Weimarer Reichsverfassung

Nach der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 hatte das Reich nur eine begrenzte Gesetzgebungskompetenz: eine konkurrierende Kompetenz für das Enteignungsrecht nach Artikel 7 Nr. 12 und eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht, die Bodenverteilung, das Ansiedlungs- und Heimstättenwesen, die Bindung des Grundbesitzes, das Wohnungswesen und die Bevölkerungsverteilung nach Artikel 10 Nr. 4; darüber hinaus statuierte Artikel 155 Zielsetzungen vornehmlich wohnungs- und bodenpolitischer Natur. Als erste Maßnahme wurde die Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Reichsverfassung am 15. Januar 1919 erlassen und danach am 9. Dezember 1919 neu gefasst; sie führte ein stark vereinfachtes Enteignungsverfahren vor allem für Zwecke des Wohnungsbaus ein; formell aufgehoben wurde sie erst durch das Bundesbaugesetz 1960. Durch das Reichssiedlungsgesetz vom 11. August 1919 wurden zur Förderung landwirtschaftlicher Klein- und Mittelbetriebe unter anderem ein gesetzliches Vorkaufsrecht und Enteignungsmöglichkeiten geschaffen. Das Reichsheimstättengesetz vom 10. Mai 1920 wirkte sich städtebaulich durch die Schaffung von Heimstättensiedlungen am Rande der Städte aus. Nach dem Scheitern der Bemühungen um ein preußisches Städtebaugesetz wurde im Jahre 1930 der Entwurf eines Reichsgesetzes über Erschließung und Beschaffung von Baugelände veröffentlicht, dem im Jahre darauf der Entwurf eines Reichsstädtebaugesetzes folgte. Es kam 1932 sogar noch zu einer Vorlage der Reichsregierung an den Reichstag, die aber nicht mehr beraten wurde. Für das Enteignungsrecht wurde das Reich jedoch durch das in einem Berliner Fall ergangene Urteil des Reichsgerichts vom 28. Februar 1930 - das sog. Betke-Urteil - zum sofortigen Eingreifen gezwungen; das Gericht hatte die sich aus der Fluchtlinienfestsetzung nach dem preußischen Fluchtliniengesetz ergebende Baubeschränkung als sogleich zu entschädigende Teilenteignung im Sinne des Artikels 153 Abs. 2 der Reichsverfassung angesehen und die Gemeinden damit unerfüllbaren Entschädigungsforderungen ausgesetzt. Durch die Zweite Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 5.Juni 1931 - die sog. Zweite Notverordnung - Sechster Teil Kapitel III §§ 1 bis 7 wurde die bisherige Rechtslage rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weimarer Reichsverfassung im wesentlichen wiederhergestellt, für Freiflächenausweisungen aber eine Sonderregelung getroffen, die dem Eigentümer eine Entschädigung für die Wertminderung seines Grundstücks zubilligte, deren Fälligkeit aber hinausschob und ihm unter bestimmten Voraussetzungen das Recht gab, anstelle einer Entschädigung die Übernahme des Grundstücks zu verlangen. Die Regelung war zunächst bis zum 1. April 1933 befristet, die Befristung wurde jedoch mehrfach um jeweils zwei Jahre hinausgeschoben und schließlich durch das Gesetz zur Änderung der Notverordnung über Enteignungen auf dem Gebiet des Städtebaus vom 31. März 1939 ganz aufgehoben, das seinerseits durch das Bundesbaugesetz 1960 außer Kraft gesetzt worden ist. Schließlich wurden durch die Dritte Notverordnung vom 6. Oktober 1931 Vierter Teil Kapitel II §§ 9 ff Enteignungsvorschriften für die Beschaffung von Land für vorstädtische Kleinsiedlungen und Kleingärten erlassen.