnten (vgl. das bereits erwähnte Senatsurteil vom 2. 5. 1963 - VII ZR 221/61 = Schäfer-Finnern Z 2.414 Bl. 113; HerdingSchmalz!, aaO, Nr. 29 Anm. 17 S. 366 m. w. Nachw.). Denn den Architekten trifft jedenfalls dann kein Verschulden, wenn er sich zur Lösung einer bestimmten Spezialaufgabe an ein Unternehmen wendet, das sich hierauf besonders eingerichtet hat, und wenn für ihn kein triftiger Grund besteht, den Spezialkenntnissen und Erfahrungen dieses Unternehmens zu misstrauen.

Dass der Architekt gegenüber der Firma K Anlass zu besonderer Vorsicht gehabt habe, wird von der Revision nicht geltend gemacht. Ihm kann deshalb nicht zur Last gelegt werden, dass die Dichtungsbänder nach Größe und Beschaffenheit nicht den an sie zu stellenden Anforderungen entsprechen, die Fenster dadurch nicht genügend abgedichtet sind, die Holzteile von dem eindringenden Regenwasser auf Quellen und die Rahmenschenkel sich zum Teil verbiegen. Auch ein Verschulden des Architekten bei der Bauaufsicht hat das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei verneint.