Verzug

Der Anspruch auf Ersatz von Verzugsschaden wegen entgangener Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs kommt auch dann in Betracht, wenn der Schuldner lediglich aufgrund eines Kaufvertrags zur Übergabe des Fahrzeugs und des Fahrzeugbriefs verpflichtet war und hiermit in Verzug geraten ist.

Anmerkung: Die Rechtsprechung des BGH zum Anspruch auf Ersatz für den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache zeigt in den letzten Jahren zwei Entwicklungslinien: Sie konkretisiert einmal den Kreis der ersatzfähigen Gegenstände und hat davon einen Wohnwagen und ein Motorsportboot ausgenommen. Dass die dabei zugrunde gelegten Kriterien noch keineswegs allgemein anerkannt sind, macht ihre lebhafte literarische Behandlung deutlich.

In dem hier besprochenen Urteil vom 15. 6. 1983 geht es um eine andere Entwicklungslinie, die weniger die dogmatischen Grundlagen für den Anspruch auf entgangene Sachnutzung betrifft, aber durch Ausdehnung seines Anwendungsbereichs erhebliche praktische Bedeutung gewinnen kann. Das Urteil schließt an die Entscheidung BGHZ 85, 11 an und vertieft die Erwägungen dazu, ob Ersatz für die entgangene Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs nur bei deliktischen oder aus dem Sacheigentum hergeleiteten Ansprüchen verlangt werden kann.

Der VIII. Zivilsenat betrachtete es als für ihn maßgebendes Datum, dass die entgangene Gebrauchsmöglichkeit des Kraftfahrzeugs einen Vermögensschaden darstellt, § 253 BGB einer Entschädigung in Geld also nicht entgegensteht. Natürlich ist auch dieser, in ständiger Rechtsprechung bestätigte Grundsatz nicht nochmaliger Prüfung entzogen. Ein Abgehen von der Kontinuität der Rechtsprechung müsste jedoch durch schwerwiegende Gründe geboten sein, an denen es fehlt.

Der Entscheidungsfall hatte - wie schon im Urteil BGHZ 85, 11 - keinen deliktischen, aber auch keinen lupenreinen schuldrechtlichen Schadensersatzanspruch zum Gegenstand, wie etwa aus Verzug bei der Lieferung eines verkauften Fahrzeugs. Vielmehr befanden sich das Fahrzeug und der Kraftfahrzeugbrief, mit dessen Übergabe der Verkäufer in Verzug war, schon im Eigentum des Käufers. Wegen des fehlenden Briefes war er daran gehindert, das Fahrzeug zu gebrauchen. Für die Vereitelung der bereits zu seinem Vermögen gehörenden Gebrauchsmöglichkeit konnte er Ersatz verlangen.

Der BGH hielt es jedoch für geboten, aus seiner Ansicht keinen Hehl zu machen, dass es der Krücke der Zugehörigkeit des Fahrzeugs zum Vermögen des Anspruchstellers nicht bedurft hätte. Auch bei Verletzung einer nur schuldrechtlichen - also nicht im engeren Sinn objektbezogenen - Position des Käufers, nach der er die Gebrauchsmöglichkeit erlangt hätte, kann sein Vermögensschaden die entgangene Gebrauchsmöglichkeit einschließen. Für eine Differenzierung zwischen vertraglicher und deliktischer Anspruchsgrundlage besteht kein überzeugender, mit dem Rechtsbegriff des Schadens zu vereinbarender Grund; er kann auch nicht in der Gefahr des Ausuferns von Haftungsrisiken gesehen werden. Es wird Sache der Vertragspartner sein, das Haftungsrisiko durch Vereinbarung auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Soweit das in AGB geschehen soll, sind die Gestaltungsmöglichkeiten allerdings durch das AGB-Gesetz eingeschränkt, das jedoch angemessenen Regelungen nicht entgegenstehen dürfte.

Für die - hier nicht vertraglich geregelte - Berechnung des Ersatzanspruchs hatte das Berufsgericht auf einen Tabellen-Wert zurückgegriffen. Gegen diesen Ansatzpunkt war nichts einzuwenden. Soweit das Berufsgericht den Tabellen-Wert um darin gesondert angegebene Vorhaltekosten gekürzt hat, weil sie beim Kläger nicht angefallen seien, war dies in dem vom Beklagten geführten Revisionsverfahren hinzunehmen. Die Berechnung ergab freilich einen im Vergleich zum Wert des Fahrzeugs hohen Ersatzanspruch. Ein hier im Einzelfall auftretendes Missverhältnis kann aber nicht den Einwand rechtfertigen, dass der Anspruchsteller in Wirklichkeit Ersatz eines Nichtvermögensschadens verlange. Zudem hätte sich der Beklagten beim Ersatz der Kosten für ein Mietfahrzeug vermutlich nicht besser gestanden. Das war auch von der Revision nicht geltend gemacht worden.