Vollstreckungsgegenklage

Hat der Käufer die Vollstreckung wegen eines titulierten Restkaufpreises mit einer Vollstreckungsgegenklage unter Berufung auf sein Recht zur Minderung erfolgreich abgewehrt, so ist der Verkäufer gleichwohl nicht gehindert, gegenüber einem nunmehr erstmals geltend gemachten, gleichfalls auf Minderung gestützten Anspruch auf Rückzahlung eines bereits früher geleisteten Kaufpreisteils sich auf die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB zu berufen.

Anmerkung: Die Entscheidung befasst sich mit folgendem Sachverhalt: Die Kläger hatten 1970 von den Beklagten, die sich mit Herstellung und Vertrieb von Spezialgeräten für Autofahrer befassten, deren Geschäftsanteile an einer GmbH und einer GmbH & Co. KG gekauft. Nach Zahlung eines Teils des Kaufpreises fochten die Kläger die Verträge an. Die Beklagte betrieben daraufhin aus den Verträgen, in denen sich die Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatten, die Vollstreckung. Der von den Kläger erhobenen Vollstreckungsgegenklage gab das Oberlandesgericht im Jahre 1978 - nach zwischenzeitlicher Zurückverweisung der Sache durch den BGH (WM 1978, 59 = LM § 55 KO Nr. 8) - mit der Begründung statt, die von den Kläger geltend gemachte Minderung des Kaufpreises sei berechtigt und durch die Teilzahlungen schon mehr als der geminderte Kaufpreis von ihnen erbracht. Mit der Ende 1978 erhobenen Klage, der die Beklagte die Verjährungseinrede entgegenhalten, verlangen die Kläger Teile des überzahlten Kaufpreises zurück.

Da nur die Ansprüche auf Wandelung und Minderung der kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB unterliegen, während sich die Ansprüche des Käufers - bei denjenigen des Verkäufers kann es anders liegen (vgl. BGHZ 86, 313 [320] = NJW 1983, 1050) - aus (vollzogener) Wandelung oder Minderung nach der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB richten (BGH, Urteil vom 10. 1. 1958 - VIII ZR 412/56 - LM § 480 BGB Nr. 2 = NJW 1958, 418), kam es für die Verjährung der eingeklagten Rückzahlungsansprüche darauf an, ob mit der rechtskräftigen Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage die Minderung hinsichtlich dieses Kaufpreisteils, der nicht den Gegenstand des Vorprozesses gebildet hatte, i. S. des § 465 BGB vollzogen war.

Einer Stellungnahme zu dem Theorienstreit über das Zustandekommen von Wandelung und Minderung (vgl. dazu z.B. BGHZ 29, 148 [152ff.] = NJW 1959, 620 = LM § 463 BGB Nr. 4 m. Anm. Artl) bedarf es für die Beurteilung dieses Problems nicht: Zieht man aus der Herstellungstheorie, nach der der Käufer im Falle der Wandelung oder Minderung unmittelbar und ohne zwischengeschaltetes Verfahren (teilweise) Rückzahlung des Kaufpreises verlangen kann (Nachweise z. B. bei Staudinger-Honsell, BGB, 12. Aufl., § 465 Rdnr. 3), den Schluss, dass die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB diesen Rückzahlungsanspruch stets - also nicht nur, bevor Wandelung oder Minderung vollzogen sind, sondern auch danach - erfasst (so statt aller Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearb., 1958, § 111 II 1 S. 449f.), dann ist die Verjährung eingetreten, weil die Kläger erst über acht Jahre nach Übertragung der Gesellschaftsanteile den Rückforderungsanspruch gerichtlich geltend gemacht haben. Dem im Verfahren über die Vollstreckungsgegenklage ergangenen rechtskräftigen Urteil käme dann keine Bedeutung zu, weil es - nach dieser Ansicht - nicht die Umgestaltung des Kaufvertrages vorgenommen hat und daher insoweit auch nicht in Rechtskraft erwachsen sein kann, sondern lediglich die Folgen aus dem gewählten Gewährleistungsanspruch gezogen und seinem Ausspruch zugrunde gelegt hat (vgl. hierzu auch H. P. Westermann, in: MünchKomm, BGB, § 465 Rdnr. 17). Aber auch wenn man die Vollziehung der Wandelung unter dem Gesichtspunkt des Vertragscharakters sieht (Nachweise z. B. bei Staudinger-Honsell, aaO, § 465 Rdnr. 2), mit der Theorie des richterlichen Gestaltungsaktes im Streitfall die Wandelung oder Minderung durch Richterspruch für vollzogen hält (Nachweise z. B. bei Staudinger-Honsell, aaO, Rdnr. 4) oder eine gemischte Theorie vertritt (dazu Mezger, in: BGB-RGRK, 12. Aufl., § 465 Rdnr. 5), gelangt man im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis.

Der VIII. Zivilsenat des BGH geht auf diesen Theorienstreit auch nicht näher ein, sondern vergleicht den gegebenen Sachverhalt mit zwei anderen Fallgestaltungen, in denen die ganz herrschende Meinung dem Verkäufer die Einrede der Verjährung gestattet: so nämlich einmal, wenn der Käufer klageweise zunächst nur einen Teil des Kaufpreises unter Berufung auf sein Recht zur Wandelung geltend gemacht hatte und nach Eintritt der Verjährung den Rest zurückverlangt, und zum anderen, wenn der Käufer nach erfolgter Kaufpreisanzahlung gegenüber der Restkaufpreisklage des Verkäufers erfolgreich die Wandelungseinrede erhebt und später selbst auf Rückgewähr der Anzahlung klagt. Weniger aus materiell-rechtlichen Erwägungen - es kann zweifelhaft sein, ob in dem Urteil, das mit der Begründung erfolgter Minderung die Zwangsvollstreckung wegen eines Kaufpreisanspruchs für unzulässig erklärt, eine Vollziehung der Minderung gesehen werden kann (verneinend für den Fall der Abweisung der Kaufpreisklage auf eine Wandelungseinrede hin RGZ 69, 358 [388]; BGHZ 29, 148 [156] = NJW 1959, 620 = LM § 463 BGB Nr. 4 m. Anm. Artl; zweifelnd Erman, JZ 1960, 44; vgl. auch Mezger, aaO) - als aus prozessualen Gründen - die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess beschränkt sich auf den Streitgegenstand (§ 322 ZPO), also den eingeklagten Teilkaufpreis im ersten, den zurückverlangten Kaufpreisanteil ins zweiten bzw. die Vollstreckbarkeit der noch offenen titulierten Kaufpreisansprüche der Beklagte im vorliegenden Fall - stimmt der VIII. Zivilsenat der herrschenden Auffassung zu und setzt sich dabei eingehend mit der Gegenmeinung von Larenz (SchuldR II, 12. Aufl., 1981, § 41 II d S. 59; NJW 1951, 500) und Bötticher (Die Wandlung als Gestaltungsakt, 1938, S. 39 ff.) auseinander, die dem die Wandelung oder Minderung aussprechenden Urteil ohne Rücksicht auf die Rechtskraft eine besondere Gestaltungswirkung hinsichtlich des gesamten Schuldverhältnisses beimessen wollen. Diese Gegenmeinung lässt sich nach Auffassung des VIII. Zivilsenats weder mit dem - unterstellten - Charakter des Urteilsspruches als eines verdeckten Gestaltungsaktes noch mit dem Zweck der kurzfristigen Verjährung begründen; die Gegenansicht führt auch zu unbilligen Ergebnissen, weil der Käufer, der sich nur gegen einen Teil des Kaufpreisanspruchs zur Wehr setzt und damit sein Prozess- und Kostenrisiko vermindert, keine darüber hinausgehende Wirkung des Urteils erwarten und auf diese Weise nicht auch noch den Vorteil einer 30jährigen Verjährungsfrist hinsichtlich des längst gezahlten, bisher aber nicht klageweise zurückverlangten Kaufpreisanteils erlangen darf.