Wohnung

Im Frühjahr 1976 wollte der - damals 19 Jahre alte - Beklagte mit seiner Ehefrau eine Eigentumswohnung erwerben. Die Wohnung war Teil einer größeren Anlage, deren Bau die Kläger finanziert hatte; mit dem Verkauf der Wohnungen war von den Eigentümern die Firma G in D. beauftragt worden. Mit einem Angestellten dieser Firma verhandelten der Beklagten und seine Ehefrau zunächst im April 1976. Sie unterschrieben einen formularmäßigen Kaufantrag, der einen Festpreis von 153862 DM und dessen Finanzierung durch zwei Hypotheken vorsah. In einem unverbindlichen Finanzierungsvorschlag berechnete der Angestellte der Firma G unter Berücksichtigung eines Aufwendungsdarlehens und der Steuerersparnis nach § 7b EStG eine voraussichtliche monatliche Nettobelastung von 532,61 DM. Am 10. 5. 1976 besprach der Beklagten - ebenso wie andere Kaufinteressenten - in dem Büroraum des Angestellten K der Firma G in E. mit dem bei der Kläger beschäftigten Bankkaufmann J die Finanzierung. Der Beklagten, der sein jährliches Bruttoeinkommen mit 20000 DM angab, benötigte außer dem Kaufpreis von 153862 DM noch 10000 DM zur Ablösung einer Bankschuld zur Finanzierung eines Autokaufs. Außerdem war im Rahmen einer Zwischenfinanzierung noch ein Bauherrndarlehen über 10800 DM vorgesehen, aus dem der Beklagten einen monatlichen Zuschuss von 300 DM zur Verringerung der Belastung erhalten sollte. Er unterzeichnete schließlich ein teilweise ausgefülltes Kreditantragsformular; der mit 7% zu verzinsende Gesamtkredit betrug danach 257400 DM; davon entfielen 92000 DM auf ein mit 1% zu tilgendes Darlehen, 165400 DM auf die Zwischenfinanzierung eines bei einer Bausparkasse abzuschließenden Bausparvertrags. Anschließend wurde der Kaufvertrag über die Wohnung notariell beurkundet. Darin war der Kaufpreis mit 174662 DM angegeben. Die Verkäufer traten die Kaufpreisforderung in voller Höhe an die Kläger ab. Mit Schreiben vom 12. 7. 1976 übersandten die Kläger dem Beklagten eine Ausfertigung des Kreditvertrags und forderte ihn auf, ab 1. 8. 1976 den Kredit in monatlichen Raten von 1579 DM zu tilgen. Der Beklagten war inzwischen am 1. 7. 1976 in die Eigentumswohnung eingezogen. Trotz Mahnungen der Kläger zahlte er in der Folgezeit insgesamt nur 6400 DM in unterschiedlichen Raten an die Kläger auf deren Drängen verkaufte der Beklagten schließlich am 5. 7. 1978 die Eigentumswohnung für 172000 DM; der Kaufpreis wurde an die Kläger überwiesen und dem Beklagten gutgeschrieben. Der Kläger hat vom Beklagten 26 826,32 DM als restliche Darlehensschuld verlangt.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 8000 DM verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage in vollem Umfange abgewiesen; die Berufung der Kläger hat es zurückgewiesen. Die zugelassene Revision der Kläger führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufsgericht

Aus den Gründen: Der zwischen den Parteien geschlossene Kreditvertrag sei wegen Verstoßes gegen § 56 I Nr. 6 GewO gemäß § 134 BGB nichtig, weil der Vertreter der Kläger die Verhandlungen mit den jeweiligen Käufern der einzelnen Eigentumswohnungen in den Geschäftsräumen der Firma G in E. geführt habe, ohne dass die Initiative zu einem Kreditgeschäft gerade mit der Kläger vom Beklagten ausgegangen sei. Der Kläger ständen auch keine gesetzlichen An634sprüche zu, weil sie die von ihr zugunsten des Beklagten aufgewandten Beträge durch dessen Zahlungen bereits zurückerhalten habe. Um die Nutzung der Eigentumswohnung sei der Beklagten nicht auf Kosten der Kläger bereichert. -

Die Begründung, mit der das Berufsgericht vertragliche Ansprüche der Kläger aus § 607 BGB verneint hat, ist nicht frei von Rechtsirrtum.

Zuzustimmen ist dem Berufsgericht, soweit es davon ausgeht, dass ein im Reisegewerbe abgeschlossener Darlehensvertrag nichtig ist. Der Schutz, den § 56 I Nr. 6 GewO dem Kunden gewähren will, wird nur erreicht, wenn der Verstoß gegen diese Verbotsnorm gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit führt. Das hat der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden.

Die Feststellungen des Berufsgericht reichen jedoch nicht aus, um die Voraussetzungen des § 56I Nr. 6 GewO zu bejahen.

Die Tatbestandsprüfung kann sich dabei nicht auf den Wortlaut dieser Norm beschränken, sondern muss auch den § 55 GewO einbeziehen, weil dort eine Legaldefinition des in § 56 GewO verwendeten Begriffs Reisegewerbe gegeben wird. Beide Normen gehen von dem - in der Gewerbeordnung selbst nicht definierten - allgemeinen Gewerbebegriff aus; denn auch das Reisegewerbe ist Gewerbebetrieb. Das angefochtene Urteil lässt nicht mit hinreichender Klarheit erkennen, dass das Berufsgericht sämtliche Tatbestandsmerkmale, die sich aus diesem Normzusammenhang ergeben, erkannt und geprüft hat. Ausdrückliche Ausführungen zum Gewerbebegriff fehlen ebenso wie zu dem Tatbestandsmerkmal des § 55 GewO ohne vorhergehende Bestellung.

Das Berufsgericht hat in seinen Erörterungen zum Schutzzweck des § 56 GewO entscheidend auf die Schutzwürdigkeit des Beklagten im Einzelfall abgestellt. Die Nichtigkeitsfolge des Verstoßes gegen § 56 GewO ist aber unabhängig von einer solchen konkreten Schutzbedürftigkeit. Maßgebend muss bei Auslegungszweifeln vielmehr sein, ob das zu überprüfende Vorgehen des Gewerbetreibenden typischerweise zu Situationen führt, in denen die wirtschaftliche Entschließungsfreiheit des Kunden durch Übereilung, irreführende mündliche Angaben oder zudringliches Verhalten besonders gefährdet erscheint. Das charakteristische Stichwort Haustürgeschäfte darf zwar nicht zu einer Tatbestandseinschränkung führen; denn bei der Neufassung des § 55 I GewO sind die noch im Gesetzentwurf unmittelbar vor Nr. 1 der bezifferten Aufzählung eingefügten Worte von Haus zu Haus in den Ausschussberatungen gestrichen worden. Der Begriff Haustürgeschäfte umschreibt aber leitbildartig die Zielrichtung der Verbotsnorm und kann in diesem Sinne bei Zweifeln in der Auslegung des § 56I Nr. 6 GewO durchaus Bedeutung erlangen. Es muss vermieden werden, dass Kreditverhandlungsformen, die mit Haustürgeschäften nicht vergleichbar sind und deren typische Gefahren für den Kunden nicht in sich bergen, sondern im Interesse des Kreditnehmers liegen können, unter Berufung auf § 56 I Nr. 6 GewO generell unterbunden werden. Den Kunden vor Missbräuchen und Benachteiligungen im Einzelfall zu schützen, ist die Funktion anderer Vorschriften, etwa der §§ 138, 242 BGB.

Im Einzelnen ergibt sich danach folgendes:

Nur eine fortgesetzt in Wiederholungsabsicht ausgeübte Tätigkeit fällt unter den Begriff des Gewerbes und damit auch des Reisegewerbes. Wenn eine Bank nur gelegentlich einmal außerhalb ihrer Geschäftsräume mit einem Kunden verhandelt, so liegt noch kein Reisegewerbe vor.

Nach den Feststellungen des Berufsgerichts handelte es sich hier bei den Verhandlungen mit dem Beklagten allerdings nicht um einen solchen Einzelfall. Die Kläger hatte das Gesamtbauvorhaben in R. - nach der Zeugenaussage K umfasste es mindestens 33 Wohneinheiten - finanziert; die Verhandlungen mit den jeweiligen Käufern der einzelnen Eigentumswohnungen führte sie in E. durch. Es lag also eine von vornherein auf den Abschluss einer Vielzahl von Einzelverträgen gerichtete Tätigkeit vor. Die Tatsache, dass es sich um einen einheitlichen Baukomplex handelte und daher die Zahl der möglichen Einzelverträge begrenzt war, steht einer Anwendung des § 56 I GewO nicht entgegen. Auch wer nur eine begrenzte Warenmenge außerhalb seiner Geschäftsräume einer Vielzahl von Einzelabnehmern anbietet, betreibt ein Reisegewerbe.