Wohngemeinschaft

Es hängt von der Darlegung der tatsächlichen Gründe im Einzel- fall ab, ob der Wunsch des Mieters, im Rahmen seiner Lebensgestaltung aus persönlichen Gründen mit dritten Personen gleichen oder anderen Geschlechts eine auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft zu bilden, ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 549 II 1 BGB darstellt.

Eine Berücksichtigung der Belange des Vermieters findet dabei nur unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit im Sinne von § 549 II 1 Halbs. 2 BGB statt.

Anmerkung: In dem Rechtsentscheid des BGH zugrunde liegen- den Fall hat der Mieter einer in Berlin gelegenen 6-Zimmer-Wohnung von seinem Vermieter verlangt, er möge die Zustimmung zur Untervermietung je eines Zimmers an einen Rechtsanwalt und eine Angestellte geben. Der Kläger selbst hatte nach der Trennung von seiner früheren Lebensgefährtin eine neue Begleiterin gefunden und sie in die Wohnung aufgenommen. Sein Ansinnen hat er damit begründet, er habe aufgrund der vorausgegangenen Erfahrungen die Überzeugung gewonnen, dass für ihn das Zusammenleben in einer ehelichen oder in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit einer Lebensgefährtin in der Zweisamkeit nicht vorteilhaft sei. Für seine Lebensgestaltung sei wesentlich, im Zusammenleben mit anderen Menschen weitergehende soziale Auseinandersetzungen zu erfahren. Ihm sei daran gelegen, sein Leben gemeinsam mit anderen zu gestalten. Hierbei ermögliche das räumliche Zusammenleben in einer Wohnung einen kontinuierlichen Austausch von Erfahrungen, wozu insbesondere auch berufliche Erfahrungen und eine Verfolgung gemeinsamer Interessen in der Freizeit gehörten. Die Parteien streiten darüber, ob der Entschluss des Klägers, zur Begründung einer auf Dauer angelegten Wohngemeinschaft weitere Personen in seine Wohnung aufzunehmen als ein berechtigtes Interesse i. S. von § 549 11 BGB anzusehen ist. Das Landgericht, das der Kläger nach erfolgter Klageabweisung durch das AG angerufen hat, hat diese Frage verneinen wollen, sich daran aber durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. 8. 1982 (NJW 1982, 2876) gehindert gesehen. Das deshalb um den Erlass eines Rechtsentscheids angerufene KG teilt die Ansicht des Landgerichts. Dieser Umstand führte zu folgender Vorlagefrage an den BGH: Hat der Mieter - unbeschadet etwaiger Einwendungen des Vermieters aus dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit gemäß § 549 II 1 zweiter Halbs. BGB - bereits dann ein berechtigtes Interesse an der Aufnahme eines Dritten in die Mietwohnung i. S. von § 549 II BGB, wenn er im Rahmen seiner Lebensgestaltung aus persönlichen Gründen mit Dritten eine auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft begründen will, gleichviel, ob es sich bei den Dritten um Personen gleichen oder anderen Geschlechts handelt?

1. Seiner Antwort hierauf, die sich aus den Leitsätzen ergibt, hat der VIII. Zivilsenat des BGH eine eingehende Analyse des Regelungsgehalts des § 549 BGB vorangestellt, die das Ergebnis, zu dem der Rechtsentscheid geführt hat, als zwingend erscheinen lässt.

a) Nach § 549I BGB ist der Mieter ohne Erlaubnis des Vermieters grundsätzlich nicht berechtigt, den Gebrauch der gemieteten Sache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten. Eine Ausnahme sieht § 549 II 1 BGB für die Wohnraummiete vor. Diese Bestimmung gewährt dem Mieter einen Anspruch auf die Erlaubnis, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrages ein berechtigtes Interesse entsteht; dies gilt nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder sonst dem Vermieter die Überlassung nicht zugemutet werden kann. Zweck der Regelung des § 549 II 1 BGB ist, das Mietverhältnis gerade auch dann aufrechtzuerhalten, wenn der Mieter den Wohnraum teilweise einem anderen zum Gebrauch überlassen möchte (Prot. d. Rechtsaussch. Nr. 72, S. 9-11 zur BT-Dr IV/2195). Unterstrichen wird das durch § 549 II 3 BGB, der eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung nicht zulässt. Dieser Gesetzeszweck bestimmt in erster Linie die Auslegung des Begriffs berechtigtes Interesse und sein Verhältnis zu dem in § 549 II 1 Halbs. 2 BGB genannten Zumutbarkeitserfordernis.

b) Nach einer Darstellung, wie es zu der Gesetz gewordenen Formulierung berechtigtes Interesse gekommen ist und einer Bestandsaufnahme der in der Literatur zu ihrem Sinngehalt vertretenen Ansichten hat der BGH ausgeführt, nach seiner Auffassung sei ein Interesse des Mieters i. S. von § 549 II 1 BGB schon dann anzunehmen, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen. Allerdings muss der Mieter die konkreten Umstände darlegen, die sein Interesse begründen. Denn nicht bereits der bloße Wunsch zur Aufnahme eines Dritten in die Wohnung vermag den Begriff des Interesses auszufüllen, vielmehr sind es die tatsächlichen Grundlagen, auf denen dieser Wunsch beruht. Eine Offenbarung der Motivation ist schon deshalb notwendig, weil der Vermieter anders nicht prüfen kann, ob die den Wunsch begründenden Umstände - wie das Gesetz es verlangt - erst nach Vertragsschluss entstanden sind. Auch lässt sich ohne eine solche Darlegung nicht feststellen, ob die Motivation des Mieters ein berechtigtes Interesse zu begründen vermag. Die Formulierung des Gesetzes zeigt, dass nicht jedes beliebige Interesse ausreicht, sondern dass eine Bewertung der Motive des Mieters erforderlich ist.

c) Da sich der Maßstab für die Bewertung des Interesses als berechtigt aus der Vorschrift selbst nicht ergibt, hat der BGH bei der Ausfüllung des Begriffs auf die geltende Rechts- und Sozialordnung abgestellt und dabei in besonderem Maße die Wertordnung der Grundrechte berücksichtigt, die auf die Auslegung des Bürgerlichen Rechts von Einfluss ist, sofern diese sich, wie im entschiedenen Fall, unbestimmter Rechtsbegriffe bedient (vgl. dazu BVerfGE 7, 128 [205 f. ]; 42, 143 [147 f]). Als berechtigt hat mithin jedes, auch höchstpersönliche Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht zu gelten, das mit der Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht. Hierzu gehört grundsätzlich die Entscheidung des Mieters, sein Privatleben innerhalb der eigenen vier Wände nach seinen Vorstellungen zu gestalten, und zwar auch dann, wenn er mit Dritten eine auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft bilden möchte. Das besagt freilich nicht, dass der Wunsch nach jeder beliebigen Art von Gemeinschaft als ein berechtigtes Interesse gelten kann. Der Entschluss, in Gemeinschaft mit anderen zu leben, genießt als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den Schutz der Grundrechte (Art. 111, Art. 21 GG), solange er nicht die Schranken überschreitet, die die Verfassung selbst der Ausübung des allgemeinen Freiheitsrechts setzt. Das insoweit nach Art. 21 GG zu beachtende Sittengesetz ist den Anschauungen der Zeit unterworfen. Das lässt sich ebenso wenig bezweifeln, wie die Tatsache, dass das Zusammenleben unverheirateter Personen verschiedenen Geschlechts zu zweit in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder zusammen mit mehreren anderen in einer Wohngemeinschaft nicht mehr als sittlich anstößig angesehen wird (BGHZ 84, 36 -= LM § 1093 BGB Nr. 9 = WM 1982, 746 = NJW 1982, 1868 m. w. Nachw.). Die ebenfalls Schranken bildenden Rechte Dritter werden durch Vorgänge in einer abgeschlossenen Wohnung grundsätzlich nicht berührt.

d) Die Rechte des Vermieters sind dadurch gewahrt, dass § 549 II 1 Halbs. 2 BGB ihm die Möglichkeit zur Anführung von Gründen gibt, die ihm persönlich die Aufnahme Dritter als unzumutbar erscheinen lassen. In diesem Rahmen kann er seine eigenen Belange hinreichend zur Geltung bringen. Erweisen sich diese nämlich gegenüber den vom Mieter vorgetragenen, für sich genommen berechtigten Interessen als durchschlagend, so kann er die erbetene Einwilligung zu Recht verweigern.

Eine solche Auslegung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass der Gesetzgeber ausweislich der Materialien (BT-Dr IV/806, S. 9) einen billigen Ausgleich der Interessen von Mieter und Vermieter angestrebt hat. Zur Wahrung der beiderseitigen Interessen bedarf es allerdings weder einer Berücksichtigung der Belange des Vermieters bereits innerhalb des Merkmals berechtigt noch einer eher objektiv ausgerichteten Auslegung des Interessenbegriffs. Das Gesetz stellt in § 549 II 1 BGB ausdrücklich auf die Interessen - allein - des Mieters ab, so, wie es vergleichbar in §§ 556a I, 556b II BGB vom Interesse des Vermieters spricht. Die berechtigten Interessen des Mieters - im dargelegten Sinne - gehen deshalb den Interessen des Vermieters vor. Sie haben nur dann zurückzustehen, wenn die beabsichtigte Gebrauchsüberlassung für den Vermieter unzumutbar wäre. Im Übrigen ist der im Bürgerlichen Gesetzbuch wiederholt gebrauchte Begriff Inter- esse stets unter Beachtung von Sinn und Zweck aus dem engeren Sachzusammenhang der jeweiligen Norm abzuleiten. Deshalb lehnt die Rechtsprechung mit Recht etwa zu §§ 556a, 564b BGB eine Beschränkung auf bestimmte Rechts-, Wirtschafts- oder Lebensbereiche oder den Ausschluss bestimmter Bereiche ab (vgl. die Rechtsentscheide des BayObLG, WuM 1972, 8 [11 f.] = ZMR 1972, 50f. und WuM 1981, 32 [33] = ZMR 1981, 93 )

2. Bei sachgerechter Auslegung des § 549 II BGB hat der BGH die Befürchtung als unbegründet angesehen, der Vermieter könne durch beliebigen Sinneswandel des Mieters über Gebühr beeinträchtigt werden. Denn selbstverständlich hat der Mieter, die tatsächlichen Umstände darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, die sein Interesse an der Aufnahme dritter Personen in die Wohnung begründen. Das gilt gerade dann, wenn das geltend gemachte Interesse in dem Wunsch des Mieters nach einer veränderten Lebensführung besteht. Auch in seinem solchen Falle muss der Mieter die Umstände mitteilen, die sein Interesse begründen und als berechtigt im vorerwähnten Sinne erscheinen lassen. Dabei muss deutlich werden, dass und warum diese Umstände erst nach Abschluss des Mietvertrages entstanden sind. Denn der Wunsch des Mieters nach Aufnahme von dritten Personen kann dann nicht als berechtigt angesehen werden, wenn wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs mit dem Vertragsschluss ohne Änderung der persönlichen Situation der Verdacht naheliegt, der Mieter habe den erkannten und erwarteten Widerstand des Vermieters gegen die anfängliche Vermietung an eine Wohngemeinschaft zu umgehen versucht. Der Mieter muss daher die Veränderung seiner persönlichen Situation im Vergleich zu derjenigen dartun, die bei Abschluss des Vertrags vorgelegen hat. Das kann in Fällen, in denen sein Wunsch nicht bereits durch Veränderung der äußeren Lebensumstände erklärt wird, notwendig machen, auch diejenigen Umstände aus seiner Privatsphäre zu offenbaren, die seine Motivation belegen. Dazu kann durchaus eine Erläuterung seiner Beziehungen zu den aufzunehmenden Personen und seiner Vorstellung über die Art und Weise der Lebensführung in der Gemeinschaft gehören. Da der Vermieter sein Einverständnis zur Überlassung der Wohnung an Dritte versagen kann, wenn in deren Person ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt wird oder ihm diese sonst nicht zugemutet werden kann, wird der Mieter ihm schließlich die aufzunehmenden Personen - gegebenenfalls unter Mitteilung der beruflichen oder sonstigen Tätigkeit - namhaft machen und seine Vorstellungen über die Art der Wohnungsbelegung offenbaren müssen.

Hat der Mieter ein berechtigtes Interesse dargelegt, so liegt es nunmehr am Vermieter, unter Mitteilung der tatsächlichen Umstände Gründe geltend zu machen, die zur Versagung der Erlaubnis unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (§ 549 II 1 Halbs. 2 BGB) führen können. Dabei kann es sich nach den im Gesetz selbst genannten Regelbeispielen um Gründe in der Person des aufzunehmenden Dritten oder um die Überbelegung der Wohnung handeln. Dem eingangs zitierten Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Hamm ist darin zu folgen, dass etwaige andere Gründe, an deren Geltendmachung der Vermieter nicht gehindert ist, zu ihrer Berücksichtigung ein Gewicht haben müssen, das dem der Regelbeispiele entspricht. Dabei ergibt sich das Maß der Beeinträchtigung des Vermieters stets aus den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles. Diese Gründe zu werten und die sodann erforderliche Abwägung mit den von dem Mieter geltend gemachten berechtigten Interessen vorzunehmen, ist Aufgabe des Tatrichters, die dieser aufgrund einer Würdigung des jeweiligen Einzelfalles zu erfüllen hat.

Der Beschluss des BGH vom 3. 10. 1984 arbeitet die Besonderheiten der Rechtsstellung heraus, die der Gesetzgeber dem Wohnraum-Untervermieter zugedacht hat. Bei emotionsfreier Auseinandersetzung mit dem soziologischen Phänomen von Wohngemeinschaften, dessen Entstehung vielfältige Ursachen hat, wird schwerlich gesagt werden können, der Rechtsentscheid leiste dem Verfall guter Sitten Vorschub.