Wohnungsbaugenossenschaft

Die Pflicht einer Wohnungsbaugenossenschaft, einem ihrer Genossen ein bestimmtes Grundstück zu verkaufen, kann auf Grund ihrer Satzung in Verbindung mit sonstigen Vorgängen entstehen, ohne dass zuvor eine dem Formerfordernis des § 313 BGB entsprechende Vereinbarung getroffen wurde.

Aus den Gründen: 1. Ob die Kläger, wie sie das in erster Instanz getan haben, unmittelbar auf Auflassung des streitigen Kaufeigenheims klagen können oder ob ein solches Begehren einen in der Form des § 313 BGB geschlossenen Veräußerungsvertrag voraussetzen würde, an dem es bisher fehlt, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß auf sich beruhen lassen (vgl. zu dieser Frage das Urteil des Senats vom 21. 4. 1972, V ZR 42/70, vorstehend Nr. 53 = NJW 72, 1189 = WM 72, 685, das allerdings einen besonders gearteten Sachverhalt betraf). Denn soweit das landgerichtliche Urteil den Auflassungsanspruch abgewiesen hat, ist es von den Kläger nicht angefochten worden, so dass dieser Anspruch im BerRechtszug nicht mehr zur Entscheidung stand. Vielmehr ging es dort und geht es auch jetzt im Revisionsverfahren allein um das Bestehen oder Nichtbestehen einer Verpflichtung der Beklagte, mit den Kläger unter Einhaltung jener Form einen schuldrechtlichen Vertrag abzuschließen, auf Grund dessen sie alsdann von ihren Vertragspartnern dazu angehalten werden kann, ihnen das umstrittene Anwesen zu Eigentum zu übertragen. Dass es hierfür, entgegen der Meinung des Landgerichts, keines sogenannten Träger-Bewerber-Vertrages mehr bedarf, wie es in einem früheren Stadium des Bauvorhabens - bis zur Schlussabrechnung - sinnvoll gewesen wäre, sondern dass unter den jetzigen Umständen mir noch ein regelrechter, auf Grundstücksübereignung gerichteter Kaufvertrag in Betracht kommt, steht außer Streit. Die Entscheidung spitzt sich daher auf die Frage zu, ob den Kläger ein Recht auf den Abschluss eines derartigen Vertrages zusteht.

Das Oberlandesgericht hat dies bejaht. Es entnimmt eine dahingehende Verpflichtung der Satzung der beklagten Genossenschaft und erblickt insbesondere in deren Weigerung, mit den Kläger die zum Erwerb des Kaufeigenheims erforderlichen Verträge abzuschließen, einen Verstoß gegen ihre satzungsmäßige Pflicht zur Gleichbehandlung aller Genossen. Die Schwierigkeiten, die ihr der Erstkläger bei den Auseinandersetzungen zu Beginn des Jahres 1960 bereitet habe, hätten auf einem vorübergehenden, krankheitsbedingten Fehlverhalten beruht, dessen Wiederholung nicht zu befürchten sei, und sie daher nicht berechtigt, die Kläger von den Leistungen auszuschließen, die den eigentlichen Sinn und Zweck der Mitgliedschaft darstellten. Da es sich bei den Kläger um geeignete Bewerber im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (§§ 55, 56) handele, müsse der Ausgleich, den sie wegen der ihnen zuteil gewordenen ungleichen Behandlung zu beanspruchen hätten, im Abschluss eines Kaufvertrages Üben das Hausgrundstück R. bestehen, das von Anfang an für sie vorgesehen gewesen, nach ihren Sonderwünschen gebaut und seit Fertigstellung von ihnen bewohnt worden sei und das ihnen, wären die Streitigkeiten nicht dazwischen gekommen, in gleicher Weise, wie das mit den Häusern der übrigen Genossenschaftsmitglieder geschah, zum 31. 12. 1963 übereignet worden wäre.

2. Die Rev. rügt Verletzung des § 313 BGB: Diese Vorschrift brauche nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch bei öffentlich gefördertem sozialen Wohnungsbau, wenn ein Kaufvertrag über ein Kaufeigenheim nicht notariell beurkundet worden sei, keinen Billigkeitserwägungen zu weichen (Bezugnahme auf vorstehend Nr. 24 und 37, wie auf NJW 65, 812 Nr. 2 zu § 276 [Fc] BGB). Lasse aber das Gebot der Rechtssicherheit eine Anerkennung formnichtiger Grundstückeveräußerungsverträge auf dem Umweg über Treu und Glauben nicht zu, dann dürfe dies erst recht nicht durch eine Hintertür auf dem Wege der Überspannung eines gar nicht bestehenden Gleichheitsgrundsatzes geschehen; denn dadurch würde der das gesamte Liegenschaftsrecht beherrschende Formzwang ausgeschaltet.

Indessen geht es hier, was die Rev. verkennt, nicht um § 313 BGB. Dieser schreibt für einen Vertrag, durch den sich jemand zur Übertragung von Grundstückseigentum verpflichtet, notarielle Beurkundung vor; fehlt es daran, so ist der Vertrag nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Bei den von der Rev. angeführten Entscheidungen des Senats lagen solche formnichtigen Verträge vor, und den Gegenstand des Streits bildete dort jeweils die Frage, ob der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) es ausnahmsweise gebiete, die Vertragspartner gleichwohl an den getroffenen Vereinbarungen festzuhalten. In dem jetzt zu entscheidenden Fall dagegen wird nicht auf Erfüllung eines der Beurkundung entbehrenden Grundstücksveräußerungsvertrages geklagt. Die Kläger - die mit ihrer Prozessführung erst den Abschluss eines formgültigen Kaufvertrages herbeizuführen trachten - stützen ihr Begehren nicht auf den lange zurückliegenden Kapitalansammlungsvertrag vom Dezember 1956; Klagegrundlage ist die Satzung der Beklagte in Verbindung mit späteren Vorgängen im Rahmen des Gruppenbauvorhabens. Entfällt mithin eine Anwendung des § 313 BGB schon mangels eines Vertrages, den man notariell hätte beurkunden können, so kommt noch hinzu, dass die genannte Formvorschrift nach ihrem insoweit zweifelsfreien Inhalt nur für solche Vereinbarungen gilt, durch die eine Verpflichtung, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, erst neu geschaffen werden soll; wenn hingegen eine Übereignungspflicht bereits vorher und aus einem anderen, selbständigen Rechtsgrunde besteht, ist für § 1313 BGB kein Raum (Palandt-Heinrichs, BGB, 32. Aufl., § 313 Anm. 2 b). Gerade darum, ob dies hier der Fall sei, geht der Streit der Parteien. Die Kläger halten die Beklagte auf Grund der Satzungsbestimmungen, insbesondere des darin (§ 12 Abs. 1) ausgesprochenen Prinzips der Gleichbehandlung aller Genossen, für verpflichtet, ihnen zu dem umstrittenen Kaufeigenheim zu verhelfen. Falls sich diese Ansicht als unzutreffend erweisen sollte, wäre die Klage abzuweisen, ohne dass es dabei auf die Formvorschrift des § 313 BGB ankäme.

3. Ohne Grund rügt die Rev., das Berufungsgericht habe aus der satzungsmäßigen Verpflichtung der beklagten Genossenschaft, ihre sämtlichen Mitglieder gleich zu behandeln, falsche Schlüsse gezogen. Sie meint, es würde grade auf eine Verletzung dieser Pflicht hinauslaufen wenn innerhalb eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens allein den Kläger entgegen § 313 BGB das Sonderrecht zuerkannt würde, trotz Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form ein bestimmtes Anwesen zu Eigentum zu erwerben. Das Interesse gleichmäßiger Behandlung aller Bundesbürger erheische, dass hier eine Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz nicht zulässig sei, weil alle anderen Genossenschaftsmitglieder dem gesetzlichen Formzwang unterlägen.

Die Rüge ist jedoch schon deshalb nicht stichhaltig, weil hinsichtlich des auf Abschluss eines formgültigen Kaufvertrags gerichteten Klagebegehrens, wie oben dargelegt (Nr. 2), kein Anwendungsfall des § 313 BGB vorliegt. Im Übrigen wird von der Rev. übersehen, dass auch die übrigen an dem Gruppenbauvorhaben in K. beteiligten Genossenschaftsmitglieder, die inzwischen sämtlich das Eigentum an den von ihnen seit 1958 bewohnten Häusern erlangt haben, bis zum Juli 1960 noch keine notariell beurkundeten Verträge über ihre Kaufeigenheime in Händen hatten; wenn die Beklagte sich dann ihnen gegenüber zum Abschluss derartiger Verträge bereit fand, während sie den klagenden Eheleuten als einzigen Bewerbern dies ver weigerte, wurden damit die Kläger schlechter behandelt als alle anderen.

Die Rev vermisst in der Satzung der Beklagte Bestimmungen, aus denen sich ein Anspruch der Kläger gerade auf das hier streitige Kaufeigenheim herleiten lasse. Das Oberlandesgericht ist jedoch an Hand der einschlägigen Satzungsbestimmungen, die im angef. Urteil näher erörtert werden, mit Recht zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangt. Es verweist insbesondere auf § 12 Abs. 2 Buchst. a der Satzung, worin allen Mitgliedern ausdrücklich das Recht zugesprochen wird, ein Siedlungshaus als Eigenheim zu erwerben, und führt dazu unter Bezugnahme auf BGHZ 31, 37 aus, eine solche Satzungsbestimmung einer gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft sei kein bloßes Programm, sie begründe vielmehr Ansprüche der Genossen; auch entsprächen die §§ 2 Abs. 2, 12 Abs. 2 Buchst. a und 13 Abs. 1 der Satzung genau den in jener Entscheidung des BGH abgehandelten Satzungsbestimmungen Was den bereits er wähnten Grundsatz der Bleichbehandlung aller Mitglieder in § 12 Abs. 1 angeht, so gilt er nach der Auff. des BerRichters nicht nur für die Mitgliedschaftsrechte, sondern auch für solche Rechte und Pflichten, die sich aus der Inanspruchnahme von Genossenschaftsleistungen ergäben (unter Hinweis auf BGH, Nr. 2 zu § 18 GenG und das einschlägige Schrifttum zum Genossenschaftsgesetz). Da der hiernach den Kläger für ihre Benachteiligung gegenüber den übrigen Genossen gebührende Ausgleich sich aus Rechtsgründen nicht dadurch erreichen lasse, dass den anderen die übereigneten Hausgrundstücke wieder genommen würden, bleibe nur die Möglichkeit, die Kläger auden selben Stand anzuheben, den ihre Mitbewerber erlangt hätten; ihr Ausgleichsanspruch konkretisiere sich unter den gegebenen Umständen auf den Abschluss eines Kaufvertrages über das Hausgrundstück R. zu den Bedingungen, zu denen es am 31. 12. 1963 verkauft worden wäre.

Der Senat, der die Auslegung einer Genossenschaftssatzung frei nachzuprüfen vermag (BGHZ 9, 279 = Nr. 2 zu § 115 AktG; 15, 177, 183 = Nr. 2 zu § 51 GenG), tritt dem Berufungsgericht bei. Zweifel nach der Richtung, ob bereits eine ausreichende Konkretisierung des Erwerbsrechts der Kläger gerade auf das streitige Kaufeigenheim vorliege, könnten allenfalls aus dem Grunde bestehen, weil in der höchstrichterlichen Rechtsprechung der - nicht der Formvorschrift des § 313 BGB unterliegende - Erwerb eines klagbaren genossenschaftlichen Anspruchs auf Verschaffung eines bestimmten Eigenheims zumeist noch an die weitere Voraussetzung geknüpft worden ist, dass die zuständigen Genossenschaftsorgane die Überlassung des Grundstücks an den betreffenden Genossen satzungsgemäß beschließen und ihm den Beschluss mitteilen (RGZ 110, 241, 246; 126, 218; 147, 201; 156, 213, 215f; BGHZ 15, 177 = Nr.2 zu § 51 GenG). Daran fehlt es hier, und die Organe der Beklagte haben auch nicht die in § 27 Buchst. d vorgesehenen allgemeinen Grundsätze für die Veräußerung von Siedlungshäusern als Eigenheime aufgestellt (vgl. S. 3 des Landgerichts-Urt.). Aber der vorliegende. Fall weist die Besonderheit auf, dass die Beklagte ihre Absicht, das Haus R. niemand anderem als gerade den Kläger zuzuteilen, unmissverständlich und für jedermann erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Laut tatrichterlicher Feststellung hatte sie es von Anfang an für die Kläger vorgesehen und bei dem Bau die von ihnen geäußerten Sonderwünsche berücksichtigt. Als das Gebäude im Sommer 1958 fertiggestellt war, wies sie die Kläger darin ein, und diese bewohnen es seither ohne Unterbrechung. Im BerUrt. wird ferner mit Recht darauf abgestellt, dass der Erstkläger der einzige Genosse ist, dessen Eigenheimwunsch noch nicht erfüllt wurde, und dass das streitige Haus das einzige ist, über das die Beklagte noch nicht verfügt hat. Wenn das Oberlandesgericht unter den geschilderten Umständen angenommen hat, die eingetretene Ungleichheit lasse sich hinsichtlich des Objekts vollständig beheben, begegnet diese Beurteilung keinen tatsächlichen oder rechtlichen Bedenken.

5. Mit der - vom Landgericht bejahten - Frage, ob die Beklagte auch kraft Gesetzes, also unabhängig von ihren Satzungsbestimmungen, verpflichtet war, mit den Kläger den begehrten Kaufvertrag abzuschließen, weil nämlich das Zweite Wohnungsbaugesetz dem Bauherrn im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau unter gewissen Voraussetzungen einen entsprechenden Abschluss zwang auferlegt (§ 56), brauchte sich das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus nicht zu befassen, und der erkennende Senat, der diesen Standpunkt teilt, sieht sich ebenfalls nicht dazu veranlasst. Wenn gleichwohl im angef. Urteil geprüft wurde, ob die Kläger etwa im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes als ungeeignete Bewerber anzusehen seien oder ob ein in ihrer Person oder in ihren Verhältnissen liegender wichtiger Grund die Beklagte berechtigt haben würde, den Abschluss eines Kaufvertrages mit ihnen abzulehnen (vgl. §§ 55, 56 Abs. 1 des Gesetzes), ist das, wie der Zusammenhang der Urteilsbegründung erkennen lässt, ersichtlich unter dem Gesichtswinkel geschehen, ob der Beklagte zuzumuten wäre, das Kaufeigenheim jemandem zu überlassen, der den vom Gesetzgeber an einen Bewerber gestellten Mindestanforderungen nicht genügt. Die Prüfung, die der BerRichter demgemäß vorgenommen hat, ist indessen zu dem Ergebnis gelangt, dass den Kläger weder die erforderliche Eignung fehle noch dass in ihrer Person oder in ihren Verhältnissen ein wichtiger Ablehnungsgrund bestehe.