Zwangsversteigerung

Zweifelt bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks der Meistbietende, dem der Zuschlag erteilt worden ist, sein Gebot wegen Irrtums an, und wird auf seine sofortige Beschwerde der Zuschlag versagt, so hat er einem anderen Beteiligten, der auf die Wirksamkeit des Meistgebots vertraut und diesem deshalb nicht widersprochen hat, gemäß § 122 I BGB den Vertrauensschaden zu ersetzen.

Zum Sachverhalt: Die Beklagte ersteigerte am 4. 2. 1980 mit einem Meistgebot von 255000 DM ein Grundstück des Fuhrunternehmers M, das u. a. mit einer Grundschuld von 40000 DM zu Gunsten der klagenden Sparkasse belastet war. Am 5. 2. 1980 focht die Beklagte ihr Gebot wegen Irrtums an. Auf ihre zugleich eingelegte sofortige Beschwerde hob das Landgericht den Zuschlagsbeschluss vom 4. 2. 1980 auf und versagte den Zuschlag. In dem erneuten Versteigerungstermin vom 6. 10. 1980 wurde lediglich ein Erlös von 241000 DM erzielt. Die Kläger begehrt von der Beklagte Schadensersatz mit der Begründung, das Grundstück wäre am 4. 2. 1980 der zweithöchsten Bieterin 0 auf deren Gebot von 250000 DM zugeschlagen worden, wenn die Beklagte diese nicht überboten hätte. Da sie auf die Wirksamkeit des Übergebotes der Beklagte vertraut und diesem deshalb nicht widersprochen habe, sei ihr ein Schaden von 17098,84 DM entstanden.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 14385,75 DM Zug um Zug gegen Abtretung der Darlehensforderung der Kläger gegen M in gleicher Höhe stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagte die Klage abgewiesen und die auf Zahlung von 17098,84 DM abzüglich zwischenzeitlich erhaltener 135,34 DM gerichtete Anschlussberufung der Kläger zurückgewiesen. Die - zugelassene - Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufsgericht meint, der Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 122 I BGB zu, da sie nicht Dritte im Sinne dieser Vorschrift sei.

Zwar sei es möglich, dass die Kläger durch das Übergebot der Beklagte vom 4. 2. 1980 und dessen spätere Anfechtung einen Schaden erlitten habe; dieser Schaden sei aber nicht dadurch entstanden, dass sie auf die Gültigkeit des Gebots der Beklagte vertraut habe. Die Kläger sei nämlich gar nicht in der Lage gewesen, durch einen Widerspruch nach § 72 ZVG den Zuschlag an die Beklagte zu verhindern. Dabei könne davon ausgegangen werden, dass die Beklagte, wenn ihr Irrtum rechtzeitig aufgedeckt worden wäre, ihr Gebot sogleich angefochten hätte und in diesem Fall der Zuschlag auf das zweithöchste Gebot hätte erfolgen können. Das wäre dann aber allein durch die Aufklärung der Beklagte über ihren Irrtum und nicht durch den Widerspruch der Kläger bewirkt worden.

Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.

Nach dem rechtlich zutreffenden Ausgangspunkt des Berufsgericht kann der Gläubiger des Eigentümers eines zwangsversteigerten Grundstücks von einem Bieter gemäß § 122I BGB Schadensersatz verlangen, wenn dieser sein Gebot später mit Erfolg anficht und der

Gläubiger im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Gebotes eine Handlung vorgenommen oder unterlassen und dadurch einen Schaden erlitten hat. Das entspricht einhelliger Auffassung. Es wird auch von dem Beklagten nicht in Frage gestellt.

Entgegen der Rechtsansicht des Berufsgericht greift die Vorschrift des § 122 BGB nicht nur dann ein, wenn ein Gläubiger im Vertrauen auf die Wirksamkeit eines Gebotes Verbindlichkeiten eingegangen ist und deswegen durch die Anfechtung des Gebots einen Schaden erleidet. Der zu ersetzende Schaden umfasst nach Wortlaut und Zweck des § 122I BGB vielmehr alle Vermögensnachteile, die dem Geschädigten dadurch entstanden sind, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut und sich bei seinem weiteren Verhalten danach gerichtet hat. So erstreckt sich der Vertrauensschaden nach allgemeiner Auffassung außer auf nutzlose Aufwendungen u. a. auch auf den Gewinn, der dem Geschädigten dadurch entgangen ist, dass er den Abschluss eines anderen Geschäfts unterlassen hat. Für die Ersatzpflicht des Anfechtenden kommt es deshalb allein darauf an, ob sich die Vermögenslage des Geschädigten durch Maßnahmen verschlechtert hat, die er im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der Erklärung getroffen oder unterlassen hat. Ist dies der Fall, so ist der Geschädigte nach § 122 BGB wirtschaftlich so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hätte. Von diesem Grundsatz ist auch hier auszugehen.

Nach dem von der Beklagte nicht bestrittenen Vorbringen der Kläger hätte diese, wenn sie nicht auf die Wirksamkeit des Übergebots der Beklagte vertraut hätte, diesem Gebot nach § 72 I 1 ZVG sofort widersprochen. In diesem Fall wäre entweder der Irrtum der Beklagte festgestellt, ihr Gebot nach erfolgter Anfechtung gemäß § 71 I ZVG zurückgewiesen und der Zuschlag dem nächst niedrigeren Bieter erteilt, oder es wäre zwar das Übergebot der Beklagte zugelassen worden, aber aufgrund des Widerspruchs der Kläger nach § 72 11 ZVG mit der Folge, dass auch das zweithöchste Gebot bestehen geblieben wäre. Im letzteren Fall hätte das Versteigerungsgericht darüber entscheiden müssen, ob es den Zuschlag der Beklagte oder dem nächst niedrigeren Bieter erteilte. Hätte dann die Beklagte bis zur Erteilung des Zuschlags die Anfechtung erklärt, das Versteigerungsgericht diese für begründet und ihr Gebot deshalb für unwirksam erachtet, so hätte es den Zuschlag dem nächst niedrigeren Bieter erteilen müssen. Aber selbst wenn die Beklagte vor der Erteilung des Zuschlags noch keine Anfechtung erklärt oder das Versteigerungsgericht diese nicht für durchgreifend erachtet und den Zuschlag deshalb der Beklagte erteilt hätte, wäre das zweithöchste Gebot aufgrund der von der Beklagte eingelegten sofortigen Beschwerde weiter bestehen geblieben. Auf dieses Gebot wäre dann vom BeschwGer., da es dem Rechtsmittel der Beklagte stattgegeben hat, nach § 101 I ZVG der Zuschlag zu den früheren Versteigerungsbedingungen zu erteilen gewesen. In keinem Fall wäre somit, wie jetzt, das zweithöchste Gebot trotz nachträglich festgestellter Unwirksamkeit des Übergebots der Beklagte nach § 72 I ZVG erloschen und ein weiterer Versteigerungstermin mit einem geringeren Erlös durchgeführt worden. Ist der Kläger hierdurch ein Schaden entstanden, so beruht dieser folglich darauf, dass sie auf die Wirksamkeit des Übergebots der Beklagte vertraut und diesem nicht widersprochen hat. Gem. § 122 I BGB hat ihr deshalb die Beklagte diesen Schaden zu ersetzen.

Bei der hiernach gegebenen Haftung der Beklagte kann dahinstehen, ob - was das Berufsgericht nicht erwogen hat - die Beklagte ihre Schadensersatzpflicht auch deshalb nicht mehr in Frage stellen kann, weil sie diese in dem von ihr vorgelegten Schreiben vom 15. 12. 1980 dem Grunde nach anerkannt hat.

Ob der Kläger wegen des am 6. 10. 1980 erzielten geringeren Erlöses tatsächlich ein Schaden entstanden ist und auf welchen Betrag sich dieser beläuft, hat das Berufsgericht nicht geprüft, weil es aus seiner Sicht darauf nicht ankam. Das bedarf noch weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Gem. § 565 I 1 ZPO ist der Rechtsstreit deshalb an das Berufsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, dies nachzuholen. Bei der erneuten Verhandlung wird u. a. folgendes zu beachten sein: Nach dem Vorbringen der Beklagte war auch das zweithöchste Gebot der Frau 0 am 4. 2. 1980 irrtümlich abgegeben und wäre deshalb angefochten worden. Die Kläger hat einen Irrtum der Frau 0 zuletzt nicht mehr bestritten, sondern allein darauf abgestellt, dass insoweit eine Anfechtung nicht erfolgt sei. Darauf kann es aber schon deshalb nicht entscheidend ankommen, weil dieses Gebot durch widerspruchslose Zulassung des Übergebots der Beklagte gemäß § 72 I 1 ZVG erloschen war und damit aus der Sicht der Frau 0 für eine Anfechtung kein Bedürfnis mehr bestand. Das Berufsgericht wird deshalb durch Erhebung des angebotenen Beweises festzustellen haben, ob Frau 0 ohne das Übergebot der Beklagte ihr Gebot angefochten und diese Anfechtung Erfolg gehabt hätte, so dass auch ihr der Zuschlag nicht hätte erteilt werden können.