Vorkehrungen

Die dritte Alternative des § 9 Abs. 1 Nr. 24 ermöglicht die Festsetzung von Vorkehrungen an baulichen Anlagen, von denen Störungen ausgehen oder die Störungen ausgesetzt sind. Die Festsetzung ist nicht flächenbeanspruchend; sie erfordert - im Gegensatz zu der nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 Altern. 3 - nicht die Festsetzung eigener Flächen. Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 Altern. 3 können daher auch bei Flächen oder Gebieten mit anderer Zweckbestimmung getroffen werden und diese überlagern. Die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 Altern. 3 ist aber insofern flächenbezogen, als bestimmt sein muss, auf welchen Flächen bzw. Grundstücken die Anforderungen erfüllt werden müssen. Die pflichtigen Flächen müssen innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans liegen. Die Festsetzung von Vorkehrungen an Grundstücken außerhalb des Planbereichs ist unzulässig, da der Bebauungsplan rechtsverbindliche Festsetzungen nur für seinen räumlichen Geltungsbereich treffen kann. Der Begriff Vorkehrungen ist zwar dem Immissionsschutzrecht entlehnt, er hat jedoch in § 9 Abs. 1 Nr. 24 einen eigenen planungsrechtlichen Gehalt. Im Immissionsschutzrecht gehören zu den Vorkehrungen alle Maßnahmen, die geeignet sind, benachteiligende Wirkungen von emittierenden Anlagen auszuschließen oder zu mindern. Der planungsrechtliche Begriff der Vorkehrungen in § 9 Abs. 1 Nr. 24 weicht hiervon in verschiedener Hinsicht ab; er ist teils weiter, teils enger.

Er umfasst unterschieden nach dem Ort des Wirkungsansatzes:

- emissionsquellenspezifische Vorkehrungen; hierbei handelt es sich um Maßnahmen des aktiven Immissionsschutzes an den störenden Anlagen, z. B. Verwendung schalldämmender Baustoffe für Außenwände, Bindungen für die Grundrißgestaltung;

- immissionsortspezifische Vorkehrungen; hierbei handelt es sich um Maßnahmen des passiven Schallschutzes an den von den Immissionen betroffenen schutzbedürftigen Anlagen, z.B. Doppelfenster, Bindungen für die Grundrißgestaltung und die Anordnung von Aufenthaltsräumen, Ausführung der Außenwände, vorgelagerte Nebenanlagen, Laubengänge.

Die nach §9 Abs. 1 Nr. 24 Altem. 3 festsetzbaren Vorkehrungen sind - ebenso wie bei Alternative 2 - keine selbständigen Anlagen, sondern Einrichtungen, die an Anlagen angebracht oder mit diesen verbunden sind. Sollen selbständige Anlagen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen festgesetzt werden, kommt eine Festsetzung nach §9 Abs. 1 Nr. 24 Altern. 2 gegebenenfalls in Kombination mit Altern. 3 in Betracht.

Festsetzbar sind nur solche Vorkehrungen, die zugleich eine Regelung der zulässigen Bodennutzung zum Inhalt haben und darum städtebaurechtlich relevant sind. Vorkehrungen, die nicht auf die Nutzung der Grundstücke im Plangebiet durchschlagen, sind der Bebauungsplanung wesensfremd. Ausgeschlossen sind daher Regelungen z.B.

- für nicht ortsfeste, d. h. nicht dauerhaft mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende Anlagen,

- für das Verhalten von Menschen

- über die Beschaffenheit oder die Benutzung von Fahrzeugen.

Insgesamt ist bei der Festsetzung von Vorkehrungen weiter zu beachten, dass der Bebauungsplan nicht den Anforderungen vorgreifen darf, die im konkreten Genehmigungsverfahren nach dem Immissionsschutzrecht oder dem Bauordnungsrecht zu stellen sind. Die Festsetzungen müssen ebenenspezifisch getroffen werden. Ferner ist das Typisierungsgebot zu beachten; die festgesetzten Vorkehrungen dürfen nur in typisierender Form beschrieben werden. Festsetzungen nach §9 Abs. 1 Nr. 24 sind auch nicht mit Schutzauflagen vergleichbar die nach fachgesetzlichen Vorschriften bei Fachplanungen im Planfeststellungsbeschluss festgesetzt werden, wenn das öffentliche Wohl oder das Wohl der Allgemeinheit sie fordert oder wenn sie zur Sicherung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen bzw. zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer geboten sind. Schutzauflagen kommen schon in Betracht, wenn die Beeinträchtigungen die Schwelle der Zumutbarkeit erreicht. Für die Bebauungsplanung gelten jedoch andere Maßstäbe. Bei der Bauleitplanung ist die Grenze planerischer Abwägung erst erreicht, wenn die Schwelle der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeit nach Art. 14 GG überschritten wird oder wenn Gesundheitsgefahren bewirkt werden und deshalb Art. 2 Abs. 2 GG in seinem Wesensgehalt angetastet wird. In einem solchen Fall muss von einem Bebauungsplan verlangt werden, dass er durch geeignete Festsetzungen den Eingriff auf ein Maß reduziert, das unterhalb der aufgezeigten Schwelle liegt. Schutzauflagen sind ihrem Wesen nach typische Anordnungen auf der Vollzugsebene. Sie können daher im Bebauungsplan nicht festgesetzt werden. Auch hierin zeigt sich der Unterschied zwischen einem Bebauungsplan einerseits und dem Planfeststellungsverfahren andererseits. Die Planfeststellung umfasst - im Gegensatz zum Bebauungsplan - auch die Vollzugsebene; sie trifft nach außen hin eine endgültige Entscheidung. Daher muss die erforderliche Feinsteuerung durch den Planfeststellungsbeschluss selbst vorgenommen werden, während sie bei Aufstellung eines Bebauungsplans dem nachfolgenden Vollzugsverfahren vorbehalten bleibt. Die Vorkehrungen müssen baulicher oder teØcher Art sein, d. h. aus Baustoffen oder anderen Materialien bestehen. Sie müssen an einer baulichen oder technischen Anlage angebracht werden können oder in einer besonderen baulichen oder technischen Ausführung der Anlage bestehen. Vorkehrungen nicht gegenständlicher Art gehören daher nicht zu den nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 Altern. 3 festsetzbaren Vorkehrungen. Das gleiche gilt für Vorkehrungen natürlicher Art; Anpflanzungen können jedoch gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 25 festgesetzt werden. Mit der Eingrenzung der Vorkehrungen auf solche baulicher oder technischer Art ist der Gesetzgeber bewusst einer weitergehenden Auslegung des Begriffs Vorkehrungen entgegengetreten, die von einigen Gerichten und von Teilen des Schrifttums vertreten worden war. Der BaWüVGH hatte z.B. unter Vorkehrungen alle Maßnahmen verstanden, die geeignet seien, die in § 9 Abs. 1 Nr. 24 BBauG angesprochenen Immissionen abzuwehren; er hatte es deshalb für zulässig gehalten, dass in einem Bebauungsplan für einen Steinbruch auch Regelungen über das Durchführen von Erschütterungsmessungen, über Messwerte und Meßverfahren, über Sprengzeiten, über die Verwendung bestimmter Zünder, übet das Einschalten einer Mess-Stelle, über das Festhalten der Sprengungen auf Filmen und die Wartung der Abluftreinigungsanlage festgesetzt werden. Das OVG Bremen hielt die Festsetzung von Lärm-Immissionsgrenzwerten für zulässig, die an bestimmten Meßpunkten eingehalten werden sollten. Noch weitergehende Festsetzungen forderte das OVG Berlin; nach seiner Auffassung hätte der betreffende Bebauungsplan für das Reuter-Kraftwerk auch Stillegungsanordnungen für Betriebsteile, Emissionsgrenzwerte für die wichtigsten Schadstoffe, den Anschluss von Wohnungen an die Fernwärmeversorgung u. a. mehr festsetzen müssen. Vorkehrungen nicht baulicher oder technischer Art können nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 Altern. 3 nicht festgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für verhalten- oder betriebsbezogene Maßnahmen; nicht festsetzbar sind z.B. Regelungen über

- Betriebs- oder Produktionsart;

- Betriebs- bzw. Produktionsumfang, Mengenbegrenzung;

- Betriebs- oder Produktionsablauf;

- Betriebs- oder Produktionszeiten;

- Verwendung von bestimmten Materialien für die Produktion oder den Betrieb;

- Betriebs- oder Produktionskontrollen;

- Verfahren zur Entsorgung von Reststoffen und Abwasser;

- Stillegung bzw. Teilstillegung von vorhandenen Betriebsteilen;

- Anschluss von Wohnungen an die Fernwärmeversorgung.

Mit der Beschränkung der Vorkehrungen auf solche baulicher oder technischer Art wollte der Gesetzgeber auch die Festsetzung von isolierten Immissionsgrenzwerten als Vorkehrungen ausschließen; solche Grenzwertfestsetzungen waren in Betracht gezogen worden

- an den Grenzen von Gebieten mit schutzbedürftigen Nutzungen;

- an den Grenzen von Gebieten mit emittierenden Nutzungen;

- an festgelegten Meßlinien bzw. Meßpunkten.

Die Zulässigkeit der Festsetzung von Immissionsgrenzwerten war allerdings auch schon nach dem BBauG nicht zulässig. Gegen die Einbeziehung der Immissionswerte in die Vorkehrungen bestanden schon begrifflich Bedenken. Immissionswerte wehren keine schädlichen Umwelteinwirkungen ab, sondern bezeichnen nur das angestrebte Ziel; erst die hieran anknüpfenden Maßnahmen können als Vorkehrungen angesehen werden. Für die Festsetzung reicht es daher nicht aus, wenn im Bebauungsplan lediglich das mit den Schutzvorkehrungen verfolgte Ziel, z.B. das noch zulässige Maß von Lärmemissionen bzw. Lärmimmissionen festgelegt wird. Die Festsetzung isolierter Imissionsgrenzwerte war auch deswegen bedenklich, weil der Adressat nicht eindeutig bestimmt werden konnte. So können sich die Auswirkungen verschiedener Lärmquellen überlagern und zu einem Summenpegel addieren. Wird bereits durch einen Betreiber der festgesetzte Grenzwert erreicht, verbleiben für nachfolgende Bauherren keine Emissionsmöglichkeiten mehr. Wird insgesamt eine überschreitung festgestellt, bleibt offen, welcher von mehreren Emittenten lärmmindernde Maßnahmen vorzunehmen hat. Die gleichen Bedenken bestehen gegen die isolierte Festsetzung von Emissionswerten.