Zwangsversteigerungsverfahren

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die vom Ersteher nach § 57a ZVG erklärte Kündigung des Mietvertrages eine unzulässige Rechtsausübung darstellt.

Zum Sachverhalt: Der Kaufmann P war Eigentümer eines Hausgrundstücks. Durch Verträge von 1961 und 1966 vermietete er dem Kläger zu 1 und 2 Räume im Erdgeschoß und ersten Obergeschoß seines Hauses zum Betrieb einer Gaststätte. Die Mietzeit wurde verlängert, zuletzt bis 1990. Beide Kläger sind zur Untervermietung berechtigt. Davon machten sie Gebrauch und verpachteten die von ihnen in den beiden Stockwerken eingerichteten Gaststätten. Sie erzielen zusammen eine monatliche Pacht von 5030 DM. Als Miete haben sie zusammen monatlich 1830 DM zu entrichten. P verstarb 1971. Er wurde von seiner Ehefrau beerbt. Diese war daran interessiert, das Grundstück neu zu bebauen oder zu veräußern. Ihr Ansinnen, die Mietverträge gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, lehnten die Kläger ab. Durch notariellen Vertrag vom Februar 1973 verkaufte Frau P das Hausgrundstück an den Beklagte Im März 1973 bestellten Frau P und der Beklagte auf dem Grundbesitz eine Grundschuld in Höhe von 1.300000 DM, die zur Sicherung eines Darlehens in gleicher Höhe diente, das der Beklagte zur Finanzierung des Kaufpreises aufnahm. Mit dem erzielten Kaufpreis erwarb Frau P zwei andere Hausgrundstücke, eines davon vom Beklagte, der seine Kaufpreisforderung mit dem noch offenen Rest der Kaufpreisforderung der Frau P verrechnete. Im April 1973 wurde der Beklagte als Eigentümer des Grundstücks eingetragen. Im September 1973 bestellte er zu Lasten des erstgenannten Grundbesitzes eine Grundschuld in Höhe von 500000 DM zu seinen Gunsten. Durch notariellen Vertrag vom September 1973 vereinbarten der Beklagte und Frau P die Aufhebung des Kaufvertrages vom Februar 1973, da, wie im Vertrag ausgeführt ist, der bezüglich wesentlicher Teile des Kaufobjektes bestehende Mietvertrag gemäß den vom Mieter vorgelegten Urkunden noch über einen erheblich längeren Zeitraum laufe als die Beteiligten angenommen hätten. Frau P übernahm die Verpflichtungen des Beklagten aus dem Darlehensvertrag über 1300000 DM und der hierfür bestellten Sicherheit als Selbstschuldner. Sie versprach, den verbleibenden Kaufpreisrest von 200000 DM bar zurückzuzahlen und unterwarf sich wegen dieser Verbindlichkeit der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Die Vertragsteile vereinbarten, zur Sicherung der Verpflichtung zur Rückzahlung des Betrages von 200000 DM diene die Grundschuld in Höhe von 500000 DM. Im November 1973 wurde Frau P wieder als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. Der Beklagte betrieb ab Dezember 1973 wegen seines Anspruchs auf Rückzahlung der 200000 DM die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes. Er erhielt als einziger Bieter den Zuschlag, erlöste aufgrund des Verteilungsplans 7703,34 DM und wurde in der Folgezeit als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben seiner Anwälte vom 31. 5. 1974 erklärte er den Kläger die Kündigung der Mietverträge. Im Juli 1975 verkaufte er das Grundstück für 2 350000 DM. Der Vertrag ist noch nicht vollzogen. Die Kläger halten die Kündigung für unwirksam, weil sie sich als unzulässige Rechtsausübung darstelle. Sie haben beantragt, festzustellen, dass die Mietverträge noch fortbestehen. Hilfsweise haben sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hält die vom Beklagte gemäß § 57a ZVG erklärte Kündigung der Mietverträge für unzulässig, weil sie gegen die guten Sitten verstoße. Der Beklagte habe das Zwangsversteigerungsverfahren zu verfahrensfremden Zwecken benutzt. Sinn eines Zwangsversteigerungsverfahrens sei es, die Befriedigung des Anspruchs zu erreichen, dessentwegen es betrieben werde. Der Beklagte habe die Zwangsversteigerung aber zu dem, Zweck betrieben, die Voraussetzungen für eine vorzeitige Kündigung der Mietverträge zu schaffen und sich durch die Auflösung der Mietverträge auf Kosten der Kläger zu bereichern. Das sei daraus zu entnehmen, dass der Beklagte, der an einer vorzeitigen Beendigung der Mietverträge interessiert gewesen sei, gewusst habe, dass der Erwerb des Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung diese Möglichkeit eröffnet, dass er nicht in das übrige Vermögen von Frau P vollstreckt habe, dass er aber das Grundstück ersteigert habe, obwohl er für seine Forderung eine Befriedigung nicht erwartet und auch nichterreicht habe, und dass er die Vollstreckung nicht aus der Grundschuld sondern aus der persönlichen Forderung betrieben habe.

Hiergegen wendet die Revision sich mit Erfolg.

Nach § 57 ZVG gilt der im Kaufrecht maßgebliche Grundsatz Kauf bricht nicht Miete für den Erwerb eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung entsprechend. Da aber das Bestehen eines Miet- oder Pachtvertrages der Erzielung eines angemessenen Erlöses Schwierigkeiten bereiten kann, ist dem Ersteher in § 57 a ZVG die Befugnis eingeräumt, ein bestehendes Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist für den ersten Termin nach dem Zuschlag zu kündigen. Nach Auffassung des Gesetzgebers wird Mietern und Pächtern ein ausreichender Schutz dadurch gewährt, dass sie ihre Rechte nach § 9 Nr. 2 ZVG anmelden und für sie günstigere Versteigerungsbedingungen nach § 59 ZVG herbeiführen können, und dass sie zudem die Möglichkeit haben, sich Hypotheken für den Fall bestellen zu lassen, dass sie durch eine frühere Kündigung Schaden erleiden würden. Daraus folgt, dass dem Erste- her eines Grundstücks grundsätzlich nicht schon deshalb anstößiges Verhalten vorgeworfen werden kann, weil er das Grundstück erworben hat in der Absicht, die bestehenden Miet- oder Pachtverträge zu kündigen, und dass er dann von dem gesetzlichen Kündigungsrecht Gebrauch macht. Das gilt auch für den hier in Betracht kommenden Fall, dass der Ersteher das Zwangsversteigerungsverfahren selbst betrieben hat. Ein Rechtsgrund, ihn insoweit schlechter zu stellen als den Ersteher, der nicht Gläubiger des Schuldners im Zwangsversteigerungsverfahren war, besteht nicht.

Die Ausübung des Kündigungsrechts kann aber missbräuchlich und deshalb nach § 242 BGB unzulässig sein, wenn der Inhaber des Rechts sich dieses durch unredliches Verhalten verschafft hat. Dass der Beklagte auf eine solche Weise die Berechtigung zur Kündigung erlangt habe, machen die Kläger geltend, indem sie behaupten, der Beklagte und Frau Phätten den notariellen Aufhebungsvertrag, in dein der Titel enthalten ist, aus dem der Beklagte vollstreckt hat, in der Absicht abgeschlossen, dem Beklagte den Erwerb des Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung und damit die Kündigung der Mietverträge zu ermöglichen. Eine solche Vereinbarung wäre sittenwidrig und daher nach § 138 BGB nichtig, das aufgrund einer solchen Abrede erworbene Kündigungs- recht wäre deshalb auf unredliche Weise erlangt. Das Berufsgericht hat aber nicht festgestellt, dass dieses Vorbringen der Kläger zutrifft.

Auch dann wäre die Ausübung des Kündigungsrechts rechtsmissbräuchlich, wenn der Beklagte die Zwangsversteigerung ausschließlich zu dem Zweck betrieben hätte, die Mietverträge zu kündigen und dadurch die Kläger zu schädigen. Das folgt schon aus § 226 BGB und ergibt sich auch aus Treu und Glauben.

Das Berufsgericht hat aber die Feststellung, dass es dem Beklagten nur um die Kündigung der Mietverträge gegangen sei, nicht ohne Rechtsfehler getroffen. Nach seinen Ausführungen war für diese Annahme mit entscheidend die Feststellung, der Beklagte hätte sich wegen des Anspruchs auf Zahlung durch Vollstreckung in das übrige Vermögen der Frau P befriedigen können. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision mit ihrer auf Verletzung des § 286 ZPO gestützten Verfahrensrüge mit Erfolg. Das Berufsgericht hat nämlich nicht den gesamten Inhalt der Verhandlungen berücksichtigt. Es hätte beachten müssen, dass ein Zeuge bekundet hat, er habe sich um liquide Mittel für Frau P bemüht, aber nur eine unzureichende Kreditzusage erhalten, und dass die Kläger in der Berufungsbegründung vorgetragen haben, die beiden Grundstücke, welche Frau P mit dem Erlös aus dem Kaufvertrag vom Februar 1973 erworben habe, seien nicht mehr beleihungsfähig gewesen.

Nach allem konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es musste aufgehoben werden. Die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, zurückzuverweisen. Der Senat konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufsgericht zu dem oben erörterten entscheidungserheblichen Vorbringen der Kläger keine Feststellungen getroffen hat und seine übrigen Feststellungen, soweit sie nicht von Rechtsfehlern beeinflusst sind, eine abschließende Entscheidung nicht ermöglichen. Das Berufsgericht wird bei seiner neuerlichen Entscheidung folgendes zu berücksichtigen haben: Es liegt nahe, dass Frau P und der Beklagte den Eigentumsübergang wirtschaftlich betrachtet gar nicht rückgängig machen, sondern nur einen Weg finden wollten, um dem Beklagte die Beseitigung der lästigen Mietverträge zu ermöglichen, zu deren Einhaltung sie - solange sie Eigentümer waren - verpflichtet waren. Hierfür könnte sprechen, dass der Kaufvertrag vollständig abgewickelt und der Beklagte bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Von Bedeutung könnte auch die vom Berufsgericht bisher nicht erörterte Frage sein, ob überhaupt eine Rechtspflicht der Frau P bestand, in die Rückgängigmachung des Kaufvertrages einzuwilligen. Für ein sittenwidriges Zusammenwirken könnte es sprechen, wenn Frau P sich darauf einließ, den Kaufvertrag rückgängig zu machen, obwohl sie, was der Beklagte noch in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, keine ausreichenden Geldmittel zur Rückzahlung des Kaufpreises hatte. Auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Bestellung der Grundschuld, dem Abschluss des Aufhebungsvertrages, der Eintragung der Frau P als Eigentümerin und der Aufforderung zur Rückzahlung des Kaufpreises mit Androhung der Zwangsversteigerung ist ein verdächtiges Indiz.

Auch für die Entscheidung der Frage, ob es dem Beklagte ausschließlich darauf ankam, ein Kündigungsrecht zu erlangen, könnte von Bedeutung sein, dass das Grundstück durch die nur drei Tage vor Abschluss des Vertrages über die Aufhebung des Kaufvertrages vorgenommene Bestellung der Grundschuld über 500000 DM bei einem Wert von 1500000 DM im Hinblick darauf, dass es bereits mit einer Grundschuld von 1300000 DM belastet war, für einen anderen Bieter als den Beklagte kaum mehr wirtschaftlich interessant war.

Selbst wenn sich bei der vom Berufsgericht vorzunehmenden Gesamtbeurteilung ergeben sollte, dass der eine oder andere der erörterten Gesichtspunkte nicht dafür spricht, dass es dem Beklagten ausschließlich um die Erlangung eines Kündigungsrechtes ging, wird das Berufsgericht zu prüfen haben, ob die übrigen Umstände in ihrer Gesamtheit für eine solche Annahme ausreichen.