Zahlungsverzug geratenen Käufer

Die Möglichkeit des Verkäufers, die für den in Zahlungsverzug geratenen Käufer angeschaffte Ware zu einem höheren Preis an einen Dritten verkaufen zu können, reicht allein nicht aus, um eine Nachfristsetzung wegen Wegfalls des Interesses an der Vertragserfüllung entbehrlich zu machen.

Zum Sachverhalt: Die Parteien handeln mit Mineralöl. Aufgrund von Verhandlungen am 12.1. 1977 kaufte die Kläger von der Beklagte etwa 13000 t Gasöl in zwei Partien. Die Kläger bestätigte die Abschlüsse mit zwei Fernschreiben vom 12. 1. 1977, die Beklagte ebenfalls mit zwei Fernschreiben, und zwar vom 14. 1. 1977. In den im wesentlichen gleichlautenden Fernschreiben heißt es zur Lieferung der Ware: prompt up to january 31st, 1977, by barge or pumpover, und zur Zahlung des Kaufpreises: pre-payment after receipt of independent inspectors report confirming quality as above. Die Beklagte hat in den Fernschreiben auf ihre Geschäftsbedingungen, die Kläger auf incoterms, London arbitration, English Law and usual force majeure Bezug genommen. Die formularmäßig gestalteten, mit Datum vom 14. 1. 1977 versehenen Verkaufsbestätigungen Nrn. . . . die im Text eine Bezugnahme auf die auf der Rückseite abgedruckten Geschäftsbedingungen der Beklagte enthalten, will die Kläger erst am 1. 2. 1977 erhalten haben. Mit Fernschreiben vom 25. 1. 1977 gab die Beklagte der Kläger die C- Bank als Bankverbindung für die Abwicklung der beiden Geschäfte an und bat, dafür zu sorgen, dass die Gutschrift der Vorauszahlung spätestens drei Werktage vor der Lieferung erfolge. Mit Fernschreiben vom 27. 1. 1977 wies die Beklagte darauf hin, das Gasöl müsse spätestens am 31. 1. übernommen sein; das bedeute, dass die Vorauszahlung am 28. 1. mit Wertstellung vom, selben Tage auf ihrem Konto sein müsse. Am 28. 1. 1977 verlangte die Beklagte Leistung der Vorauszahlung noch am selben Tage. Ebenfalls mit Fernschreiben vom 28. 1. 1977 zeigte die Kläger der Beklagte an, sie habe die Überweisung durch die Chase Manhattan Bank New York an die C-Bank mit Wertstellung zum 28. 1. 1977 veranlasst (we have remitted . .). Am 31. 1. 1977 unterrichtete die Beklagte die Kläger sodann fernschriftlich, nach Auskunft der C-Bank sei selbst an diesem Tage noch keine Zahlung eingetroffen. Das sehe sie als Vertragsbruch an, betrachte beide Kontrakte als aufgehoben und mache die Kläger für den durch die Vertragsverletzung verursachten Schaden verantwortlich. Die Beklagte veräußerte das Öl noch am 31. 1. 1977 an die Firma M. Mit einem in Rotterdam eingeleiteten Arrestverfahren, das die Veräußerung verhindern sollte, kam die Kläger zu spät. Den inzwischen, und zwar nach Darstellung der Kläger am frühen Morgen des 31. 1. 1977, dem Konto der Beklagte bei der C-Bank gutgeschriebenen Kaufpreis zahlte die Beklagte an die Kläger zurück. Die Kläger, die durch ein anderes Konzernunternehmen einen Deckungskauf vorgenommen haben will, um ihren eigenen Lieferpflichten nachkommen zu können, hat die Beklagte auf Zahlung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung nur teilweise bestätigt; es hat im Übrigen den geltend gemachten Ersatzanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und das Betragsverfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Die Revision der Beklagte hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe sich die Erfüllung der mit der Kläger am 12. 1. 1977 abgeschlossenen Verträge über die Lieferung von ca. 13000 t Gasöl unmöglich gemacht, weil sie diese Ware am 31. 1. 1977 an die Firma M veräußert habe. Die Unmöglichkeit habe sie auch zu vertreten. Zwar habe sich die Kläger wegen ihrer Untätigkeit bei der Beschaffung der Prüfberichte über die Qualität des Gasöls zwischen dem 26. und 28. 1. eine positive Vertragsverletzung zuschulden kommen lassen und sei zugleich mit der Erfüllung dieser Hauptpflicht in Verzug geraten. Das habe außerdem den Verzug mit der Kaufpreiszahlung unmittelbar nach sich gezogen. Gleichwohl sei die Beklagte, jedenfalls nicht ohne der Kläger eine Nachfrist zu setzen, berechtigt gewesen, von den Kaufverträgen zurückzutreten. Eine Nachfristsetzung sei nicht bewiesen. Danach schulde die Beklagte Schadensersatz gemäß § 325 I 1 BGB.

II. Die Feststellung der Vorinstanz, die Kläger sei mit der Beschaffung der Prüfberichte und der Kaufpreiszahlung in Verzug geraten, ihr Verhalten sei außerdem als positive VertragsVerletzung zu werten, nimmt die Revision als ihr günstig hin. Sie steht auf dem Standpunkt, die Befugnis der Beklagte zum Rücktritt von den Kaufverträgen sei nicht von einer Nachfrist abhängig gewesen, jedenfalls habe aber das Berufungsgericht den angebotenen Beweis über eine erfolgte Nachfristsetzung zu Unrecht nicht erhoben.

1. Auf ihre AGB beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang ohne Erfolg. Sie sehen zwar im Falle des Verzugs des Käufers mit einer vertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht ein Rücktrittsrecht ohne Nachfristsetzung vor, sind aber nicht Vertragsinhalt geworden.

a) Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den rechtzeitigen Zugang der Bestätigungsschreiben vom 14. 1. 1977 nicht bewiesen, bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

b) Die AGB der Beklagte konnten deshalb, wenn überhaupt, nur durch die Fernschreiben vom 14. 1. 1977 Vertragsinhalt werden; denn bei den mündlichen Verhandlungen, die unstreitig bereits zum Vertragsschluss geführt haben, war offensichtlich von den AGB weder der einen noch der anderen Partei die Rede. Durch das Schweigen der Kläger auf die Fernschreiben der Beklagte vom 14. 1. 1977 sind die AGB der Beklagte nicht Vertragsinhalt geworden. Ebenso wenig wie in dem vergleichbaren Sachverhalt (mündlicher Vertragsschluss, Versuch beider Vertragsparteien, nachträglich durch kaufmännische Bestätigungsschreiben jeweils ihre AGB zum Vertragsinhalt zu machen), über den der Senat am 28. 5. 1973 (WM 1973, 1198 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 47a) entschieden hat (vgl. auch BGHZ 61, 282 [287] = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 50 = NJW 1973, 2106), konnte im vorliegenden Falle die Beklagte damit rechnen, die Kläger als Empfängerin werde sich auf ihre - der Ilea - AGB einlassen.

2. Die Revision meint, das Berufungsgericht habe rechtsirrtümlich das Vorliegen eines Fixgeschäftes verneint. Auch diese Rüge greift nicht durch. Die Beklagte hätte nach § 376 HGB nur dann - ohne Fristsetzung - zurücktreten dürfen, wenn die Leistung der Kläger (= Kaufpreiszahlung) genau zu einer fest bestimmten Zeit oder innerhalb fest bestimmter Frist hätte erbracht werden müssen. Das aber ist nicht der Fall, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat. Die Kläger war vorleistungspflichtig. Nach Empfang der Prüfberichte hatte sie den Kaufpreis sofort zuzahlen. Dies musste nach Lage der Dinge spätestens bis zum Geschäftsschluss am 28. 1. 1977 geschehen (§ 358 HGB). Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass die Rechtsgeschäfte mit Einhaltung einer Frist stehen oder fallen sollten.

3. a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, trotz der positiven Vertragsverletzung des Klägers sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, ohne Nachfristsetzung von den Kaufverträgen zurückzutreten. Es habe sich nämlich nicht feststellen lassen, dass die Vertragsverstöße den Zweck der Vereinbarungen derart gefährdet hätten, dass der Beklagte nach Treu und Glauben das Festhalten an den Kaufverträgen im Hinblick auf zerstörtes oder erschüttertes Vertrauen nicht mehr zuzumuten gewesen sei. Die Kläger habe die Erfüllung ihrer Vertragspflichten zwar verzögerlich behandelt, aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie die Leistung ernsthaft und endgültig verweigere. Sie habe sich vielmehr noch am 28. 1. 1977 nachmittags um die Prüfberichte bemüht und der Beklagte Nachricht von dem Kaufpreisüberweisungsauftrag an ihre Bank zukommen lassen.

b) Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Der Geschehensablauf, von dem die Vorinstanz ausgegangen ist, ist unstreitig. Seine Wertung hält sich in den Grenzen tatrichterlichen Ermessens und ist überdies sachgerecht. Die Revision bemüht sich vergeblich, ihre eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen. Die rechtlichen Erwägungen der Vorinstanz stehen in Einklang mit den Grundsätzen, die nach der Rechtsprechung des Erkennenden Senats bei der Prüfung der Frage zu beachten sind, ob der Gläubiger einer Leistung wegen positiver Vertragsverletzungen des Schuldners berechtigt- ist, ohne Nachfristsetzung, vom Vertrage zurückzutreten. Ein Widerspruch zwischen dem Senatsurteil vom 10. 12. 1975 (LM vorstehend Nr. 4 = WM 1976, 75 = NJW 1976, 326 [LsJ), auf das das Berufungsgericht Bezug genommen hat, und der Entscheidung vom 19. 2. 1969 (LM § 325 BGB Nr. 13 = NJW 1969, 975) besteht, entgegen der Meinung der Revision, nicht. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem, der der Entscheidung vom 10. 12. 1975 zugrunde liegt, darin, dass hier die Unzuverlässigkeit, welche der Kläger angelastet wird, sich darin erschöpft, dass sie in Verzug geraten ist. Auf ihn trifft der Grundgedanke des Urteils vom 19. 2. 1969 zu.

4. Der Revision kann auch darin nicht gefolgt werden, dass im Hinblick auf die Vorschrift des § 326 II BGB eine Nachfristsetzung entbehrlich gewesen sei. Für die Anwendung des § 326 II BGB kommt es allein darauf an, ob die Vertragserfüllung für die Beklagte infolge des Verzugs der Kläger mit der Kaufpreiszahlung kein Interesse mehr hatte. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Interesse des Verkäufers fortgefallen sein kann, wenn infolge des Verzugs des Käufers die zu, liefernde Ware vom Vorlieferanten nur noch zu einem wesentlich höheren Preis zu beschaffen ist (vgl. RG JW 1925, 935). Darum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, denn die Beklagte hatte das für die Kläger bestimmte Gasöl bereits beschafft und eingelagert. Sie hat ersichtlich auch über die zur Beschaffung erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. Ihr vom kaufmännischen Standpunkt her gesehen verständliches Bestreben, die für den Käufer bereitgestellte Ware mit Verzugseintritt ohne weiteres zu einem günstigeren Preise an einen Dritten zu verkaufen, um auf diese Weise einen höheren Gewinn zu erzielen, ist eine Interessenlage, die die Rechtsfolge des § 326 II BGB nicht auslöst. Das gilt auch, wenn Gegenstand des Kaufvertrages Güter mit außerordentlich schwankendem Marktpreis sind. Die Vereinbarung eines Fixgeschäftes ermöglicht es dem Beteiligten, unter solchen Umständen ihren wirtschaftlichen Interessen in einer jegliche Rechtsunsicherheit vermeidenden Art und Weise Geltung zu verschaffen.

5. Zu einer Beweiserhebung über die Behauptung, der Kläger sei am 28. 1. 1977 telefonisch eine Nachfrist gesetzt worden, die nach eigenem Vorbringen der Beklagte am selben Tage ablaufen sollte, war das Berufungsgericht schon deshalb nicht verpflichtet, weil die Kläger, wie dargelegt, mit der Kaufpeiszahlung erst mit dem Ende der Geschäftszeit am 28. 1. in Verzug geraten ist. Die Nachfrist hätte sich mithin zumindest in die Vormittagsstunden des 31. 1. 1977 erstrecken müssen.