Wiederbeschaffungswert

Zur Frage, ob dem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Eigentümer eines wirtschaftlich totalbeschädigten Kraftfahrzeugs gegen den Schädiger ein Anspruch auf Ersatz der Wiederbeschaffungskosten einschließlich Mehrwertsteuer auch dann zusteht, wenn er ein Ersatzfahrzeug nicht von einem Händler, sondern von einem Privatmann erwirbt, so dass Mehrwertsteuer tatsächlich nicht anfällt.

Zum Sachverhalt: Der Kläger wurde im November 1978 in einen Verkehrsunfall verwickelt, den die Erstbeklagte mit dem bei der Drittbeklagte haftpflichtversicherten Pkw des Zweitbekl allein verursacht und verschuldet hatte. Hierbei wurde der Pkw des Klägers, der erst im Januar 1977 zugelassen worden war und eine Laufleistung von 33400 km aufweise, schwer beschädigt. Der Kläger erwarb von einem Privatmann ein Ersatzfahrzeug. Mehrwertsteuer fiel hierbei nicht an. Die Beklagten ersetzten die dem Kläger entstandenen Sachschäden mit Ausnahme der auf den Wiederbeschaffungswert des zerstörten Fahrzeugs entfallenden Mehrwertsteuer. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten diesen Betrag ebenfalls zu ersetzen haben.

LG und Oberlandesgericht haben die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger auch den auf den Wiederbeschaffungswert entfallenden Mehrwertsteuerbetrag zu ersetzen. Die - zugelassene - Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht ist der Ansicht, aus §§ 249, 251 I BGB folge, dass der Geschädigte verlangen könne, so gestellt zu werden, dass er einen dem beschädigten Pkw vergleichbaren gebrauchten Wagen nach einer gründlichen technischen Überprüfung mit Werkstattgarantie von einem seriösen Gebrauchtwagenhändler erwerben könne. Zu ersetzen sei daher der Wiederbeschaffungswert und nicht der in der Regel geringere Zeitwert des zerstörten Fahrzeugs. Bestandteil des Wiederbeschaffungswertes sei auch die Mehrwertsteuer. Dies gelte auch dann, wenn deren Anfall heute beim Gebrauchtwagenkauf vom Händler weitgehend durch gültige Agenturverträge vermieden werde. Die Mehrwertsteuer sei bei der Schadensberechnung als Preisfaktor des Wiederbeschaffungswertes zu berücksichtigen, ohne dass es darauf ankomme, ob der Geschädigte eine Ersatzbeschaffung überhaupt vornehme und ob gegebenenfalls bei dieser Ersatzbeschaffung Mehrwertsteuer anfalle.

Diese Auffassung des Berufsgerichts hält den Angriffen der Revision stand. Die Beklagten sind gemäß § 823I BGB, § 7I StVG und § 3 PflVG dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet. Sie haben ihm die Wiederbeschaffungskosten zu ersetzen, zu denen auch - gleichgültig, ob und inwieweit sie bei der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs angefallen ist oder nicht - die Mehrwertsteuer zählt.

Die Schadensbemessung bestimmt sich nach §§ 249, 251 I BGB. Die danach zu leistende Entschädigung umfasst die Kosten für die Wiederbeschaffung eines Ersatzobjekts, das der zerstörten Sache wirtschaftlich gleichwertig ist. Dies bedeutet, dass derjenige, der im Fall eines Kraftfahrzeugtotalschadens ersatzpflichtig ist, den Wiederbeschaffungswert des zerstörten Kraftfahrzeugs zu ersetzen hat.

Dem Geschädigten stehen verschiedene Wege der Wiederbeschaffung zur Verfügung. Er kann - etwa durch Zeitungsanzeigen - mit Privaten in Kontakt treten, die ihr gebrauchtes Fahrzeug veräußern möchten. Dieser vielleicht am häufigsten beschrittene Weg der Ersatzbeschaffung ist für den Geschädigten indes in der Regel mit einem spürbaren Aufwand an Zeit und Mühe verbunden. Er birgt überdies regelmäßig ein beachtliches Risiko, und zwar sowohl in Bezug auf die Mängelfreiheit des Ersatzfahrzeugs als auch in Bezug auf die

Durchsetzbarkeit etwaiger Gewährleistungsansprüche. Weiter hat der Geschädigte die Möglichkeit, sich an einen Kraftfahrzeughändler zu wenden. Dieser Weg ist für ihn angesichts der Konzentration des Angebotes von Gebrauchtwagen bei den Händlern in der Regel weniger aufwendig und mühevoll. Der Erwerb eines Gebrauchtwagens unter Einschaltung eines Gebrauchtwagenhändlers erfolgt üblicherweise in zwei Formen. Entweder tritt der Händler nur als Vermittler auf, so dass der Geschädigte das Fahrzeug vom bisherigen Eigentümer erwirbt. Oder der Händler handelt im eigenen Namen und für eigene Rechnung.

Die Rechtsordnung, die dem Geschädigten in §§ 249, 251 I BGB den Anspruch auf den vollen Wiederbeschaffungswert des zerstörten Fahrzeugs gewährt, gibt ihm das Recht, diesen demnach für ihn problemlosen und sichersten Weg der Ersatzbeschaffung zu wählen. Der erkennende Senat hat schon 1966 entschieden, dass der Geschädigte vom Schädiger die Kosten ersetzt verlangen kann, die sich ergeben, wenn er einen dem total beschädigten Fahrzeug ähnlichen Wagen nach einer gründlichen technischen Überprüfung von einem seriösen Gebrauchtwagenhändler erwirbt und sich von diesem Händler für eine gewisse Zeit eine Werkstättengarantie geben lässt. An dieser Rechtsprechung, die auch in dem späteren Senatsurteil vom 7. 3. 1978 Ausdruck gefunden hat, wird jedenfalls für die Fälle festgehalten, in denen es sich - wie im Streitfall- bei dem Schadenfahrzeug um einen relativ wenig gefahrenen Wagen handelt, dessen guter Zustand in der Höhe seines Wiederbeschaffungswertes zum Ausdruck kommt. Sie beruht auf dem Gedanken der Zumutbarkeit, auf den der Senat bei der Frage, welcher Ersatzanspruch dem Geschädigten zusteht, wiederholt abgestellt hat. Es ist dem Geschädigten nicht zuzumuten, sich zum Vorteil des Schädigers mit einem Ersatzfahrzeug zufrieden zu geben, für dessen Mängelfreiheit nicht ein seriöser Gebrauchtwagenhändler einsteht, der das Fahrzeug gründlich überprüft hat und der die Gewähr der Durchsetzbarkeit etwaiger Gewährleistungsansprüche bietet. Diese Auffassung hat auch im Schrifttum Zustimmung gefunden.

Geschieht der Erwerb des Ersatzfahrzeugs auf diesem Wege, so ist die Mehrwertsteuer in vollem Umfang zu zahlen. Sie entfällt nur dann, wenn der Händler deutlich im Namen eines anderen verkauft und das Risiko nicht übernimmt, eine selbständige Werkstattgarantie also nicht gibt. Dabei kann auf sich beruhen, inwieweit die vom Händler ausgewiesene Mehrwertsteuer eine echte Verteuerung des Ersatzfahrzeugs darstellt, obwohl der Aufwand der Mehrwertsteuer beim Ersterwerb des Fahrzeugs auch in die Kalkulation der Preise von Gebrauchtwagen beim Verkauf unter Privatleuten Eingang finden mag, woraus in der Rechtsprechung der Instanzgerichte mehrfach hingewiesen wird. Entscheidend ist vielmehr, dass ein Geschädigter den die Mehrwertsteuer mit ausweisenden Gesamtpreis zahlen muss, wenn er sich für den Weg der Ersatzbeschaffung entscheidet, der seine Interessen am besten sichert. Der Gesamtbetrag stellt sich für ihn dann als der endgültige Schaden dar. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte nach § 15I Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. In diesem Fall ist er auch dann, wenn er den für ihn problemlosesten und risikofreiesten Weg der Ersatzbeschaffung in Form des Eigengeschäfts des Händlers wählt, mit der Mehrwertsteuer nicht endgültig belastet.