Wasserschäden

Zur Frage, unter welchen Umständen ein Mieter einem Mitmieter für Wasserschäden haftet, wenn er seine Mieträume für mehrere Tage ohne Kontrolle gelassen hat.

Der Beklagte hatte von dem früheren Mitbeklagten B. im Obergeschoß des Hauses K., F.-Straße 10, Gewerberäume zum Betrieb einer Schreinerei gemietet. Mieter der darunter gelegenen Räume ist die Firma N. Sie betreibt darin eine Papiergrollhandlung und unterhält ein größeres Lager.

Am 20. 12. 1963 schloss der Beklagte seinen Betrieb für die Weihnachtszeit, um ihn erst nach Neujahr wieder aufzunehmen. Zu dieser Zeit herrschte starker Frost. Als der Inhaber der Firma N. am Morgen des 27. 12. 1963 seine Geschäftsräume betrat, stellte er fest, dass aus den vom Beklagten gemieteten Räumen große Wassermengen in seine Räume eingedrungen waren und an seinen Papiervorräten erheblichen Schaden angerichtet hatten. In der zu den Betriebsräumen des Beklagten gehörenden Toilette war am Spülkasten die Quetschverschraubung aus der Zuleitung gedrückt worden, so dass das Wasser ungehindert ausfließen konnte.

Die Kläger haben der Firma N. als ihre Versicherer den Schaden von 96-259 DM ersetzt, und zwar die Kläger zu 1) zu % und die Klägerin zu 2) zu %. Sie haben die gemäß § 67 VVG auf sie übergegangenen Schadensersatzansprüche der Firma N. gegen den Vermieter B. und den Beklagten eingeklagt. B. hat sich im Laufe des Rechtsstreits außergerichtlich mit den Kläger verglichen und etwa % des Schadens an sie gezahlt.

Den noch offenen Restbetrag verlangen die Kläger vom Beklagten

Das Landgericht hat die gegen den Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht zunächst zurückgewiesen. Auf die Rev. der Kläger hat der erk. Senat mit Urteil vom 9. 10. 1968 (VIII ZR 173/66 = vorstehend Nr. 41 = NJW 69, 41 = MDR 69, 135 = BGHWarn. 1968 Nr. 225 = WM 68, 1354) die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nunmehr hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Die Rev. des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen,: I. Die Rev. wendet sich zunächst gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Schaden, dessen Ersatz die Kläger verlangen, auf Frosteinwirkung zurückzuführen ist. Nach Ansicht der Rev. ist es nicht auszuschließen, dass ein Materialfehler die Ursache des Defekts an der Wasserleitung gewesen ist.

Dieser Angriff der Rev. ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, wegen des z. Z. des Schadenseintritts herrschenden starken Frosts könne es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass dieser Frost das Leitungsrohr beschädigt habe. Demgegenüber könne die von dem Zeugen M. erwähnte mehr theoretische Möglichkeit eines Materialfehlers oder falscher Montage keine Beachtung finden.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht gründet seine Überzeugung ersichtlich auf den Erfahrungssatz, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Frostschaden spricht, wenn während einer Frostperiode in einem längere Zeit ungeheizten Raum eine Wasserleitung aufgedrückt wird, die Jahrelang einwandfrei gehalten hat. Denn es ist die typische Wirkung des Frosts, dass infolge der Ausdehnung des gefrorenen Wassers die Leitung an ihrer empfindlichsten Stelle nachgibt. Der hiermit begründete Beweis des ersten Anscheins für eine Ursächlichkeit der Frosteinwirkung entfällt erst dann, wenn ein Sachverhalt dargetan wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsmäßigen Geschehensablaufs ergibt (BGHZ 6, 169 = Nr. 5 in § 286 [0] ZPO -= NJW 52, 1137; BGHZ .8, 239 = Nr. 8 in § 286 [0] ZPO = NJW 53, 584). Die bloß theoretische Möglichkeit eines Materialfehlers oder einer falschen Montage kann den Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Dass irgendwelche konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Material.. oder Montagefehlers gegeben seien, ist den Ausführungen der Rev. nicht zu entnehmen. Auch der Vortrag der Parteien in den Tatsacheninstanzen lässt derartige Anhaltspunkte nicht erkennen.

II. Das Berufungsgericht hat weiterhin rechtlich einwandfrei angenommen, dass der Beklagte am 20. 12. 1963 bei der Stilllegung seines Betriebes die Frostgefahr hätte erkennen müssen. Als der Beklagte den Betrieb schieß, herrschte bereits seit etwa 10 Tagen Frostwetter. Irgendwelche Anzeichen, die ein Ende der Frostperiode am 20. 12. 1963 hätten erwarten lassen können, sind nicht ersichtlich. Dass sich die Innentemperatur unbeheizter Räume der Außentemperatur jedenfalls dann bald an- gleicht, wenn auch die angrenzenden Räume nicht beheizt werden, ist allgemein bekannt. Auch der Umstand, dass die Wasserleitung im Betrieb des Beklagten während der Betriebsruhe nicht benutzt wurde, förderte ein Einfrieren der frei ohne Isolierung verlegten Leitung. Angesichts dieser Umstände musste die Gefahr, dass die Leitung während der 10 tägigen Stilllegung des Betriebes einfrieren und infolgedessen beschädigt werden würde, sich dem Beklagten geradezu aufdrängen.

III. Wie der Senat in dem Urteil vom 9. 10. 1968 näher dar- gelegt hat, war der Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Gefahrbeherrschung auch der Firma N. als seiner Mitmieterin gegen- über verpflichtet, die ihm zumutbaren Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um der Gefahr eines Wasserrohrbruchs zu begegnen. Die erneute Verhandlung des Rechtsstreits vor dem Berufungsgericht hat ergeben, dass der Beklagte nichts unternommen hat, um ein Einfrieren der Wasserleitung zu verhindern. Durch diese Untätigkeit hat der Beklagte den Schaden der Firma N. mitverschuldet.

1. Dabei ist dem Beklagten zugute zu halten, dass die nächst- liegende und sicherste Schutzmaßnahme - nämlich ein Ab- sperren und Entleeren der frostgefährdeten Leitung für die Dauer der Betriebspause - im vorliegenden Falle für den Beklagten nicht durchführbar war. Da an derselben Wasserleitung noch zwei weitere Betriebe sowie Waschküche und Bad für vier Mietparteien hingen, konnte der Beklagte diese Leitung nicht für 10 Tage absperren. Ein Absperren wäre auch deshalb sinnlos gewesen, weil der Absperrhahn frei zugänglich war und von den übrigen Benutzern der Wasserleitung alsbald wieder aufgedreht worden wäre, wenn der Beklagte ihn tatsächlich am Nachmittag des 20. 12.1963 zugesperrt hätte. Dass die stark frostgefährdete Wasserleitung in der zu den Betriebsräumen des Beklagten gehörenden Toilette nicht getrennt abgesperrt und entleert werden konnte, geht zu Lasten des Hauseigentümers B. Wie der Sachverständige K. ausgeführt hat, entsprach die im Jahre 1961 installierte Wasserleitung weder den einschlägigen DIN-Vorschriften noch den festen Regeln des Installationshandwerks. Wegen der unsachgemäßen Installation der Wasserleitung ist der Hauseigentümer in erster Linie für den eingetretenen Wasserschaden verantwortlich.

2. Dies kann den Beklagten jedoch - jedenfalls im Verhältnis zur Firma N. - nicht von einer Mitverantwortung für die Folgen des Wasserrohrbruchs entlasten. Der Beklagte hätte, als er seinen Betrieb für mehr als 10 Tage stilllegte, zumindest den Vermieter hiervon unterrichten und ihm oder einem seiner Beauftragten den Zutritt zu seinen Betriebsräumen ermöglichen müssen. Es ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass ein Mieter, der seine Wohnung im Winter für einige Zeit nicht bewohnt, dies entweder dem Vermieter anzeigen oder für eine ausreichende Kontrolle der Wohnung Sorge tragen muss (vgl. Landgericht Berlin, GrundE 31, 963; Landgericht Tübingen, ZMR 56, 84; Landgericht München 1, DWW 66, 137; Staudinger Kiefersauer, BGB 11. Aufl., § 545 Nr. 5; Bandmann, DR 40, 621; Glaser, Versicherungspraxis 60, 23). Ist eine solche Mitteillangspflicht schon grundsätzlich auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage in allen Fällen einer längeren Abwesenheit des Mieters zu bejahen (vgl. hierzu auch Landgericht Düsseldorf, NJW 60, 2101), so ergab sie sich hier umso dringlicher, als dem Beklagten bekannt war, dass er eine stark frostgefährdete Wasserleitung in seinen Betriebsräumen ungeschützt zurückließ. Der Beklagte musste sich insbesondere auch deshalb mit dem Vermieter ins Benehmen setzen, weil dieser oder seine Beauftragten für einen Schutz der Wasserleitung auf seine Mithilfe angewiesen waren. Wenn die Leitung mit Rücksicht auf die übrigen Benutzer schon nicht während der gesamten Dauer der Betriebsruhe des Beklagten abgesperrt und entleert werden konnte, so lag es doch nahe, sie wenigstens über Nacht zu entleeren. Tatsächlich ist die Leitung auch häufig über Nacht abgesperrt und der Entleerungshahn im Treppenhaus geöffnet worden. Diese Schutzmaßnahme war aber jedenfalls für den in den Räumen des Beklagten gelegenen Teil der Leitung nutzlos. Denn solange dort nicht durch ein Ziehen der Spülung Luft in die Leitung gelassen wurde, konnte diese sich nicht entleeren. Damit die Wasserleitung wenigstens über Nacht vollständig entleert werden konnte, bedurfte es also der Mitwirkung des Beklagten Dass eine solche Mitwirkung erforderlich war, kann dem Beklagten nicht verborgen gewesen sein. Denn es ist weithin bekannt, dass eine Wasserleitung sich nur dann vollständig entleert, wenn am Ende der Leitung Luft zugeführt wird. Sollte dies dem Beklagten nicht bekannt gewesen sein, so hätte ei sich diese Kenntnis unschwer verschaffen können. Zu einer derartigen Erkundigung über einen wirksamen Frostschutz war er als Mieter von Räumen mit einer erheblich frostgefährdeten Leitung verpflichtet.

3. Eine Mitteilung der Betriebsruhe und eine Überlassung des Schlüssels an den Vermieter war dem Beklagten auch zuzumuten. Die Befürchtung des Beklagten, dass sein Handwerksbetrieb gefährdet worden wäre, wenn er einem Beauftragten des Vermieters einen Schlüssel zu seinen Betriebsräumen überlassen hätte, vermag der Senat nicht zu teilen. Es ist auch nicht ersichtlich, welche versicherungsrechtlichen Bedenken dem hätten entgegenstehen sollen. Wenn der Beklagte aber einem der Mieter des Hauses den Schlüssel nicht überlassen wollte, dann hätte er selbst die notwendigen Kontrollen vornehmen und Abends bei der Entleerung der Wasserleitung mitwirken müssen. Wollte er weder einem Dritten den Schlüssel überlassen noch selbst oder durch eigene Leute die erforderlichen Kontroll Maßnahmen durchführen, so war es ihm schließlich auch zuzumuten, dass er sich diese Bequemlichkeit mit der Installation des von dem Sachverständigen erwähnten elektrischen Heizgeräts mit Frostschutzautomatik erkaufte. Den damit verbundenen Kostenaufwand von etwa 150 DM hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht für zumutbar. Wieso die Benutzung eines derartigen Wärmestrahlers in der Toilette eine Gefahr für den angrenzenden Betriebsraum der Schreinerei bedeuten soll, wie die Rev. befürchtet, ist nicht ersichtlich.

4. Diese dem Beklagten zumutbaren Sicherungsvorkehrungen wären aller Voraussicht nach auch geeignet gewesen, den Schaden zu verhüten. Hätte der Beklagte dem Hauseigentümer die bevorstehende Betriebsruhe mitgeteilt und ihm einen Schlüssel zu den Betriebsräumen überlassen, so hätte der Vermieter einen der im Hause wohnenden Mieter, die teils schon von sich aus an Frosttagen die fragliche Wasserleitung absperrten, bitten können, zusätzlich für eine Entleerung der Leitung in der Toilette des Beklagten zu sorgen. Damit wäre sichergestellt gewesen, dass die Leitung jedenfalls nachts zur Zeit der tiefsten Temperaturen nicht hätte einfrieren können. Außerdem wäre damit eine regelmäßige Kontrolle in den Räumen des Beklagten vorgenommen werden, so dass auch die Gefahr eines Einfrierens zur Tageszeit hätte erkannt werden können. Die gleiche Wirkung hätte eine eigene Kontrolle des Beklagten gehabt. Dass schließlich das Frostschutzgerät einen sicheren Schutz dargestellt hätte, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.

5. Der Beklagte hätte somit verschiedene Möglichkeiten gehabt, etwas gegen das Einfrieren der Wasserleitung in seinen ungeheizten Betriebsräumen zu unternehmen Ihm ist weniger vorzuwerfen, dass er diese oder jene konkrete Abwehrmaßnahme unterließ, sondern dass er sich völlig untätig verhielt, als er bei Frostwetter seinen Betrieb für mehr als 10 Tage stilllegte. In dieser Situation durfte er sich nicht damit beruhigen, dass es eigentlich Sache des Vermieters gewesen wäre, in seine Wasserleitung eine eigene Absperr- und Entleerungsvorrichtung einzubauen. Er musste vielmehr selbst dazu beitragen, dass die in den seiner Obhut anvertrauten Räumen entstandene .Gefahrenlage sich nicht verwirklichte, und dadurch Dritte zu Schaden kamen.