Vieh

Dem Beschädiger eines Weidezaunes ist der Verlust von Vieh, das deshalb entlaufen ist, auch dann zuzurechnen, wenn er auf widerrechtlicher Aneignung der Tiere durch einen Dritten beruht.

Zum Sachverhalt: Die Klägerin, die eine Viehhaltung hat, verlangt von der Beklagten Bundesrepublik Ersatz für Manöverschaden. Im September 1974 zerstörten Panzerfahrzeuge unter anderem die Einfriedung einer der Klägerin gehörigen Weide, so dass das weidende Rindvieh entlief. Die Klägerin behauptet, außer den später wieder eingetriebenen Tieren seien zwei Ammenkühe entlaufen und nicht mehr aufgefunden worden. Dafür begehrt sie Ersatz. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hat dennoch den Ersatzanspruch abgewiesen, weil es meint:

Der Verlust der Kühe sei keine adäquate Folge davon, dass der Zaun zerstört worden sei. Denn nach den Umständen müsse der Verlust der Tiere, die sonst nicht spurlos hätten verschwinden können, erst durch das vorsätzliche Dazwischentreten eines Dritten eingetreten sein. Werde aber der Schaden durch das auf freier Entschließung beruhende Verhalten eines Dritten herbeigeführt, dann sei der ursächliche Zusammenhang nur gegeben, wenn für die Zweithandlung ein rechtfertigender Anlass bestanden habe. Für Unterschlagung oder Diebstahl sei aber keine Rechtfertigung ersichtlich. Sie hätten auch nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem Manöver gestanden.

Diese Begründung ist in wesentlichen Punkten von Rechtsirrtum beeinflusst, so dass das angefochtene Urteil dem Angriff der Revision nicht standhält. Das Berufsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass für die in Frage stehenden öffentlichrechtlichen Ersatzansprüche hinsichtlich der ursächlichen Zurechnung des Schadens die Grundsätze gelten müssen, die auch im Rahmen der zivilrechtlichen Deliktshaftung anerkannt sind. Denn es kommt darauf an, ob das Schadensereignis auf das Manöver als Ursache im Rechtssinne zurückzuführen ist. Die demnach maßgebenden Grundsätze hat das Berufsgericht aber missverstanden.

Wenn das Berufsgericht einen im Rechtssinne ursächlichen Zusammenhang nur bejahen will, soweit für einen in die Kausalkette eingereihten vorsätzlichen Willensentschluss ein rechtfertigender Anlass bestand, dann schwebt ihm offenbar die Rechtsprechung des erkennenden Senats dazu vor, inwieweit auch ein freier, letzten Endes schadensträchtiger Willensentschluss des Geschädigten selbst dem Schädiger im Rechts- sinne ursächlich zugerechnet werden kann. Insoweit hat die Rechtsprechung das Erfordernis der Herausforderung entwickelt, die der Senat in jüngeren Entscheidungen unter anderem darin gesehen hat, dass der Schädiger durch vorwerfbares Tun bei dem Geschädigten eine mindestens im Ansatz billigenswerte Motivation zu selbstgefährdendem Verhalten gesetzt hat.

Darum geht es hier aber nicht, sondern, wie das Berufsgericht selbst, jedoch ohne die erforderlichen Folgerungen, formuliert, um die freie Willensentschließung eines Dritten. Insoweit kann es aber auf die Rechtfertigung des freien Willensentschlusses nie ankommen. Vielmehr wird sich die haftungsrechtliche Zurechnung der Tat des Dritten sogar im Regelfall daraus ergeben, dass ein rechtswidriges Tun eines Dritten nicht verhindert oder gar begünstigt worden ist. Dabei dürfte, soweit es das bürgerliche Deliktsrecht angeht, der erste Fall der Nichtverhinderung vor allem bei der haftungsbegründenden Kausalität im Vordergrund stehen. Dann beruht nämlich der Deliktstatbestand häufig schon auf der Verletzung einer gegen Rechtsbrecher gerichteten Garantiepflicht, die mitunter - wie beispielsweise in § 14 II 2 StVO - sogar gesetzlich normiert ist. Hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität, um die es sich hier handeln würde, wenn der Verlust der Kühe nach den Grundsätzen des Deliktsrechts der Beschädigung des Zaunes als Folgeschaden zugeordnet werden könnte, geht es vielmehr in der Regel darum, dass dem unmittelbar geschädigten Rechtsgut eine Schutzfunktion zukam, die durch seine Verletzung ausfiel, oder dass seine Ausschaltung jedenfalls zu rechtswidrigem Tun verleiten konnte. Vor allem im letzteren Fall kann es sich ergeben, dass der auf freiem Entschluss von Dritten beruhende Folgeschaden dem Schädiger billigerweise haftpflichtrechtlich nicht mehr zugerechnet werden kann, weil er nicht mehr in seinen Verantwortungsbereich fällt. Ob dies der Fall ist, muss jeweils nach den Umständen in wertender Betrachtung entschieden werden. Die Frage hat der Senat für den im genannten Urteil zur Entscheidung gestellten Fall verneint. Dieses Urteil erwähnt aber beispielhaft auch einen anderen Fall, in dem das rechtswidrige Handeln Dritter sicher noch dem Verantwortungsbereich des Erstschädigers zugerechnet werden muss: den Diebstahl von Gegenständen aus einer nach einem Verkehrsunfall ungesichert liegen gebliebenen Ladung.

Der jetzt zur Entscheidung stehende Fall zeigt eine mindestens nicht weniger enge Zurechnungsbeziehung als der zuletzt erwähnte. Die wesentliche Funktion eines Weidezaunes ist es gerade, das Weglaufen des Weideviehs zu verhindern. Denn dieses Weglaufen könnte zu vorübergehender Unauffindbarkeit führen; es birgt aber neben der Gefahr, dass die Tiere durch Unfälle zu Schaden kommen, vor allem ein stark erhöhtes Diebstahlrisiko in sich. Denn insbesondere, wenn die Tiere ihrem Instinkt gemäß in fremde Ställe oder in fremde Einfriedungen zulaufen, ist ihre Aneignung und Abschlachtung oft fast ganz ohne die sonst bestehende Gefahr der Entdeckung möglich.