Verzicht

Zu unterscheiden ist der Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechts im Einzelfall und der in Abs. 5 vorgesehene generelle Verzicht. Der Verzicht im Einzelfall ist (außer dem Fall, dass die Gemeinde von der zulässigen Ausübung des Vorkaufsrechts absieht) möglich durch formlosen Vertrag zwischen Gemeinde und Verkäufer vor oder nach Abschluss des Kaufvertrages, ferner durch Vereinbarung der Gemeinde mit dem Käufer, schließlich auch durch einseitige Zusage gegenüber dem Käufer, vom Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen. Hat die Gemeinde ein Kaufangebot abgelehnt oder nach einem Vorkaufsfall von der Ausübung des Vorkaufsrechts abgesehen, so liegt darin kein Verzicht auf die spätere Ausübung des Vorkaufsrechts. Auch haben Verkäufer und Käufer keinen Anspruch gegen die Gemeinde auf Auskunft, ob die Gemeinde für den Fall des Verkaufs eines Grundstücks zu bestimmten Bedingungen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen werde. Die Verweigerung der Auskunft oder das Nichtreagieren auf das Auskunftsverlangen können ebenfalls nicht als Verzicht ausgelegt werden. Dies gilt auch, wenn die Gemeinde die zur Wirksamkeit eines Kaufvertrags erforderliche Genehmigung erteilt hat. Zur Frage eines stillschweigenden Verzichtes. Die Ausübung des Vorkaufsrechts bleibt nach Auffassung des BGH selbst dann noch zulässig, wenn die Gemeinde nach Ausübung für das Grundstück eine Baugenehmigung erteilt hat. Abs. 5 regelt erstmals den generellen Verzicht, der allerdings schon vorher praktiziert wurde. Die Vorschrift dient der Verwaltungsvereinfachung und der Beschleunigung des Grundstücksverkehrs.

Die Verzichtserklärung:

- Die Verzichtserklärung kann in räumlicher Hinsicht nur für das I Gemeindegebiet oder für sämtliche Grundstücke einer Gemarkung ausgesprochen werden, damit das Grundbuchamt von der Prüfung befreit ist, ob das Grundstück im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, eines Umlegungsgebietes usw. oder im Bereich einer Satzung nach § 25 liegt. Der Verzicht erfasst - anders als der Widerruf nach Satz 2 - auch bereits abgeschlossene Kaufverträge. Ein ausgesprochener Verzicht erstreckt sich auch auf das Vorkaufsrecht nach § 3 BauGB-MaßnahmenG.

- Die Formulierung. Die Gemeinde kann... auf die Ausübung der ihr I nach diesem Abschnitt zustehenden Rechte verzichten bedeutet nach dem Zweck der Vorschrift, dass die Gemeinde den Verzicht sachlich nur soweit einschränken darf, wie er für das Grundbuchamt noch praktikabel ist. Der Verzicht kann ferner nur die Ausübung von Vorkaufsrechten, nicht deren Entstehen erfassen.

- Die Verzichtserklärung ist ein Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung, die nach Satz 3 ortsüblich bekanntzumachen ist und keiner Begründung bedarf. Die nach Satz 4 vorgeschriebene Mitteilung an das Grundbuchamt hat nur deklaratorische Bedeutung; eine Unterlassung lässt die Wirksamkeit des Verzichtes unberührt. Welches Organ der Gemeinde für den Verzicht zuständig ist, richtet sich nach Landesrecht.

- Folgen des Verzichtes: Die Gemeinde darf das Vorkaufsrecht bis zu f einem Widerruf des Verzichtes nicht ausüben. Damit entfallen die Mitteilungspflicht nach Abs. 1 Satz 1, die Grundbuchsperre nach Abs. 1 Satz 2 sowie das Negativzeugnis nach Abs. 1 Satz 3.

Der Widerruf des Verzichtes. Der Widerruf ist jederzeit möglich, jedoch nur für die Zukunft. Er ist ein Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung, die nach Satz 3 ortsüblich bekanntzumachen und dem Grundbuchamt mitzuteilen ist. Folgen des Widerrufs: Mit dem Wirksamwerden der Bekanntmachung des Widerrufs entfallen die Wirkungen des Verzichtes, und zwar ohne Rücksicht auf eine Anfechtung des Widerrufs, die keine aufschiebende Wirkung hat: Nach Satz 5 ist das Negativzeugnis erforderlich, sobald ein Widerruf erklärt ist. Satz 5 ist ein durch Bundesgesetz vorgeschriebener Fall im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr.3 VwGO. Das Grundbuchamt ist an die Erklärung der Gemeinde gebunden und darf die Wirksamkeit des Widerrufs nicht überprüfen.

Entschädigung für ältere Erwerbsrechte. Die Entschädigungsregelung des Abs. 6 ist im Wesentlichen vom BBauG übernommen worden. Das gemeindliche Vorkaufsrecht geht rechtsgeschäftlichen Vorkaufsrechten vor. Diese erlöschen beim Eigentumserwerb durch die Gemeinde. Andere Erwerbsrechte wie das Ankaufsrecht erlöschen zwar nicht, können aber durch ihre Ausübung den Vorkaufsfall auslösen und dann wegen der Grundbuchsperre des Abs. 1 Satz 2 nicht durchgesetzt werden. Für die dadurch entstandenen Vermögensnachteile sieht Abs. 6 eine Entschädigungspflicht der Gemeinde vor, da insoweit ein Enteignungstatbestand vorliegt. Abs. 6 trägt damit der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung. Dabei gilt das Prioritätsprinzip.

Die Entschädigungspflicht der Gemeinde Satz 1 verlangt zunächst, dass dem Inhaber eines vertraglichen Rechts zum Erwerb des Grundstücks durch die Ausübung des Vorkaufsrechts Vermögensnachteile entstanden sind, und setzt damit den ursächlichen Zusammenhang zwischen Ausübung und der Beeinträchtigung der Vermögenslage des Betroffenen voraus. Die Vorschrift ist daher nicht anwendbar, wenn z. B. ein Ankaufsrecht aus anderen Gründen als durch die Vorkaufsrechtsausübung nicht durchgesetzt werden kann.

Als vertragliche Rechte zum Erwerb des Grundstücks kommen neben rechtsgeschäftlichen Vorkaufsrechten vor allem das Wiederkaufsrecht und das Ankaufsrecht in Betracht.

Die Entschädigungspflicht greift u. a. ein, soweit ein gesetzliches Vorkaufsrecht der Gemeinde aufgrund dieses Gesetzbuchs begründet worden ist. Damit ist nicht nur das BauGB, sondern auch das frühere BBauG in seiner Ursprungsfassung und in der Fassung der jeweiligen Änderungen gemeint. Denn das BauGB ist materiell kein neues Gesetz, sondern inhaltlich eine Erweiterung des BBauG. Das BBauG wiederum sah in § 28 Satz 1 eine Entschädigungspflicht für vertragliche Erwerbsrechte vor, die bestanden, bevor ein gemeindliches Vorkaufsrecht aufgrund dieses Gesetzes begründet worden war. Somit können Gegenstand der Entschädigungspflicht vertragliche Erwerbsrechte sein, die vor Begründung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts aufgrund des BBauG 1960, der nachfolgenden Änderungen des BBauG oder des BauGB entstanden sind. Entsprechendes gilt für vertragliche Erwerbsrechte, die bestanden, bevor ein gemeindliches Vorkaufsrecht aufgrund landesrechtlicher, durch § 186 BBauG aufgehobener Vorschriften begründet worden ist.

Ein gesetzliches Vorkaufsrecht der Gemeinde ist in dem Zeitpunkt begründet worden, in dem die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen des Vorkaufsrechts vollständig vorlagen. Unerheblich ist, ob auch die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts - im Falle eines Kaufvertrages - vorgelegen hätten. Entscheidend ist, dass das Grundstück von einem gemeindlichen Vorkaufsrecht belastet war.

Die Entschädigungspflicht setzt nach dem Grundsatz der Priorität voraus, dass das vertragliche Erwerbsrecht vor der Begründung des gemeindlichen Vorkaufsrechts entstanden ist. Dabei ist die Kontinuität des Vorkaufsrechts von Bedeutung. Ein zeitlich nach Begründung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts entstandenes Erwerbsrecht ist daher nur dann nicht zu entschädigen, wenn das vorher begründete Vorkaufsrecht ununterbrochen in seinem wesentlichen Inhalt bis zur Ausübung weitergegolten hat. So wird z. B. die Entschädigungspflicht zu bejahen sein, wenn ein Erwerbsrecht zwar nach Erlass eines Aufstellungsbeschlusses gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 BBauG Novelle 1976 entstanden und das Grundstück somit mit einem Vorkaufsrecht belastet war, der Bebauungsplan jedoch erst nach Inkrafttreten des BauGB rechtsverbindlich geworden ist und das Vorkaufsrecht dann nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 ausgeübt wird. Zur Anwendung des Abs. 6 auf das Vorkaufsrecht nach § 3 BauGB-MaßnahmenG.